Russlands Krieg Gysi: Krieg ist eine Zäsur für die Linke

Zoff zwischen Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi über den Putin-Kurs der Linken. „Wir müssen uns von bestimmten Vorstellungen in Bezug auf die russische Führung verabschieden“, sagt Gysi Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Linke hadert mit ihrer Haltung zu Russland – was ihren Chef-Außenpolitiker mehr als ärgert. Gregor Gysi ist heilfroh, dass die Linkspartei im Bund nicht mitregiert. „Das wäre sonst eine Katastrophe“, sagte der 74-Jährige vor dem Hintergrund der jüngsten Putin-freundlichen Äußerungen seiner Fraktionskollegin Sahra Wagenknecht.

 
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Berlin - Noch vor drei Wochen war das Meinungsbild bei der Linkspartei noch einhellig . Ein Krieg dürfe nicht herbeigeredet werden, sagte Dietmar Bartsch an die Adresse der USA. „Frieden ist nur mit, nicht gegen Russland durchsetzbar“, formulierte der Chef der Bundestagsfraktion – eine linke Gewissheit, die mit dem Angriff auf die Ukraine plötzlich zerstört wurde.

Auch der linke Chef-Außenpolitiker Gregor Gysi muss zugeben: Da haben sie sich alle geirrt. „Ich habe Putin nicht zugetraut, den Weg eines verbrecherischen, völkerrechtswidrigen Angriffskriegs zu gehen“, sagte Gysi der Zeitung „Die Welt“. Seine Partei, die Linke, müsse sich „von bestimmten Vorstellungen in Bezug auf die russische Führung verabschieden“. Die Nato als eigentlicher Schuldiger der Eskalation, Russland als Partner, der auf Augenhöhe in ein gemeinsames Sicherheitssystem einbezogen werden müsse: Diesen Glaubenssätzen der Linken hält Gysi nun frontal entgegen: „Die Nato hat letztlich keinen Fehler begangen, die den Krieg rechtfertigte“, und: Auch er müsse erkennen, „dass Putin die Ukraine wohl nicht angegriffen hätte, wäre sie Nato-Mitglied gewesen“. Er verstehe gut, dass die Ukrainer nicht einfach kapitulieren. „Insofern ist es richtig, wenn Waffen geliefert werden“, sagte Gysi. Nur wir Deutschen sollten das nicht selber tun, „aus historischen Gründen“.

Zuvor hatte Gysi eine Gruppe um seine Fraktionskollegin Sahra Wagenknecht für deren Erklärung nach der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag heftig kritisiert. Wagenknecht lehnt die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland ab und wiederholte die linke Vorkriegs-Position, wonach die Nato-Osterweiterung mitverantwortlich für das aktuelle Verhältnis zu Russland sei. Gysi warf Wagenknecht daraufhin „völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges“ vor und erklärte, sie spreche der Ukraine ein Selbstverteidigungsrecht ab.

Die von Putin gewollte Entwaffnung der Ukraine sei ebenso wenig wie der Verzicht auf militärische Unterstützung des Westens, wie sie Wagenknecht fordert, eine Lösung. „Das Problem ist das fehlende Vertrauen“, sagte Gysi. „Wäre eine Entmilitarisierung eine Garantie , dass Russland die Ukraine nie wieder überfällt, könnte sie weitgehend auf Militär verzichten. Wenn das aber heißt, dass der große Onkel in das Land einmarschiert, sobald ihm etwas nicht passt, geht es natürlich nicht.“

Angesichts dieser tiefen ideologischen Gräben nannte Gysi es ein Glück, dass die Linkspartei diese Debatte in der Rolle als Oppositionspartei führt. „Wenn wir jetzt in der Regierung wären – das wäre eine absolute Katastrophe“, sagte er. „Man kann fast dankbar sein, dass es keine Chance dazu gab. Das hätte unsere Partei völlig zerrieben.“

Eine mögliche Beteiligung an einer Regierungskoalition im Bund war tatsächlich noch wenige Wochen vor der Bundestagswahl ernsthaft diskutiert worden. Nie zuvor sei Rot-Grün-Rot so realistisch gewesen, hatte Linke-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow noch Anfang September 2021 gesagt. Damals hatten Prognosen zeitweise eine rechnerische Mehrheit für ein Bündnis zwischen SPD, Grünen und Linken vorhergesagt. Doch es kam anders: Die Linkspartei landete bei unter fünf Prozent und blieb nur dank dreier Direktmandate (unter anderem dem von Gregor Gysi) im Bundestag. er

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