Schmalkalden Drei Hirsche mit abgebrochenem Geweih

Gerade mal eine Woche haben die drei Hirsche im Kaufland-Kreisel unbeschadet überlebt. Vermutlich am Wochenende haben Unbekannte den Skulpturen Teile des Geweihs abgebrochen.

 
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Schmalkalden - Kein Pferd auf’m Flur, sondern drei Hirsche in Weiß, Rot und Blau sorgen seit Tagen in der Stadt Schmalkalden für Gesprächsstoff. Auf Facebook & Co. zerbrechen sich viele Nutzer den Kopf, was diese stolzen Geweihträger auf dem Kaufland-Kreisel verloren haben? Ein Karnevalsgag? Wohl eher nicht. Die Schmalkalder Pfloasterschisser sind bekanntlich als Faschingsmuffel verschrieen. Eine Hommage an die französische Partnerstadt Fontaine? Könnte sein, denkt man an die Trikolore aus drei vertikalen Balken in Blau, Weiß und Rot. Falsch geraten, heißt es aus dem Rathaus. Hier, in der ersten Etage, sitzen die kreativen Köpfe, die das farbige Wildgehege aus Kunststoff ausgeheckt – und umgesetzt haben. Die Idee ist quasi zweigleisig entstanden, erfuhr die Redaktion auf Nachfrage. Immer auf der Suche nach etwas Besonderem, nach einem Alleinstellungsmerkmal, das die Fachwerk- und Hochschulstadt Schmalkalden hervorhebt, waren Silvia Erdenberger und Ulrike Volk beim Googeln zufällig auf die drei Hirsche gestoßen. In Weiß, Silber und Rot. Die beiden Mitarbeiterinnen im Büro von Bürgermeister Thomas Kaminski gefielen die Plastiken. Wären sie nicht eine willkommene Abwechslung im Stadtbild? Erdenbereger und Volk druckten das Angebot aus und verstauten es erst einmal in der Schublade. Man weiß ja nie. Lange sollte die Idee allerdings nicht im Verborgenen schlummern.

Zurück aus seinem Sommerurlaub an der Nordsee schwärmte Bürgermeister Kaminski von den putzigen Robben, die ihm bei seinen Ausflügen begegnet waren. Seehunde, in Stein oder Bronze gehauen. Liebenswerte Gesellen, die Einheimische und Gäste auf Schritt und Tritt erfreuen.

So etwas typisch Regionales, hatte der Bürgermeister laut nachgedacht, könnte auch Schmalkalden gut zu Gesicht stehen. Freilich keine Robbe, aber wie wäre es mit einem Hirsch?! Er ist seit Jahrhunderten das Wahrzeichen der Stadt; zu ihm haben die Einwohner eine ganz besondere Bindung. Diese beginnt im Jahr 1379, als die Henneberger Grafen ihrer Stadt Schmalkalden einen Hirsch aus den umliegenden Wäldern spendeten. Es war eine Gabe, die sich jährlich wiederholte.

Auch der zweite Landesherr, Landgraf von Hessen, gab seinen Hirsch dazu. Er wollte keinesfalls gegenüber seinem Henneberger Rivalen zurückstehen. So hatten die Schmalkalder ihren Grund für ein neues Fest. Das feierten sie über mehrere Tage, mit üppigen Gelagen, Theateraufführungen, Tänzen und Gauklern auf dem Markt sowie auf der Burg Waltaff. Aus dem Brauch der „Hirschspende“ entwickelte sich im Laufe der Zeit ein buntes Volksfest, das seit 1991 als Stadtfest, als Hirschessen mit Bartholomäusmarkt, gefeiert wird.

Während Bürgermeister Kaminski noch über Brauchtum und Tradition sinnierte, schmunzelten die beiden Mitarbeiterinnen, griffen in die Schublade – und legten das Angebot auf den Tisch. Der Stadtchef musste sich nicht überreden lassen. Der Standort war schnell gefunden. „Wir wollten schon lange den Kaufland-Kreisel umgestalten“, sagte Kaminski. Das einzige Problem, das noch zu lösen war, betraf die Farbgebung der Hirsche. Kurzerhand wurde das silberne Exemplar umgespritzt.

Nun präsentieren die drei mit blau, weiß und rot die Farben der Stadt Schmalkalden. Zur Erinnerung: Das Stadtwappen zeigt in Rot eine zweitürmige silberne Burg mit blauem Dach und vier goldenen Turmknäufen, im offenen Tor einen gespaltenen Schild, darin vorn in Gold eine schwarze Henne mit rotem Kamm und roten Lappen auf grünen Dreiberg, hinten in Blau einen neunmal von Silber und Rot geteilten, golden gekrönten Löwen.

Die Reaktionen auf die drei täuschend echt aussehenden Gesellen fallen fast ausnahmslos positiv aus. Manche Mütter müssen auf Wunsch ihrer Kinder mit dem Auto mehrmals kreiseln, weil die Sprösslinge die Hirsche bewundern wollen. Die Hauptsorge allerdings war, dass die Skulpturen diebischen Gesellen in die Hände fallen könnten. Die erste Hiobsbotschaft ließ nicht lange auf sich warten. „Irgendwelche Hirnschwache haben den Hirschen die Geweihe abgebrochen“, macht ein Schmalkalder am Wochenende seinem Unmut Luft.

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