Schmalkalden Von "mutig" über "unangemessen" bis "unglückliches Signal"

Bodo Ramelow (Linke) hat mit seiner Ankündigung, die Corona-Präventionsmaßnahmen in Thüringen zu beenden, auch bei lokalen Entscheidungsträgern in der Region Schmalkalden für Verwirrung gesorgt.

 
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Schmalkalden - Schmalkaldens Bürgermeister Thomas Kaminski (parteilos) findet den vom Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow angekündigten Verzicht auf landesweit geltende Schutzmaßnahmen für "unangemessen und verfrüht".

Er sei am Wochenende genauso überrascht worden, wie offenbar das gesamte Land, kritisiert Kaminski die Art und Weise der Kommunikation. So gehe man nicht mit der kommunalen Familie um, erklärte der Stadtchef. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach weiteren Lockerungen, den auch er habe, sei jetzt der Eindruck entstanden, das Virus sei verschwunden und man könne wieder zum Alltag übergehen. "Das ist mitnichten so", betont Kaminski. Die Zahl der Neuinfektionen gehe zwar zurück, aber wie schnell sich die Situation ändern könne, habe er im eigenen Hause erlebt. Nach zwei coronafreien Wochen war eine Mitarbeiterin aus dem Rathaus positiv getestet und die gesamte Verwaltung vorsorglich zwei Tage nach Hause geschickt worden. Besonders ärgert Kaminski, dass die Kommunen um Lösungen ringen, um den Menschen ein Stück Normalität zurückzugeben, und dann alles plötzlich über Bord geworfen werden soll. Kaminski möchte die aktuelle Situation keineswegs dramatisieren, "aber wir müssen weiterhin vorsichtig und aufmerksam sein". Er bittet die Bürger, sich weiterhin an die Schutzregelungen zu halten, wie Abstand wahren, wo erforderlich, Mundschutz tragen und ganz besonders auf Hygiene achten.

Zwei Hotspots im Land

Landrätin Peggy Greiser (parteilos) findet auf Anfrage deutliche Worte: "Es braucht weiterhin klare Leitplanken! Gerade die Abstandsregelung ist in der gegenwärtigen Lage unabdingbar und auch bei Unterschreitung dessen, halte ich die Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, für wichtig." Des Weiteren sei die Frage nach möglichen Ahndungen bei Fehlverhalten und vorsätzlicher Gefährdung anderer, zu beantworten. "Ich halte daher den Vorstoß Ramelows zum jetzigen Zeitpunkt für ein unglückliches Signal. Damit wird der Lockerungs-Wettbewerb unter den Bundesländern wieder befeuert und das, obwohl wir noch nicht mal wissen, wie sich die jüngsten Entscheidungen in den nächsten Wochen auswirken." Zudem habe man in Thüringen zwei Hotspots und weitere Infektionsherde in der unmittelbaren Nachbarschaft. "An der Gefährlichkeit des Virus hat sich nichts geändert, es gibt weiterhin kein wirksames Medikament und keinen Impfstoff - auch in dieser Hinsicht könnten die Worte des Ministerpräsidenten in der Bevölkerung falsch aufgenommen werden. Es kann nicht sein, dass wir in Thüringen jetzt unsere mühsam erarbeiteten Erfolge auf Druck von Aluhutträgern und Populisten gefährden." Mit derartigen Maßnahmen setze man die Bevölkerung einer unnötigen Gefahr aus. Es müsse weiter Aufgabe der Politik sein, eine Verordnung auf den Weg zu bringen, um einen Regelungs-Flickenteppich in Thüringen zu verhindern, fordert die Landrätin.

Nicht alles nachvollziehbar

Der Meininger CDU-Landtagsabgeordnete Michael Heym begrüßt den Vorschlag Ramelows im Grundsatz. "Angesichts der aktuellen Corona-Hotspots im Freistaat ist das allerdings sehr mutig." Dies mache deutlich, wie sensibel man mit dem Thema umgehen müsse. Allerdings seien einige Maßnahmen für die Menschen nicht wirklich nachvollziehbar. Und genau das gefährde die Akzeptanz anderer. "Wenn ich im Baumarkt erst den Einkaufswagen bis zum Eingang fahre, wo dann der Griff desinfiziert wird, kann es längst zu spät sein", nennt er ein Beispiel. Viele Bereiche des öffentlichen Lebens bräuchten jedoch ein Stück weit Normalität zurück. "Familien belastet das enorm."

Doch auch die Wirtschaft und vor allem die Gastronomie müssten wieder in Gang kommen können, um langfristige Schäden zu vermeiden. "Sehr wichtig ist dabei, dass alle sehr diszipliniert sind und ihre Eigenverantwortung aktiv wahrnehmen, um eine zweite Infektionswelle ausschließen zu können." Den Fokus müsse man daher jetzt auf alle Risikobereiche, wie Seniorenheime und das Gesundheitswesen, legen. "Dann haben wir eine Chance."

Linke-Kreischef Patrick Beier nimmt auch als Mitglied des Thüringer Landtages Stellung: Das Ziel der Landesregierung werde sein, in dieser Woche im Kabinett Maßnahmen zu beschließen, wie man die Sicherheit der Bürger bewahren und gleichzeitig die Maßnahmen des Lockdowns lockern könne, "um vielen Menschen etwas Alltag zurückzugeben". Das heiße jedoch nicht, dass man "jetzt verantwortungslos handeln" könne. Im Gegenzug steige mit mehr Normalität im Alltag auch die Verantwortung eines jeden Einzelnen. "Grundsätzlich rate ich allen Bürgerinnen und Bürgern, sich mit gesundem Menschenverstand an die Hygienevorgaben zu halten", formulierte Beier abschließend.

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