Prunksitzung Kuckuck legt Humor in fremde Nester

Cathrin Nicolai

Der Sonneberger Faschingsverein zeigt in seiner Prunksitzung, dass er es noch kann – den Humor in fremde Nester legen. Das vierstündige Programm mit Musik, Tanz, Sketchen und manch weisen Worten aus der Bütt lässt viele ihre Alltagssorgen vergessen.

 
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Die Purzelgarde begrüßt am Samstagabend die nach und nach eintreffenden Gäste auf der Treppe mit einem lauten „Kuckuck-Helau“. Ein Stückchen weiter sind die Trommeln der Feuervögel von passaro de fogo nicht zu überhören und spätestens jetzt sind alle nicht mehr zu halten. Endlich wieder Fasching feiern und da gehört die Prunksitzung des Kuckuck einfach dazu.

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Stammgäste sind ein bisschen überrascht, dass der Abend diesmal nicht mit dem Kuckucks-TV, sondern einem ZDF-Heute „kurznachachta“ beginnt. Aber immer wieder mal was Neues ist bei den Kuckucke ja eigentlich zu erwarten. Nach den neuesten überregionalen und regionalen Nachrichten schalten die Fernsehleute direkt ins Gesellschaftshaus, in dem mit dem Einmarsch der lustigen Vogelschar deren Prunksitzung beginnt. Schnell noch ein paar hochrangige Gäste begrüßt, die närrischen Untertanen eingeschworen und dem närrischen Treiben steht nichts mehr im Weg. „Das Schönste, was der Kuckuck zu bieten hat“, verrät Moderatorin Doris Motschmann und begrüßt die Kuckuckskinder. „Alle selbst gemacht“, betont sie und freut sich, dass es den Kleinen auf Anhieb gelingt, das Publikum ins Meer und auf die Insel zu locken. Kaum glauben mag man, dass der Kuckuck nun schon fast 40 Jahre sein „Unwesen“ treibt. Aber auch schon vor seiner Zeit wurde Fasching gefeiert. Das weiß die 87-jährige Helga ganz genau, hat sie doch vor 60 Jahren als Prinzessin Gisela alle verzaubert. Heute ist sie gerne noch einmal gekommen, diesmal jedoch nicht mit der Kutsche, sondern mit Rollator. Aber in ihrem Alter darf sie das. Viele der Hits, die Dieter Thomas Heck kurz einspielt wie beispielsweise „Das bisschen Haushalt“, „Santa Maria“ oder „Guten Morgen Sonnenschein“ kennt man noch heute und einige stimmen sofort ein oder schunkeln bei Peter Alexanders „Kleiner Kneipe“ mit. Kein Wunder, dass der Schlager boomt.

Die Kleinen der Purzelgarde beweisen, dass sie das Beinchen schwingen schon ganz gut drauf haben. Wie schwer es ist alle Wörter mit „S“ zu beginnen, macht die Sache mit dem heimlichen Geliebten in einem Sketch jedoch noch komplizierter. Die Prinzessinnen-Garde marschiert zackig wie die Soldaten auf die Bühne und überrascht mit immer wieder neuen Schritt-, Tanz und Sprungkombinationen. „Eine Augenweide“, sind viele begeistert. Dass es recht zackig auch im Altersheim zugehen kann, zeigt der nächste Sketch, in dem Oberschwester Andrea das Zepter schwingt und mit der Trillerpfeife für Ordnung sorgt. „Oh Gott, hoffentlich landet man nicht mal dort“, hoffen da viele und freuen sich, dass es dem einen oder anderen Senioren gelingt, die ach so strenge Schwester auszutricksen. Tanzmariechen Pauline springt schon auf dem Tanzboden ins Spagat und nimmt ihre Gäste kurze Zeit später mit ins Moulin Rouge, in dem alle einen wunderbaren Cancan genießen können. „Alles selber ausgedacht und einstudiert“, hebt die Moderatorin Doris hervor, was Pauline noch mehr Sympathie einbringt. Eher etwas langweilig findet indessen nicht nur Doris das Pianisten-Duo. Aber die Herren Künstler können auch Großartiges, lassen die Hosen runter und spielen als Piano Kuckuck viel besser als zuvor.

Nicht neu ist der nächste Programmpunkt – Samba. Doch anders als schon einmal vor einigen Jahren sind die Künstler diesmal keine Kuckucke, sondern Feuervögel wie „passaro de fogo“ heißt. Die Sambagruppe hat vor Corona schon einmal zum Fasching aufgespielt und nahm die Einladung, doch wieder zu kommen, gerne an. „Es passt und es ist so schön hier“, erzählt Alisa. Das finden auch die Gäste, die sich sofort zu den Samba-Rhythmen bewegen müssen. Trotz Zugabe ist für einige der Auftritt der Feuervögel leider viel zu kurz. Aber es stehen ja noch mehr hinter der Bühne, die sich auf diesen Abend vorbereitet haben. Einer von ihnen ist der Opa von Michel, der im Baumarkt leider immer vergeblich nach Mitarbeitern sucht und sich sicher ist, früher viel mehr für sein Geld bekommen zu haben. Jetzt sind die großen Gardemädchen an der Reihe. Viele von ihnen tanzen schon viele Jahre, was deutlich zu sehen ist, denn ihre Choreografie mit vielen Hebefiguren ist einfach nur perfekt. Mit einer musikalischen Geschichte über die menschlichen Winde, die ab und an entgleiten, ist die Zeit bis zur „Musikbox“ schnell überbrückt. Aber noch geht sie nicht. „Ah“, fällt es dem Hausmeister wie Schuppen von den Augen, als der die Kasse entdeckt. Kaum hat es geklimpert, legen die drei Herren los. Leider nicht allzulange, denn dann hat die Platte einen Hänger, wird die Musik immer schneller. Die Sonneberger Cordula Grün freut sich unendlich, alle wieder mal zu sehen, doch bei manch einem wäre die Maske angesichts des finsteren Gesichtsausdrucks auch heute noch wünschenswert. Wenig Verständnis hat sie für die Klimaaktivisten, die statt friday für future lieber Chemie hätten lernen können. „Dann hätten sie gewusst, dass Kleber giftig ist“, ist sie sicher. Überrascht ist sie, dass viele Waren gar nicht wie immer gemeint aus China, sondern aus der Ukraine kommen und deshalb heute nicht lieferbar sind. „Tja, wer hätte gedacht, dass die DDR schon so nachhaltig war“, sinniert sie. „Bananen und Orangen nur zweimal im Jahr und statt Plastebeutel hatten wir immer unser Netz dabei“, weiß sie noch genau und ist stolz ihres noch zu haben.

Trotz zweier Pausen wird das ewige Sitzen ein wenig zu lang. Doch noch müssen alle aushalten, denn auch das Frauen- und das Männerballett wollen noch gesehen sein. Letzteres ist wie immer der krönende Abschluss einer jeden Prunksitzung, auch wenn die knallharten Rocker auf ihren heißen Öfen diesmal nur zum Teil ihre Hüllen fallen lassen. Die „Auszieh-Rufe“ werden gekonnt überhört, aber um eine Zugabe kommen sie nicht herum. Also noch mal drauf auf die knatternden Maschinen und auf nach Sonneberg. Denn nach Hawaii wollen sie auf keinen Fall. „Dort gibts kein Bier“.