Rennrodlerin Julia Taubitz Zu Hause, dieses schöne Gefühl

Rennrodlerin Julia Taubitz, deren sportliche Heimat am Rennsteig ist, kehrt bei der WM in Altenberg in ihre emotionale Heimat zurück.

 
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Daheim in Altenberg: Julia Taubitz und das WM-Maskottchen Flocki Flocksen. Foto: imago/Steffen Prössdorf

Dies ist eine Geschichte vom schönen Gefühl nach Hause zu kommen. Und dies ist irgendwie auch eine Geschichte davon, wie man sich als Gastgeberin verhalten sollte. Dies ist die Geschichte der Rennrodlerin Julia Taubitz. Die seit 2018 der Trainingsgruppe Oberhof angehört, aber aus Sachsen stammt, in Annaberg-Buchholz geboren wurde und auf der Bahn in Altenberg als kleine Julia erste Versuche auf einem Schlitten machte. Dort, wo am Wochenende die Weltmeisterschaften stattfinden.

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Während des dreitägigen Saison-Highlights ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Julia Taubitz und ihr fünf Jahre älterer Bruder Tony öfter begegnen. Tony Taubitz nämlich ist Busfahrer und als solcher hin und wieder auch auf der Strecke Oberwiesenthal – Annaberg-Buchholz eingesetzt. Mithin jene Kilometer, die beide Geschwister in früheren Jahren gemeinsam fuhren, als Tony sich noch als Rennrodler versuchte, die kleine Schwester erst staunend zuschaute, ehe sie es ebenfalls versuchte.

Mit dem Versuchen ist das so eine Sache, denn wie ihr Bruder verloren auch viele von Taubitz’ Freundinnen nach und nach die Lust am Leistungssport. Julia aber blieb. „Wir waren viele in meinem Jahrgang“, erzählt die 27-Jährige. „Nach und nach wurden es immer weniger.“ Der Kontakt zu vielen Freundinnen von damals ist geblieben, „einige schreiben mir noch, etwa wie stolz sie sind, dass sie mal gegen mich gefahren sind.“ Da versteht es sich von selbst, dass viele von ihnen, natürlich auch die Eltern und Julias Bruder, am Wochenende an der Bahn sein werden. „Na logisch“, sagt Julia Taubitz und lacht ihr typisches Lachen.

Welche Bahn ist die schönere?

Wenn Julia Taubitz an Altenberg, ihre natürliche Heimat, und Oberhof, ihre neue Heimat, denkt – dann muss sie ganz genau abwägen. Zwischen Kopf und Herz. Schon auf die Frage, welche der beiden Bahnen die schönere sei, überlegt sie eine Weile. „Schön ist immer so ein Ding“, sagt sie dann: „Für mich hat natürlich Altenberg die schönere Bahn, weil da eine emotionale Ebene hinzukommt.“ Oberhof habe nach dem Umbau für die WM im vergangenen Jahr zwar die schönere Anlage, im Vergleich der Julia Taubitz aber steht es 1:0 für Altenberg. Herz schlägt Kopf. Wenn sie das Gefühl, auf beiden Bahnen herunterzufahren mit einem Wort beschreiben müsste, fällt ihr für Altenberg ein spontanes „Wow“ ein, für Oberhof sind es derer drei: „Schauen wir mal“. Wobei sie für Oberhof noch wohlwollend einschränkt: „Wenn man aus Kurve 13 raus ist und auf der Geraden fährt, denkt man sich nur „Oh, cool“.

Hatte Taubitz in früheren Jahren so ihre Problemchen mit den Kurven an den Oberhofer Fallbächen, so fährt sie dort inzwischen gar nicht mal so ungern. „In Oberhof kommt Kurve an Kurve, aber ich habe mich an das viele Lenken gewöhnt. Wenn du dort die Einfahrt in Kurve sieben verpasst, hast du in der Zehn noch Probleme. In Altenberg sind auch mal Geraden dabei, auf denen man den Schlitten einfach laufen lassen kann.“

Am Freitag und Sonntag, wenn im Erzgebirge zunächst die Sprintrennen und dann die klassischen Einzel anstehen, sollen möglichst wieder die Gleiterfähigkeiten von Julia Taubitz zur Geltung kommen. Dann hätte sie wieder ein Datum, das sich in ihrem Kopf verewigen könnte. So wie der 31. Januar 2021, als sie am Königssee Weltmeisterin und Bruder Tony 30 Jahre alt wurde.

Dass sie als Führende des Gesamtweltcups zu den absoluten Top-Favoritinnen auf Gold zählt, ist Julia Taubitz klar. „Sicher, die Chancen sind schon sehr groß. Wenn ich meinen Stiefel runterziehe, kann ich gewinnen.“ Was aber, wenn die Österreicherin Madeleine Egle, die bei ihrem Heim-Weltcup in Innsbruck-Igls vor Taubitz einkam, ebenfalls ihren Stiefel runterziehen sollte? Taubitz: „Dann wird es eine ganz enge Kiste.“

Gold für die „Konkurrentin“?

Egle und Taubitz unternehmen privat viel zusammen. Auf der Heimfahrt von Igls, Julia Taubitz saß gerade im Bus, flatterte eine Nachricht der Freundin ein: „Julia, das war wieder knapp heute. Auf ein Neues bei der WM in Altenberg“, hatte Egle ihr geschrieben. Um 0,024 Sekunden hatte sie das sportliche Duell für sich entschieden – und nur wenige Stunden später diese Winzigkeit auf die freundschaftliche Ebene heruntergebrochen. „Am Wochenende sind wir halt mal für zwei Minuten Konkurrentinnen“, sagt Julia Taubitz. Hätte sie denn ein Problem damit, wenn Egle WM-Gold gewänne? Taubitz zögert. „Ja doch, schon ...“

Sollte es so weit kommen, würde sich Taubitz mit dem Gedanken trösten können, wenigstens eine gute Gastgeberin gewesen zu sein. Dann hätte sie den österreichischen Gästen, ihrer österreichischen Freundin, den Aufenthalt so schön wie möglich gemacht. In der Benimm-Bibel Knigge heißt es schließlich „gute Gastgeber bereiten ihren Gästen eine Bühne und wollen nicht selbst eine glänzende Hauptrolle spielen“. So wie Taubitz im vergangenen Jahr gewissermaßen selbstlos zurücksteckte, als Anna Berreiter in Oberhof, Taubitz’ neuer Heimbahn, WM-Gold gewann und sie selbst Silber holte. In den thüringischen Kurven fühlt sich Julia Taubitz eben doch noch nicht so wohl wie in den sächsischen.