Protest in Sonneberg Demo im Doppelpack

Sorgen um einen Wirtschaftsabsturz und Nöte angesichts des Geldwertverfalls zu äußern, dazu ist nächste Woche doppelt Gelegenheit. Foto:  

Kommunalpolitik und Kreishandwerkerschaft rufen auf am Dienstag ein Zeichen zu setzen für den Erhalt von Arbeit, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Die Montagsdemo-Macher zeigen sich davon unbeeindruckt und mobilisieren ebenfalls.

 
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„Vernünftige Realpolitik jetzt! Arbeit, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland erhalten!“ – über ihren Presseverteiler informierte das Landratsamt am Donnerstag über eine parteiunabhängige Kundgebung unter diesem Motto am Dienstag in der Sonneberger Innenstadt. „Die Kreishandwerkerschaft und die kommunale Familie des Landkreises wollen am 11. Oktober um 19 Uhr vor dem Rathaus der Kreisstadt ein Zeichen setzen zum Erhalt von Arbeit, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit“, heißt es. Dass eine solche Veranstaltung geplant ist, war zuletzt am Freitag vor einer Woche Gegenstand der Berichterstattung. So hatte der Neuhäuser Bürgermeister im Nachgang einer Demo in der Rennsteigstadt und vorab seiner eigenen Teilnahme an einem Montagsspaziergang in Neuhaus verkündet, der amtierende Landrat Jürgen Köpper, Kreishandwerkerschaft und kommunale Familie würden am 11. Oktober als Veranstalter auftreten.

In den Reihen der Organisatoren ergaben sich indes zwischenzeitlich einige Veränderungen: Als Leiter der Ordnungsbehörde bzw. Anmelder hätte Köpper auf beiden Seiten des Tisches gesessen. Aus diesem Rollenkonflikt helfen ihm nunmehr die zwei Sonneberger Handwerker Mario Tomisch und Mario Hähnlein als Anmelder bzw. stellvertretender Anmelder heraus. Nicht mehr offiziell an Bord ist ebenfalls die Mittelstands- und Wirtschaftsunion, eine CDU-nahe Vereinigung von Unternehmern.

„Die blanke Existenzangst“

Im Aufruf für Dienstag heißt es: „Angesichts der hohen Inflation und der sich verschlimmernden Wirtschaftskrise leben wir in besonders schweren Zeiten. Unsere Bevölkerung und die Unternehmen unseres Landkreises stehen aufgrund der explosionsartig gestiegenen Kosten bei der Energie- und Grundversorgung vielfach mit dem Rücken zur Wand. In der Breite nehmen die Ängste und Sorgen, aber auch die Wut, spürbar zu.“

Die Allianz aus Handwerk, Wirtschaft und Kommunalfamilie wolle deshalb ein starkes Zeichen setzen. Hierbei sollen die Sorgen und Nöte der Bevölkerung und Wirtschaft adressiert werden, um die Bundespolitik öffentlichkeitswirksam wachzurütteln.

Da es sich um eine parteiunabhängige Kundgebung handele, wird explizit darauf hingewiesen, dass Parteifahnen und andere Parteisymbole nicht gestattet sind. „Gleiches gilt selbstredend für demokratiefeindliche und gesetzlich verbotene Zeichen.“

Sich einzureihen in Demo und Kundgebung am Dienstag, dazu lud am Freitag Sonnebergs Bürgermeister ein. In einer Mitteilung aus dem Rathaus wird verwiesen auf jene Stadtratssitzung, bei welcher das Gremium sich einstimmig und parteiübergreifend auf eine Resolution geeinigt hat, in welcher Landes- und Bundesregierung aufgefordert werden, alles zu unternehmen, um die Energiepreise für Bürger sowie Unternehmen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Mit einer diesbezüglichen Kontaktaufnahme ist Bürgermeister Heiko Voigt beauftragt. Anfang Oktober sind entsprechende offizielle Briefe an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und an den Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) versandt worden, so das Rathaus. Deren Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Das Rückgrat unseres Wohlstands steht auf dem Spiel. Die Maßnahmen der bisherigen Entlastungspakete wirkten eher wie Strohfeuer.“ Schnelle und unbürokratische Lösungen im Interesse der Menschen und Unternehmen seien gefragt. Der Staat müsse entschlossen, zielgerichtet und besonnen handeln, um der Bevölkerung und den Unternehmern die „blanke Existenzangst“ zu nehmen, so Voigt.

