Schönstes Sporterlebnis Dabei beim goldenen Moment

Die Kür ihres Lebens: Elisabeth Seitz am Stufenbarren bei den European Championships in München. Foto: /IMAGO/Eibner Pressefoto / Heike Feiner

Die Abteilung Turnen des TSV Meiningen und vor allem Cheftrainerin Marion Düwel waren schon oft bei hochkarätigen Turnveranstaltungen dabei. Alle Erlebnisse haben sich tief ins Gedächtnis eingegraben, aber die letzte Reise toppte noch mal alles.

 
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Marion Düwel steht die Begeisterung über das erlebte immer noch ins Gesicht geschrieben, als sie beim Redaktionsbesuch von diesem Tag in München erzählt. Seit langem verbindet die TSV-Turnerinnen und Cheftrainerin Düwel eine Freundschaft mit der besten deutschen Turnerin Elisabeth Seitz und deren Mutter Claudia. Seitz war 2015 erstmals in Meiningen – als Stargast beim damaligen Sport- und Presseball. Es folgten zwei weitere Besuche in der Theaterstadt – nicht in schicker Abendgarderobe sondern im Wettkampfoutfit – zur großen Weihnachtsgala des TSV. Dort begeisterte Deutschlands beste Turnerin mit ihren Übungen das Publikum. Marion Düwel lernte Seitz beim Sport- und Presseball persönlich kennen und so entstand diese Freundschaft.

Die Meininger waren in der Vergangenheit auch öfter bei großen Turnwettkämpfen zu Gast, bei denen sie die vielfache deutsche Meisterin Elisabeth Seitz anfeuerten. Und jetzt war Marion Düwel mit ihrem TSV Meiningen hautnah und live dabei, als sich Elisabeth Seitz bei den European Championships in München zur Europameistertitel am Stufenbarren krönte. Was für ein Tag! Der mit ganz viel Vorlauf begann. „Wir haben die Karten schon im vorigen Jahr bestellt“, so Marion Düwel. Die TSV-Verantwortlichen hatten auch schon Fahrten zum deutschen Turnfest in Berlin 2018 und mehrmals zu deutschen Meisterschaften organisiert. Auch bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart 2019 waren sie dabei. Da wurde Elisabeth Seitz Sechste im Mehrkampf, was ein ganz toller Erfolg war. „Wir sind da immer mit einem großen Bus gefahren. Für unsere Turnerinnen waren es stets Höhepunkte, wenn sie das alles mal live erleben durften, und ein echter Motivationsschub“, sagt die TSV-Cheftrainerin.

Einen Tag vor dem Gerätefinals in München hatte die deutsche Riege im Mannschaftswettbewerb Bronze geholt. Die Form stimmte also, was die Vorfreude bei dem Meiningern noch steigerte. Und so machten sich knapp 30 TSV-Mitglieder am Sonntagmorgen auf nach München. Das tolle Flair in der Halle konnten alle genießen. Und dann kam der große Moment. „Ich hatte mir erhofft, dass Eli eine Medaille holt. Von den Vorkampfwerten her waren die Italienerin und auch die Niederländerin besser. Aber im Mehrkampffinale hat sie schon eine sehr gute Übung gezeigt. Das hat Hoffnung gemacht“, erzählt Marion Düwel. „Und beim Einturnen habe ich bemerkt, dass sie vor dem Abgang keinen Zwischenschwung mehr geturnt hat. Da habe ich mir schon gedacht, dass sie aufs Ganze geht.“ Dann begann der Wettkampf und eine Turnerin nach der anderen zeigte ihre Übung. Die Sportlerin, die direkt vor Elisabeth Seitz turnte, verletzte sich beim Abgang. So musste die Deutsche auf ihren Auftritt warten. Wenn das für die Zuschauer schon anstrengend ist, was muss das dann erst für die Sportlerin bedeuten?

Eine perfekte Übung

Aber dann war es so weit. Elisabeth Seitz ging ans Gerät, turnte alle Elemente – auch die schwierigen Flugeinlagen – fehlerfrei, ja fast schon traumwandlerisch sicher. „Das war eine ganz tolle Übung. Als sie den Abgang noch sicher gestanden hatte, war mir klar, dass das eine Medaille werden würde“, erzählt Marion Düwel. Sekunden des Bangens folgten, ehe die Note gezeigt wurde und damit die Platzierung feststand: Platz 1, der Sieg, die Europameisterschaft. „Wir sind alle aufgesprungen, der Jubel kannte keine Grenzen. Mir kamen sofort die Tränen und ich habe Rotz und Wasser geheult“, beschreibt Marion Düwel ihre Emotionen. „Und die Halle hat getobt. Was für eine Lautstärke. Das ging minutenlang und wollte gar nicht mehr aufhören. So was habe ich noch nie erlebt.“ Das schöne an dem Moment war natürlich, dass Elisabeth Seitz als letzte Turnerin ans Gerät ging. Als dann die Note und Platz 1 aufleuchtete, konnte keine mehr an ihr vorbeiziehen. Das nervenaufreibende Warten entfiel, was den Moment noch besser machte.

Mit diesem Erfolg war natürlich klar, dass aus dem erhofften persönlichen Treffen mit ihrer „Eli“ für die TSV-Abordnung an diesem Tag nichts werden würde. Aber das nahmen die Thüringer natürlich gerne in Kauf, waren sie schließlich bei dem größten Erfolg von Elisabeth Seitz live dabei. Das mitgebrachte kleine Geschenk trat die Heimreise wieder an, weil es auch mit Elisabeths Mutter nur ein kurzes Telefonat gab. Die wollte natürlich auch schnellstens zu ihrer Tochter. Das Geschenk hat Marion Düwel dann per Post versandt. Immerhin gab es für einige TSV-Turnerinnen noch Gelegenheit für ein Foto mit Pauline Schäfer-Betz.

Den Tag perfekt machte in München dann noch die zweite deutsche Goldmedaille durch Emma Malewski am Schwebebalken. Übrigens war die Wahl der Sitzplätze für die Meininger goldrichtig. „Wir hatten die besten Plätze – genau zwischen Schwebebalken und Stufenbarren“, frohlockte Marion Düwel. Und die Meininger blieben dann sogar noch bis zum letzten Akt. Als in der Olympiahalle alle Entscheidungen gefallen und alle Siegerinnen geehrt waren, folgte die emotionale Verabschiedung von Kim Bui, die mit dieser EM in München ihre lange und erfolgreiche Laufbahn beendete. „Das wollten wir dann auch noch mitnehmen. Es war einfach ein solch schöner Tag, dass es dann auch egal war, wann wir wieder in Meiningen sein würden“, so Marion Düwel. Und da hat sie Recht, denn wer weiß, wann man beim TSV Meiningen mal wieder einen solchen Höhepunkt miterleben darf. Elisabeth Seitz jedenfalls scheint ja bis Olympia 2024 in Paris weiterzumachen. Und wer weiß ...?

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