Provinzschrei Erinnerungen an einen unterschätzten Autor

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Marco Holland (rechts) las aus Werken von Rudi Berger, begleitet von Mert Sanal, Gitarrenlehrer an der Musikschule in Suhl. Foto: /Karl-Heinz Frank

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Haselgold“ wird am Sonntag in der Suhler Sauer-Villa der Autor Rudi Berger gewürdigt und an einen unbeugsamen Thüringer Schriftsteller erinnert.

 
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Seit über 20 Jahren startet das Kunst- und Literaturfestival „Provinzschrei“ am Antikriegstag in sein Jahresprogramm – so auch am Sonntag. An die 50 Besucher erlebten in der Sauer-Villa in Suhl ein ganz und gar nicht belangloses Programm im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Haselgold“. Das Gegenteil war der Fall: Der in Suhl geborene und heute in Leipzig lebende Marco Holland rezitierte Gedichte und Fragmente des Thüringer Schriftstellers Rudi Berger, der im Januar dieses Jahres 100 Jahre alt geworden wäre.

Ein unterschätzter Autor

Mert Sanal, Gitarrenlehrer an der Städtischen Musikschule Alfred Wagner, begleitete die Texte an der Gitarre. Zu Beginn stellte Michael Gölles, der Vorsitzende des Greizer Kreisverbandes der Freidenker, Rudi Berger in einem kurzen Redebeitrag vor, erläuterte biografische Begebenheiten und porträtierte Berger als einen kritischen Zeitgeist, aufmerksamen Beobachter der Zeit und der Gesellschaft und als einen unterschätzten Autor, der sowohl in der DDR als auch später im geeinten Deutschland aneckte.

So wurde während der musikalischen Lesung der Bogen von Bergers Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg bis hin zu tagesaktuellen politischen Themen gespannt. Besonders in den Gedichtzyklen „Sarajevo“ oder „Reichstag“ wurden Bergers pazifistischen Ansichten deutlich und im Gedicht „Vom heiligen Krieg“ fragte er provokativ: „Meint ihr, der Moslem will den Krieg?“.

Aber auch Texte über die Liebe, die Sehnsucht nach Nähe und Verlangen, nach Zärtlichkeit vor dem Hintergrund gelebten Alltags wurden gelesen, und im aufmerksamen Publikum spürte man die Spannung, welche die Worte, die Marco Holland mit tiefer und emotional getragener Stimme vortrug, erzeugte. Die zu jedem Zeitpunkt und in jedem Augenblick passende Musik, die Mert Sanal gleich einem zauberhaften Klangteppich unter und über die Texte wob, rundete das Programm nahezu vollkommen ab.

Am Ende applaudierten die Besucher minutenlang – Beifall für die Künstler, aber auch für einen Thüringer Schriftsteller, der zu Unrecht in Vergessenheit zu geraten droht.

Die Veranstaltungsreihe „Haselgold“ ist eine Kooperation der Musikschule Alfred Wagner und des Suhler Vereins Provinzkultur.

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