Römer, Berber, SpanierWie die Kanarischen Inseln besiedelt wurden
Walter Willems (dpa)/Markus Brauer 02.07.2024 - 09:00 Uhr
Ganzjährig mildes Klima, bizarre Küsten, schöne Landschaften: Die Kanaren sind beliebte Urlaubsziele. Umstritten war, wann Menschen den Archipel erreichten. Eine Studie rekonstruiert nun die frühe Besiedlung der Inseln.
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Sie gehören zu den beliebtesten Urlaubszielen weltweit, aber die Besiedlung der Kanarischen Inseln ist äußerst umstritten. Bislang gingen manche Forscher davon aus, dass Seefahrer aus Nordafrika den Archipel schon im ersten vorchristlichen Jahrtausend erreichten. Schließlich liegt Fuerteventura nur knapp 100 Kilometer vom heutigen südlichen Marokko entfernt.
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Zwei Hypothesen zur Besiedlungsgeschichte
Diese Hypothese stützte sich auch auf Berichte über den Seefahrer Hanno aus Karthago. Andere Fachleute waren der Ansicht, dass erst die Römer die Inselgruppe im ersten Jahrhundert v. Chr. ansteuerten.
Die zweite Hypothese wird nun durch eine jetzt veröffentlichte Studie des spanischen Forscherteams um Jonathan Santana von der Universität Las Palmas auf Gran Canaria gestützt. Die Forscher rekonstruieren dabei die Geschichte der Inseln anhand von Funden und deren Datierungen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift »Proceedings« der US-nationalen Akademie der Wissenschaften „PNAS“ erschienen.
Zuerst kamen die Römer aus Italien
Der Studie zufolge stammt der erste eindeutige Hinweis auf menschliche Präsenz auf den Inseln von Römern. Diese erreichten die Kanaren demnach im ersten Jahrhundert v. Chr.. In der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts schließlich besiedelten sie das heute unbewohnte Inselchen Lobos vor der Nordspitze von Fuerteventura.
„Dies bildet die westlichste Grenze der römischen Präsenz in der Antike“, schreiben die Forscher. Archäologische Funde aus der Region wie etwa Amphoren zeigten eine klare Ähnlichkeit zu Objekten aus dem Süden der Iberischen Halbinsel.
Darauf folgten Berber aus Nordafrika
Erst später wurden die Inseln – vermutlich unabhängig von den Römern – von Berbergruppen besiedelt, die aus dem westlichen Nordafrika stammten. Das liegt nahe, denn die Kanaren liegen vor dem heute von Marokko beanspruchten Territorium Westsahara.
Diese Afrikaner erreichten Lanzarote – die nordöstlichste der Hauptinseln – zwischen dem ersten und dem dritten Jahrhundert und „wurden schließlich zu jenen indigenen Gemeinschaften, auf die die europäischen Seefahrer im späten Mittelalter trafen“, schreiben die Wissenschaftler.
„Unsere Analyse deutet zudem darauf hin, dass Römer und Berber die Kanarischen Inseln zwar einige Zeit zusammen bewohnten, aber falls es Kontakt zwischen ihnen gab, führte er nicht zu einem kulturellen oder genetischen Austausch“, heißt es.
Besiedlung innerhalb von 200 Jahren
Demnach erreichten die Berbergruppen die Inseln vermutlich nicht als Mitfahrer auf römischen Schiffen, sondern mit eigenen Mitteln. Innerhalb von 200 Jahren besiedelten sie sämtliche Hauptinseln nach Westen bis nach La Palma und El Hierro. Im Gegensatz zu früheren Vermutungen sieht das Forscherteam keine klaren Hinweise für eine Präsenz phönizischer Seefahrer, etwa aus Karthago.
Grundsätzlich passen die neuen Ergebnisse zu den Angaben des römischen Historikers Plinius dem Älteren aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Er schreibt in seiner Enzyklopädie „Naturalis historia“, dass die Römer auf die Inselgruppe stießen bei einer Expedition, die von dem befreundeten König Juba II. von Mauretanien unterstützt wurde. Plinius erwähnt nicht, dass es damals Menschen auf den Inseln gab.
Kein Austausch mit Festlands-Bewohnern
Von einem regelmäßigen Austausch der kanarischen Urbevölkerung – also den Nachfahren der Berber – mit dem afrikanischen Festland geht das Forschungsteam auch nicht aus. Selbst untereinander habe es – trotz der anfänglichen kulturellen und technologischen Gemeinsamkeiten – wenig Kontakte gegeben.
„Als die Europäer im Mittelalter ankamen, waren die indigenen Populationen der Inseln in Bezug auf soziale Organisation, materielle Kultur, Wirtschaftsweise, Sprache und Demografie sehr unterschiedlich“, heißt es in der Studie. Zudem gingen Archäologen davon aus, dass diese kulturelle und technologische Vielfalt zwischen den Inseln von einer Phase der Isolierung herrühre. So hätte es kaum Schiffsverkehr zwischen den Inseln gegeben.