Schmalkalden RKI-Wert hinkt Landkreiszahlen hinterher

RKI-Präsident Lothar Wieler erläutert die aktuelle Covid-19-Lage. Die Zahlen aus den Kommunen kommen in seinem Institut mit Verzögerung an. Foto: dpa/Michael Kappeler

Leser fragen, die Redaktion hakt nach: Abweichende Corona-Fallzahlen beschäftigen einige Leser. Sie wandten sich an die Redaktion und baten um Aufklärung.

 
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Schmalkalden - „Liebe Redaktion, mit Besorgnis verfolge ich die Infektionszahlen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen. Dabei fällt mir täglich jedoch ein gravierender Unterschied auf: In der Lokalpresse (Berichterstattung, Corona-Ampel der Region) werden deutlich höhere Inzidenzwerte angegeben als auf den offiziellen Internetseiten. Die aktuellen Stände sind zwar auch unterschiedlich (Zeitung z. B. Vorabend, 18 Uhr; Internet aktueller Tag, 0:00 Uhr), dennoch dürften die Differenzen nicht so stark sein.“ Diese Mail schreibt unser Leser Frank Schepella vergangenen Donnerstag an die Redaktion.

Der Unterschied bei den Fallzahlen beschäftigt auch Angela und Peter Röder aus Schmalkalden. „Mit Erstaunen“ hätten sie festgestellt, dass die veröffentlichten Fallzahlen vom Robert-Koch-Institut (RKI) „erheblich von den Zahlen des Landratsamts abweichen“. Dafür fehle ihnen eine Erklärung. Zumal beispielsweise die Zahlen aus dem Landratsamt Fulda mit den Zahlen vom RKI identisch seien. Auch bei anderen Landkreisen sei ihnen dies aufgefallen, schreiben die Röders vergangenen Mittwoch an die Redaktion.

Da wir davon ausgehen, dass auch anderen Lesern diese Unterschiede aufgefallen sind, hier die Erklärung: Das Problem abweichender Corona-Fallzahlen ist der Redaktion bekannt, und wir haben es auch schon mehrfach in der Zeitung thematisiert.

Es ist so: Die angeführte landesweite Datenbank des Gesundheitsministeriums des Landes steht in der Mitte einer längeren Informationskette, die in den einzelnen Gesundheitsämtern beginnt und beim RKI in Berlin endet.

Im Landratsamt liegen immer die aktuellen eigenen Fallzahlen vor. Je nachdem, wann und wie diese über die entsprechenden Instanzen und Kanäle ans Land und in der Folge bis ans RKI durchgegeben werden, entsteht ein Verzug von wenigen Stunden bis hin zu mehreren Tagen. Hinzu kommt, dass einige Landratsämter tagsüber ihre Zahlen aktualisieren; andere veröffentlichen immer nur die Zahlen vom Vortag.

Schmalkalden-Meiningen meldet immer den Stand von 10 Uhr, Rhön-Grabfeld z. B. mit Stand 17 Uhr.

Das RKI und das Land Thüringen aktualisieren die eigenen Daten nur einmal täglich um Mitternacht. Das alles hat zur Folge: Die Kreis-Daten, die zum Beispiel Freitagabend beim RKI abgerufen werden, stammen im besten Fall von Donnerstagnachmittag und im ungünstigsten Fall von Mittwoch oder gar Dienstag.

Technische Probleme

Auf Nachfrage im Landratsamt erklärt dazu Behördensprecher Christopher Eichler am Freitag: „Das Gesundheitsamt meldet jeden Tag die eingepflegten Fallzahlen an das Land Thüringen über die Fachsoftware ISGA. Von dort werden die Zahlen auch an das Robert-Koch-Institut weitergeleitet.“ Als die Redaktion ihm die Anfrage von Frank Schepella vom 10. Dezember weiterleitete, kam noch hinzu, dass es „ in dieser Woche technische Probleme bei der Übermittlung gab, wodurch ein Meldeverzug mit den entsprechenden Differenzen beim Inzidenzwert entstand“, so Eichler am Freitag. Daraus ergab sich die hohe Fallzahl beim Land und beim RKI für den Landkreis am Freitag.

Örtlicher Datenstand

„Das Gesundheitsamt veröffentlicht die Fallzahlen täglich mit Stand 10 Uhr unter www.lra-sm.de/Corona Newsticker. Das Land und das RKI veröffentlichen die Corona-Zahlen am jeweiligen Tag um 0 Uhr“, bestätigt Eichler am Freitag .

Die Redaktion will den Lesern immer die möglichst aktuellen Zahlen zur Verfügung stellen und orientiert sich daher immer am letzten vorliegenden örtlichen Datenstand um 18 Uhr. Auch, damit die Zahlen der Regionen untereinander verglichen werden können. Das erscheint dann abends online unter www.insüdthüringen.de und am nächsten Tag in der gedruckten Zeitung (Die Karte mit der Corona-Ampel ist in der Regel auf Seite 12 bzw. 14 neben dem Wetterbericht zu finden).

