Saurierforscher aus Südthüringen Tod im russischen Lager

Josef Kleinhenz

Hugo Rühler von Lilienstern hat Bedheim (Landkreis Hildburghausen) weltberühmt gemacht: Am Großen Gleichberg hat er besondere Saurier ausgegraben. Heute stehen sie im Naturkundemuseum Berlin. Vor 75 Jahren ist der Forscher in einem Kriegsgefangenenlager bei Moskau gestorben.

 
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Bedheim - Das malerisch in die Ausläufer der Gleichberge eingebettete Bedheim (heute Ortsteil von Römhild) hat einen bedeutenden Sohn hervorgebracht: Dr. Hugo Rühle von Lilienstern. Er wurde am 9. August 1882 im örtlichen Schloss geboren und erlangte 1932/33 mit einer sensationellen Entdeckung fossiler Saurier-Skeletten nahe Bedheim Weltruhm.

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An diesem Donnerstag, 8. Juli, jährt sich zum 75. Mal der Todestag des beliebten Landarztes und Wissenschaftlers, dem in Bedheim eine Straße gewidmet wurde. Ihm zu Ehren wurde zu seinem 110. Geburtstag 1992 im Schlossgarten auch ein Denkmal enthüllt, das für alle Zeiten die Erinnerung an ihn wach halten soll. Bei der Gedenkfeier betonten die Redner den großartigen Idealismus und hohen Stellenwert des Wissenschaftlers. Er praktizierte von 1920 bis 1945 in Bedheim als Landarzt und hatte einen großen Bekannten- und Freundeskreis, der ihn unterstützte.

In einer Keuperscholle des Basaltbruchs der Stadt Römhild am Großen Gleichberg fand der Wissenschaftler vor 89 Jahren überraschend vier fossile Saurier-Skelette. Darunter waren zwei Plateosaurier/plieningeri und zwei nicht vollständige, aber wie es heißt, sich gut ergänzende Halticosaurus/liliensternus. Es handelte sich um frühere Raubsaurier aus der Trias. Dieses Zeitalter kennzeichnet die Dinosaurier vor etwa 245 Millionen von Jahren.

Näher beschrieb Friedrich von Huene 1934 die genannten Gattungen. Der deutsche Wirbeltierpaläontologe (1875-1969) war der führende Experte für fossile Reptilien und Amphibien in Europa und analysierte zu dieser Zeit die meisten Arten von Dinosauriern.

Ein Plateosaurier wurde in der Regel drei Meter hoch, etwa acht Meter lang und 1,5 Tonnen schwer. In Rudeln zogen die Tiere durch trockene Landschaften. Mit ihrem langen Hals gelangten sie bei der Nahrungssuche bis an die Blätter von Bäumen.

Ein Halticosaurus war zwischen drei und sieben Meter lang, hatte einen leichten Körperbau und gehörte laut Beschreibung zur Familie der Theropoden. Ausgestattet mit einem scharfen Gebiss, entfaltete er sich als Fleischfresser. Der Halticosaurus wurde später Liliensternus nach Hugo Rühle von Lilienstern benannt.

Spuren einer Schildkröte kamen bei seinem Fund im Rahmen von Ausschachtungsarbeiten des Schwimmbades in Hildburghausen zutage. Nach den Auswertungen waren sie, wie es heißt, ein erster Nachweis der Existenz dieser Gattung. Bereits Mitte der 1920er Jahre erweckte der Naturforscher Aufmerksamkeit bei einer Sammlung der Flora und des Letten-Keupers sowie des Schilfsandsteins. Fossilien beschrieb er mehrere ihrer Arten,um sie unter dem Aspekt der Wissenschaft zu betrachten.

Seine spektakulären Entdeckungen führten rasch zur Gründung eines Paläontologischen Heimatmuseums, das Rühle von Lilienstern 1934 in Bedheim eröffnete. Nun wurden seine Fundstücke einem breiten Publikum vorgestellt.

1945 musste er ein schweres Schicksal auf sich nehmen, als er von den Sowjets fest- und bis zu seinem Ende in Haft genommen wurde. Aus welchem Grund, blieb im Dunkeln: Hugo Rühle von Lilienstern starb am 8. Juli 1946 in russischer Kriegsgefangenschaft in Tscherepowez bei Moskau, wie Aufzeichnungen dokumentieren. An dem Ort gab es auch zwei Krankenstationen für die deutschen Soldaten, in denen Hugo Rühle von Lilienstern vermutlich als Arzt tätig war. Auf mehreren Kriegsgefangenenfriedhöfen wurden über 30.000 Tote vorwiegend in Massengräbern bestattet. Nach dem Umzug seiner Witwe 1969 kam sein wertvolles Sammelgut nach Berlin ins Naturkundemuseum.

Rühle von Lilienstern war ein Mensch, der intensiv seinen medizinischen Arztberuf ausübte und mit Leidenschaft unermüdlich forschte. So wurde er 1939 Musterungsarzt in Hildburghausen und leitete als Stabsarzt ab 1940 das Lazarett in Erfurt. Allerdings erkrankte der Wissenschaftler 1943 und kehrte ein Jahr später nach Bedheim zurück. Angesichts hervorragender Verdienste um die Forschungsarbeit erhielt Hugo Rühle von Lilienstern 1944 die Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaften der Universität Erlangen verliehen.

Zur Enthüllung seines Denkmals 1992, vor rund drei Jahrzehnten, würdigten Professor Rudolf Daber stellvertretend für die Wissenschaft und Dietmar Schmidt sowie Gottfried Böhme von Seiten des Museums für Naturkunde Berlin in viel beachteten Ansprachen das Lebenswerk des Wissenschaftlers und Arztes.

Gottfried Böhme hatte die Sammlung Rühle von Liliensterns als das „vollständigste Material“, bezeichnet, „das international bekannt ist“, so ein Bericht. Die einstige Vorsitzende des Freundeskreises, Edith Schmidt, sowie die Familie Lilienstern, Bewohner und Gäste applaudierten.

Der Freundeskreis Dr. Rühle von Lilienstern schloss sich im Juli 1993, vier Jahre nach der Wende, dem Freundeskreis Bedheim an, der jedoch laut Mitteilung bereits seit mehreren Jahren nicht mehr besteht. Seit 1995 existiert unabhängig davon der „Gemeinnützige Förderverein Schloss Bedheim“ mit rund 20 Mitgliedern. Diese Vereinigung engagiert sich für die Pflege der Anlage und fördert ein Programm unter der Maxime „Begegnung und Bildung“, wie die Vorsitzende, Schlossbewohnerin Astrid Rühle von Lilienstern (78), in einem Gespräch erklärte. Als „entfernte Verwandte“ berichtete sie, dass drei Enkel des Wissenschaftlers in Berlin (zwei) und Köln (einer) leben. Sie selbst sei bei seinem Tod drei Jahre alt gewesen.