Schmalkalden Mit dem Sehen kennen sie sich aus

Franziska, eine Klientin des Wohnbereichs für Erwachsene, sitzt im Garten; im Hintergrund ist das Kniese-Hause zu sehen. Dort leben die Kinder und Jugendlichen. Foto: Blindeninstitut Thüringen

Die Vorfreude ist den beiden Damen anzumerken: Nach 2019 können endlich wieder Gäste das Blindeninstitut Thüringen in Schmalkalden besuchen. Die Türen stehen offen und jeder ist willkommen.

 
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„Die Masken sind gefallen“, sagt Annette Peters und man sieht ihr an, wie glücklich sie darüber ist. In einer Einrichtung wie dem Blindeninstitut, in dem viele schwerkranke Menschen leben, ist Maskenpflicht noch einmal eine ganz andere Sache, als wenn man nur mal zum Einkaufen einen Mund-Nasen-Schutz überziehen muss. Vor allem bei Gesprächen mit Eltern und Kindern, potenziellen neuen Klientinnen und Klienten, Bewohnerinnen und Bewohnern oder Schülerinnen und Schülern sei die Maske schon sehr hinderlich gewesen, ergänzt Katrin von Vogt.

„Mit dem Sehen kennen wir uns eben am besten aus“, sagt sie. Wer hier wohnt und lernt, hat damit meist große Probleme und das sind in der Regel auch nicht die einzigen – und bekommt hier die bestmögliche Unterstützung. Die beiden Frauen bilden die Institutsleitung in Schmalkalden und freuen sich, dass sich ihre Einrichtung endlich wieder zu einem Tag der offenen Tür für Interessierte präsentieren darf. „Wir sagen: Spielt mit uns! Macht etwas mit uns zusammen! Obwohl wir wissen, dass das immer ein anspruchsvoller Tag für unsere Bewohner ist“, weiß von Vogt, die die Bentheim-Schule leitet. Trotzdem freuen sich alle darauf. Denn es gebe nach wie vor „große Berührungsängste“ zwischen nicht behinderten und behinderten Menschen. Und in Corona-Zeiten konnten die Bewohner nicht so oft wie zu normalen Zeiten im Stadtbild präsent sein. Gerade wer noch nie mit behinderten Menschen zu tun gehabt habe, bekomme an so einem Tag die Möglichkeit, dies zu ändern, werben Peters und von Vogt dafür, am 8. Juni in der Notstraße vorbeizukommen.

Denn jeder Besucher erhält an diesem Tag Einblicke in das Lernen in der Bentheimschule, die Arbeit der Frühförderung, die Wohnbereiche für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, den Förderbereich und die Heilmittelpraxis. Es gibt Informationen, Vorführungen, Seh-Geschichten und Mitmachspiele zu den Kernkompetenzen Sehen und Kommunikation sowie zur Gesundheitssorge und Pflege. „Ich werde öfter gefragt, wie und was sehbehinderte Kinder lernen oder wie wir Räume gestalten. An diesem Tag kann sich das jeder, der möchte, einmal anschauen“, sagt Katrin von Vogt. Auch ein Gebärdenkurs ist geplant. „Wir zeigen Hilfsmittel, die unseren Kindern und Erwachsenen das Leben leichter machen. Da wird so mancher staunen, wie digitale Geräte den Alltag unterstützen können“, ist sich Institutsleiterin Annette Peters sicher.

Zudem will das Blindeninstitut sich selbst als Arbeitgeber und Ausbilder vorstellen. „Wir suchen Fachkräfte für die medizinische und pflegerische Betreuung, Lehrer und Psychologen“, sagt Peters. Doch auch ein Einstieg als Quereinsteiger sei möglich. „Das Fachliche kann man sich draufschaffen“, wissen die beiden. Wichtig sei, dass man mit behinderten Menschen umgehen könne. Es sei immer schön, wenn jemand diese Berufung für sich entdecke und zum Beruf mache. Beispiele dafür gibt es im eigenen Haus genug. Sind bestimmte Voraussetzungen gegeben, könne man berufsbegleitend den Abschluss als Heilerziehungspfleger erreichen.

Zum Verbund gehören sechs Blindeninstitute in Bayern und das Thüringer in Schmalkalden. Dieses begleitet blinde, sehbehinderte und taubblinde Menschen mit weiteren Beeinträchtigungen durch ihr Leben – von ganz klein bis ins hohe Alter. Die Mitarbeitenden unterstützen und fördern diese Menschen, die „anders sehen“, in allen Lebensphasen.

Das Blindeninstitut Thüringen steht auf auf mehreren Säulen: So werden etwa 160 Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt durch die Frühförderung zu Hause betreut – und das von Erfurt aus in ganz Thüringen. In der Bentheim-Schule in Schmalkalden lernen knapp 60 Schüler in neun Klassen. „Im Schulbereich haben wir noch Plätze frei, auch im Verbund mit Wohnen im Internat“, sagt Katrin von Vogt. Früher seien die Kinder öfter ganz jung in die Einrichtung gekommen, heute kämen die meisten mit Schuleintritt. „Für die Eltern ist der Schritt, ihr krankes Kind in ein Internat zu geben, oft sehr schwer.“

66 Klienten wohnen in zehn Gruppen in den beiden Wohnbereichen – im Kniese-Haus und im Robert-Koch-Haus – in der Notstraße. Die Plätze im Erwachsenenwohnen seien überall rar, ergänzt Annette Peters, auch die in Schmalkalden seien voll belegt.

Die öffentliche Praxis für Physiotherapie wurde um die Fachrichtungen Ergotherapie und Logopädie erweitert. Die Therapeuten leisten monatlich mehr als 1000 Therapiestunden. Etwa 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den verschiedensten Bereichen für das Blindeninstitut tätig.

Dabei steht das Ziel, den anvertrauten Personen Teilhabe zu ermöglichen, über allem. „Wie Teilhabe für den einzelnen aussieht, entscheiden wir gemeinsam – mit der Person, um die es geht, mit Eltern und Betreuern und mit multiprofessionellen Teams“, so Peters.

Nach dem Tag der offenen Tür stehen in diesem Jahr noch weitere öffentliche Veranstaltungen an wie die Filmnacht am 7. Juli und die Infotage im Oktober und November, wo Zeit für individuelle Gespräche und Beratungen ist. Im kommenden Jahr feiert das Blindeninstitut in Schmalkalden sein 30-jähriges Bestehen.

„Sehen – Hören – Erleben – Mitmachen!“ Tag der offenen Tür im Blindeninstitut Thüringen in Schmalkalden, Donnerstag, 8. Juni, 9.30 bis 14 Uhr; mit Anmeldung sind Führungen bis 16 Uhr möglich. Anmeldungen und Infos: Blindeninstitut Thüringen, Kniese-Haus und Robert-Koch-Haus, Notstraße 11, 98574 Schmalkalden, Tel. (0 36 83) 64 30; Mail: thueringen@blindeninstitut.de.

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