Stadt und Stadträte haben sich im Rahmen ihres Einflussbereiches darauf geeinigt, den Bürgern nicht noch mehr Belastungen n zuzumuten, heißt es. „So wird – so lange es die gesetzlichen Vorgaben zulassen – das Sonnebad mit Sauna trotz des hohen Energieverbrauchs weiterhin geöffnet bleiben gegen einen nur geringen Eintrittsaufpreis. Für Reha-, Schulsport, Babyschwimmen sowie Freizeit- und Vereinssport oder einfach zur Erholung stehen Bad und Saunalandschaft weiter zur Verfügung. Ebenso hat die Eishalle ihren Betrieb aufgenommen und ist für die Besucher wie jedes Jahr bis Ende März für den Kufensport im Vereins- und Freizeitbereich offen.“ Neben den sportlichen Aktivitäten sollen auch kulturelle Möglichkeiten nicht zu kurz kommen. Das Gesellschaftshaus werde wie gewohnt Veranstaltungen bieten – von den Internationalen Jazztagen Anfang November übers Travestie-Festival bis hin zu hochwertigen Musikveranstaltungen wie dem Karat-Auftritt oder den Weihnachtskonzerten im Dezember. Auch die Beleuchtung in der Innenstadt zur Adventszeit kommt. „Damit wollen wir versuchen, den Grundbedürfnissen unserer Bevölkerung Rechnung zu tragen“, so der Bürgermeister.

Der Stadtchef kündigt weitere Schritte an. So sollen den auf Basis von Beschlüssen erfolgten Resolutionen Einladungen nachfolgen an politische Verantwortungsträger in Land und Bund. Diese mögen den Sonnebergern vor Ort konkrete Lösungsvorschläge erläutern.

AfD spricht von „Spalterei“

Welchen Zuspruch der Protest am Dienstagabend bekommt, bleibt abzuwarten. Doch findet der Aufruf große Beachtung und Verbreitung. Allein auf der städtischen Homepage wurde die Ankündigung bis Freitag knapp 8000 Mal angeklickt.

Klar als Gegner eines „Aufrufs staatlicher Stellen und Regierungsparteien zur Dienstagsdemo in Sonneberg“ positionierte sich derweil zu Wochenbeginn Holger Winterstein namens des AfD-Gebietsverbandes Sonneberg. Winterstein, Kreistagsmitglied und Sonneberger Stadtrat, verweist stattdessen auf die so genannten Montagsdemos des Vereins „Sonneberg zeigt Gesicht“ mit jeweils knapp oder über 2000 Teilnehmern bei den vergangenen drei Auflagen. Winterstein meint: „Nun versuchen gerade die, die sich (mit)schuldig gemacht haben und wegen denen der Zusammenhalt in der Gesellschaft bröckelt, eine Gegendemo am Dienstag zu organisieren. Jetzt eine ‚unabhängige und überparteiliche Demonstration’ zu veranstalten, anstatt sich reumütig am Montag einzureihen, ist unglaubwürdig und unehrenhaft. Wir brauchen diese Spalterei nicht.“

Dies war auch Tenor bei der SzG-Versammlung am 3. Oktober. Dabei hatte die Vereinsvorsitzende Anna Bernardy in ihrem Redebeitrag zwar einen gewissen AfD-Drall unter Rednern und Organisatoren bisheriger Kundgebungen eingeräumt, dies aber unter Verweis auf Akteure auch aus anderen Parteien bzw. gesellschaftlichen Gruppen relativiert. „Sonneberg leidet an Distanzeritis“, es werde unterschieden in „gute Demo, böse Demo“, so ihr Eindruck. Bernardy und später Antje Duckwitz behaupteten in ihren Reden verschiedentlich, es gebe eine Traditionslinie zwischen den Protesten im Wendeherbst 1989 und den Montagsdemos dieser Tage. Während die eine ihre Furcht bekundete, es werde eine „Retro-DDR“ etabliert, sprach die andere vom Erbe der Bürgerrechtsbewegung, das es mutmaßlich noch heute zu vollstrecken gelte: „Friede, Freiheit, Selbstbestimmung.“

Im Ergebnis dessen wird auf der eigenen Originalität als Protestmacher beharrt: Für Montag, 10. Oktober, jedenfalls ruft SzG mit dem Vorwort „Wir bleiben dran“ neuerlich zur Teilnahme an einer Demo durch die Bahnhofsstraße nebst Kundgebung am Rathausplatz auf.

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