Schmalkalden Schmalkalder Lokführer: Millionendieb und Intershop-Einbrecher

Die wieder aufgetauchten Gemälde werden in der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha präsentiert. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der spektakulärste Kunstraub der DDR-Geschichte könnte aufgeklärt sein: Ein Lokführer aus Schmalkalden soll 1979 die fünf wertvollen Gemälde aus Gotha gestohlen haben, die 2019 wieder auftauchten. Die Geschichte des Mannes ist aber noch skurriler. Er bricht später auch in einen Intershop ein und wird 1986 wegen versuchter Republikflucht in den Westen abgeschoben.

 
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Schmalkalden/Gotha - Die Spur des größten Kunstraubs in der DDR führt nach Schmalkalden: Der Reichsbahn-Lokomotivführer Rudi B. aus Schmalkalden soll im Jahr 1979 die fünf Meisterwerke aus dem Schloss Friedenstein in Gotha gestohlen und jahrelang auf einem Dachboden aufbewahrt haben. Zu dieser Schlussfolgerung kommen die am Wochenende veröffentlichten Recherchen von Süddeutscher Zeitung und Spiegel. Alle Hinweise würden auf den Lokführer Rudi B. hindeuten, heißt es in den Berichten. B. wohnte Schmalkalden, wurde 1986 wegen versuchter Republikflucht verurteilt und in den Westen abgeschoben. Er starb 2016 in Frankfurt.

Den Recherchen zufolge waren die Gemälde nach der Ankunft Rudi B.s im Rhein-Main-Gebiet dort aufgetaucht, im Haus eines Freundes von Rudis in Australien lebendem Bruder, der sie ihm wahrscheinlich abgekauft und nach einem Besuch in Schmalkalden nach Ingelheim am Rhein geschmuggelt hatte. Dort hingen sie jahrelang in der Wohnstube, wo Angehörige erst vor wenigen Jahren erkannt haben sollen, um welche Werke es sich handelt.

Bislang war vermutet worden, dass die Kunstwerke unmittelbar nach dem Diebstahl nach Westdeutschland gelangten. In Wirklichkeit sollen die Werke in den 80er Jahren auf einem Dachboden gelagert worden sein, vermutlich irgendwo in Schmalkalden. Im Wohnhaus von B. hatten die DDR-Ermittler trotz intensiver Suche nichts gefunden.

Der Coup in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember 1979 im Schloss Friedenstein gilt als einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Er war von Kripo und Stasi nie aufgeklärt worden. Der Wert der Gemälde war damals auf rund fünf Millionen DDR-Mark geschätzt worden. Es handelt sich um fünf Meisterwerke von Frans Hals, Anthonis van Dyck, an Brueghel dem Älteren, Jan Lieven und Hans Holbein dem Älteren.

Voriges Jahr waren die Gemälde völlig überraschend wieder aufgetaucht. Über einen Anwalt war im Juli 2018 eine anonyme Erbengemeinschaft an die Stiftung Schloss Friedenstein herangetreten, um sie zum Kauf anzubieten. Nach Geheimverhandlungen mit dem Gothaer Oberbürgermeister Knut Kreuch und einer Echtheitsprüfung wurden die Werke zurückgegeben, seit Januar hängen sie wieder im Schloss.

Schon in den 80er Jahren lagen den Ermittlern mehrere Spuren nach Schmalkalden vor. So erklärte ein Häftling im Gefängnis Untermaßfeld, Rudi B. habe ihm eines der Bilder verkaufen wollen. Weitere Hinweise, sollen B.s e Schuhgröße, die zu den Fußabdrücken am Tatort passe, und ein P70-Auto sein, das Zeugen in der Nähe von Schloss Friedenstein gesehen hatten.

Rudi B. war das jüngste von drei Kindern, seine Brüder waren vor dem Mauerbau nach Australien ausgewandert. Rudi war in Schmalkalden geblieben, um die Eltern nicht allein zu lassen, heißt es. Alle drei sind tot, auch deren Ehefrauen, von der Familie lebt nur noch ein Sohn. Die Australier sollen ihren Bruder der stets in den Westen wollte, finanziell unterstützt haben. Rudi B. war auch anderweitig kriminell aufgefallen: Unter anderem brach er 1982 mit seinem Sohn in den Intershop Friedrichroda ein. Danach hatten Ermittler sein Haus ausgiebig durchsucht. Nach der Wende tauchte er wieder in der Region auf. 1996 überfiel er einen Mann in Meiningen. er/sö

>>> Rudi, der Millionendieb

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