Schmalkalden In diesem Keller hat’s früher geknallt

Annett Recknagel

Die Pistorsche Gewehrfabrik stand jetzt in der Veranstaltungsreihe „Alte Häuser erzählen“ auf dem Programm. Die Gäste durften den einstigen Beschusskeller besichtigen. Was es mit ihm auf sich hat lesen Sie hier.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die Gäste durften sich im Beschusskeller umschauen Foto: Annett Recknagel

Beinahe übersieht man ihn, den alten Beschusskeller. Wenige Meter vom einstigen Gemeindehaus Bohrmühle entfernt, befindet sich die Kellertür. Für die Reihe „Alte Häuser erzählen“ war sie vom Wildwuchs befreit worden.

Nach der Werbung weiterlesen

Stefan Svoboda hatte den Schlüssel, öffnete die Tür und die Besucher traten ein. Was sie vorfanden, war ein ganz normaler Keller. Nur, dass da einst keine Lebensmittel oder Bierfässer gelagert wurden. Nein – hier knallte es. Rohre von Pistolen und Gewehren wurden getestet. Nämlich die, die in der benachbarten Gewehrmanufaktur Pistor hergestellt worden waren. Von den einstigen Gebäuden ist nichts mehr erhalten. Der Keller aber ist relativ unbeschadet geblieben. Selbst mit einem Rauchabzug für die Pulverdämpfe ist er versehen.

Weiter ging es zum Kunstgraben und zum Schellersteich. Auch das hängt mit der Pistorschen Gewehrfabrik zusammen. Sämtliche Anlagen zur Gewehrproduktion – Rohrhammer, Schmieden, Schleif- und Poliermühle, Bohrmühle – benötigten zum Betreiben Wasser. Also musste ein Wasserreservoir her – ein künstlich angelegter Teich – zum Betreiben der Wasserräder.

Auf den „praktischen Teil“ im Rahmen der neuesten Auflage der Veranstaltungsreihe „Alte Häuser erzählen“ bereitete Stefan Svoboda, Vorsitzender des Vereins für Schmalkaldische Geschichte und Landeskunde, die Interessierten mit einem Eingangsvortrag vor. Darin ging es um die Pistorsche Gewehrfabrik. Darauf gestoßen hatte ihn sein Schulfreund Ulli Holzhauer. Wie es der Zufall wollte, meldete sich mit Jürgen Altenburg ein Waffensammler und steuerte als Anschauungsobjekte vier verschiedene Pistolen aus seiner privaten Sammlung bei – alle bei Pistor in Schmalkalden hergestellt. Altenburg erzählte, dass die gleichnamige Gewehrfabrik weltweit geachtet wurde. Man lieferte nach Australien, Indien und Amerika. In den USA hatte man eine eigene Vertretung. Waffen brauchte man zur Zeit Pistors für die Jagd und natürlich für das Militär.

Stefan Svoboda berichtete von Landgraf Carl von Hessen, der selbst Waffen herstellte. Die dazu benötigten Fachkräfte warb er aus Zella, Mehlis und Suhl ab – mit den acht Häusern, die heute gegenüber des Kindergartens in der Hedwigswiese stehen, lockte er sie an. Sie waren Dienstwohnungen. Leider ging die Gewehrproduktion als Staatsunternehmen nicht auf. Schon 1707 wurden die Produktionsstätten aufgekauft. 1745 beauftragte Oberzeugmeister Matthias Conrad Pistor die Errichtung einer Gewehrfabrik am Heiligen Grab. Rohrhammer, Bajonettschmiede und Co wurden unter dem Schellersteich gebaut. Leider hatte das verwendete Eisen nicht die hohe Zähigkeit, die ein Rohrlauf verlangt. „Das Eisen war zu spröde für seine Büchsen“, erklärte Svoboda. Das Schmalkalder Eisen war für Bajonette und Ladestäbe sehr gut geeignet. Man baute am Blechhammer eine neue Eisenhütte, in der reines Eisen gewonnen wurde, aber auch dieses Eisen war zu spröde. Nur das Eisen aus den drei Stücköfen von Hohleborn erfüllte die gewünschten Eigenschaften.

Nach dem Tod des Vaters übernahm Thomas Wilhelm Pistor die Gewehrfabrik. Auch in der dritten Generation ging es mit Adam Bernhard Pistor weiter, ebenso in der vierten. 1825 hatte die Gewehrfabrik schon 22 Meister, 20 Gesellen und acht Lehrlinge hervorgebracht. 1847 stellte man im Jahr 400 Jagdgewehre her. Es waren bis zu 100 Arbeiter beschäftigt, man musste erweitern. Vorwiegend wurden Militärpistolen benötigt. Die Revolution von 1848/49 begünstigte die Produktion. Wenige Jahre später brauchte man keine Waffen mehr. Die neu errichtete Produktionsstätte wurde nicht benötigt, was zum Konkurs der Firma führte.

Die Bohrmühle wurde an den Kaufmann Friedrich Uttendörfer verkauft. Der verkaufte sie weiter an den Spielzeugfabrikanten Wilhelm Scheller, der im einstigen Kindergartengebäude an der Bohrmühle seine Villa errichtete. Mit Pistor&Kost, Thüringer Gewehrfabrik, Schmalkalden bei Suhl ging es 1854 weiter. Die Läufe für die Gewehre bezog man aus Suhl. So weit die Geschichte.

In zwei Gruppen machten sich die Gäste nach dem Vortrag auf den Weg, um Beschusskeller und Schellerteich anzuschauen und die Firma Herwig, die am 1. September 1924 eingeweiht worden war. Toralf Herwig als Geschäftsführer führte durch den unteren Bereich. Es waren etwa 80 Interessierte gekommen, ein Beweis dafür, dass die Veranstaltungsreihe „Alte Häuser erzählen“ nach wie vor sehr gut angenommen wird. Als nächstes will man sich die alte jüdische Schule anschauen. Der Einführungsvortrag findet im Kindergarten Hedwigswiese statt.