Einige Gesundheitsämter, das hat unsere Recherche ergeben, wollen die durch die Zahlendifferenzen zwischen Kreis, Land und RKI entstehende Verwirrung vermeiden und veröffentlichen daher selber nur die RKI-Zahlen oder beide Varianten. Das ist zum Beispiel in Fulda der Fall, was Angela und Peter Röder festgestellt haben.

Im Fall Schmalkalden-Meiningen stimmen die bei uns veröffentlichten Zahlen übrigens immer mit denen auf der Website des Landkreises überein. Diese Daten dienen, soweit wir das wissen, auch dem Gesundheitsamt bzw. der Landrätin als Grundlage für ihre Maßnahmen.

Am Wochenende gestaltet sich die Nachrichtenlage noch etwas komplizierter, da zwei Lagemeldungen des Landkreises, nämlich die für Samstag und die für Sonntag, zu berücksichtigen sind. Am vergangenen Samstag teilte das Landratsamt zudem mit, dass ein 64-Jähriger aus dem Raum Grabfeld mit Covid-19 verstorben ist. Damit liegt die Zahl der Verstorbenen an dem Virus im Landkreis bei nun 22 und mit dem Virus bei 13. Der Mann war allerdings schon vor über einer Woche verstorben. Weiterhin verzeichnet das Gesundheitsamt „eine Vielzahl an Einzelfällen über den gesamten Landkreis verteilt“. Es komme dabei oft zu „familiären Häufungen“.

Während am Samstag 327 positive Fälle gemeldet waren, stieg diese Zahl binnen 24 Stunden auf 345 am Sonntag. Insgesamt waren zwar 40 Neuinfektionen gegenüber Samstag hinzugekommen, allerdings galten im gleichen Zeitraum 22 Personen als genesen.

Inzidenz bei 212,9

Am Sonntag lag der Inzidenzwert für Schmalkalden-Meiningen laut Lagebericht des Landratsamtes bei 212,9, die Gesamtfallzahl bei 1634.

Das RKI hat mit Stand 13.12.2020, 00:00 Uhr (online aktualisiert um 9.15 Uhr), 1580 Fälle für den Landkreis in der Übersicht, also befinden sich 54 Fälle sozusagen noch auf dem statistischen Weg von Meiningen nach Erfurt und Berlin. Der Inzidenzwert für den Landkreis wird hier noch mit 184,9 angegeben. Während der Landkreis schon 35 Todesfälle zählt, steht auf der Übersicht des RKI noch die Angabe 32 Todesfälle.

Da am Bezugszeitpunkt der Inzidenz (heute vor 7 Tagen) die RKI-/Landes-Fallzahlen offenbar weniger stark hinterherhinkten und daher höher waren, liegt der rechnerische RKI-Inzidenzwert so niedrig. Realistischer ist der an der Basis errechnete Wert, da hier die zufälligen Effekte der Zeitverzögerung entfallen.

Auch das RKI selbst weist auf seiner Homepage auf die Verzögerungen hin: Für die Gesamtzahl pro Bundesland/Landkreis werden die den Gesundheitsämtern nach Infektionsschutzgesetz gemeldeten Fälle verwendet, die dem RKI bis zum jeweiligen Tag um 0 Uhr übermittelt wurden, heißt es da.

Verzug bei Übermittlung

Für die Darstellung der neu übermittelten Fälle pro Tag wird das Meldedatum verwendet – das Datum, an dem das lokale Gesundheitsamt Kenntnis über den Fall erlangt und ihn elektronisch erfasst hat.

Zwischen der Meldung durch die Ärzte und Labore an das Gesundheitsamt und der Übermittlung der Fälle an die zuständigen Landesbehörden und das RKI können einige Tage vergehen (Melde- und Übermittlungsverzug). Jeden Tag werden dem RKI neue Fälle übermittelt, die am gleichen Tag oder bereits an früheren Tagen an das Gesundheitsamt gemeldet worden sind. Diese Fälle werden in der Grafik „Neue Covid-19-Fälle/Tag“ dann bei dem jeweiligen Datum ergänzt, so das RKI.

Aktive Fälle gibt es Stand Sonntag in Schmalkalden Stadtgebiet (23), Asbach (4), Mittelschmalkalden (1), Möckers (5), Springstille (2), Wernshausen (3); Steinbach-Hallenberg (27), Herges-Hallenberg (1), Bermbach (3), Rotterode (6), Unterschönau (3), Oberschönau (2), Viernau (21); Rosa (1), Schwallungen (2), Zillbach (2), Floh-Seligenthal (14), Kleinschmalkalden (2), Struth-Helmershof (2), Brotterode-Trusetal (15), Breitungen (5), Fambach (10), Heßles (5); Meiningen (43), Dreißigacker (2), Herpf (4), Walldorf (8), Einhausen (2), Helmershausen (2), Ritschenhausen (2), Rippershausen (5), Bettenhausen (2), Hümpfershausen (4), Untermaßfeld (6), Obermaßfeld-Grimmenthal (3), Jüchsen (6), Exdorf, Obendorf, Queienfeld (je 2), Oberweid (5), Wasungen mit Ortsteilen (21), Kaltennordheim mit Ortsteilen (17), Zella-Mehlis (22), Christes (2), Schwarza (6), Dillstädt (2), Mehmels (2) sowie Einzelfälle in weiteren Gemeinden.

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