Pro und Contra Darf die SPD mit der AfD?

Ein Riss durch die SPD? Der Landesvorsitzende Georg Maier (rechts) ist mit dem Abstimmungsverhalten von Ralf Bumann (links) und dessen Sohn nicht einverstanden. Foto: Bastian Frank

Weil in Hildburghausen drei SPD-Stadträte gemeinsam mit der AfD und dem rechtsextremen Bündnis BZH für ein Abwahlverfahren gegen Bürgermeister Tilo Kummer (Die Linke) gestimmt haben, hat die Landespolitik ein Machtwort gesprochen – ohne Erfolg. Ein Pro und Contra.

 
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Drei SPD-Stadträte hatten frei entschieden und für ein Abwahlverfahren gegen Hildburghausens Bürgermeister Tilo Kummer (Die Linke) gestimmt – auch zusammen mit AfD und dem rechtsextremen Bündnis BZH. Die Landes-SPD reagierte entsetzt, vom Landesvorsitzenden Georg Maier folgte eine klare Ansage. Carolin Seifert ist inzwischen aus der SPD ausgetreten, bleibt aber parteiloses Mitglied der Fraktion. Maier hat vorige Woche in Schleusingen persönlich an Ralf Bumann und seinen Sohn Michael appelliert, sich doch gegen eine Abwahl auszusprechen. Die Bumanns bleiben bislang bei ihrer Haltung. Sie sind inzwischen als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Ortsgruppe zurückgetreten und wollen Neuwahlen. Die Bumanns erhalten Zuspruch wie vom Stadtrat und Beigeordneten Burkhard Knittel (Wählergruppe Feuerwehr), ernten aber auch Kritik wie von der SPD-Landtagsabgeordneten Diana Lehmann. Sie hatte zusammen mit Denny Möller ein Parteiordnungsverfahren gegen die Bumanns beantragt. Die Thüringer SPD hatte die Entscheidung darüber vertagt.

PRO Burkhard Knittel, Hildburghausen, Beigeordneter

Als Rentner kann ich es mir leisten, auch noch spät am Abend „in die Röhre zu schauen“, da ich ja am nächsten Tag ausschlafen kann. Daher sah ich mir am Sonntagabend auf 3sat den Historienfilm über Martin Luther an. Im Mittelpunkt des Films steht das Leben des Reformators Martin Luther, der sich gegen den Papst und andere Kirchenfürsten auflehnte, indem er die absolute Machtausübung der Kirche infrage stellte. Damit stellte er auch die individuelle Gewissensfreiheit des Menschen über autoritäre Entscheidungen des Papstes und der Bischöfe, was der Obrigkeit absolut nicht gefiel, denn Luther übte damit auch Kritik an der damals herrschenden Macht- und Legitimationsstruktur des westlichen Europas.

Dies alles geschah vor dem Hintergrund großer Unzufriedenheit eines erheblichen Teils der Bevölkerung und eines Teils der politischen Elite im damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Die Folge seines Handels bekam Luther bald zu spüren – man ließ seine Schriften einsammeln und verbrennen und drohte ihm den Kirchenbann, das heißt die Exkommunizierung, an. Schließlich zitierte man ihn vor den Reichstag, damit er dort vor Kaiser Karl V. seine Äußerungen widerrufen sollte, was Luther aber nicht tat, weil er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Dann verhängte der Kaiser mit dem Wormser Edikt vom 26. Mai 1521 über Martin Luther die Reichsacht.

Während ich den Film anschaute, musste ich zwangsläufig an die Situation denken, in der sich die beiden SPD-Stadträte Ralf und Michael Bumann aus Hildburghausen gegenwärtig befinden. Ich komme nicht umhin, gewisse Parallelen zu der damaligen Situation von Martin Luther zu erkennen. Da haben sich doch zwei Stadträte erlaubt, frei nach ihrem Gewissen zu entscheiden und sich der vorgegebenen „Linie“ des SPD-Papstes in Erfurt zu widersetzen. Die Folge ist nun, dass ihnen die „Exkommunizierung“, sprich Parteiausschluss, von höchster Ebene angedroht wird, falls sie ihre Entscheidung nicht öffentlich widerrufen. Ich dachte immer, dass das Mittelalter und seine Methoden, unbequeme Menschen gefügig zu machen, schon lange hinter uns liegt. Offensichtlich unterliege ich da einem Irrtum. Ich kann Ralf und Michael Bumann nur zurufen, bleibt standhaft und eurem Gewissen treu! Zumindest habt ihr einen Tod auf dem Scheiterhaufen nicht mehr zu befürchten!

Kontra Diana Lehmann, SPD-Landtagsabgeordnete

Als Politikerin werde ich häufiger gefragt, warum ich in die Politik gegangen bin und warum ausgerechnet für die SPD. Die kurze Antwort: Weil ich will, dass alle Menschen als Teil unserer Gesellschaft die gleichen Chancen und Teilhabemöglichkeiten haben. Sie sollen frei von Diskriminierung und Rassismus leben können. Die lange Antwort ist etwas persönlicher. Ich bin in den 1990er Jahren in Lobeda aufgewachsen. Zu meinen Erinnerungen gehört es, wie auf der Straße Hitler-Grüße gezeigt und rechte Parolen gegrölt wurden. Als Jugendliche saß ich mit meiner Familie am Küchentisch und habe mit meiner Verwandtschaft darüber diskutiert, warum der Satz „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ mit der Realität nur wenig zu tun hat.

Für mich ist dieser Teil meines Lebens einer der zentralen Gründe, warum ich überhaupt in eine Partei eingetreten bin und warum ich mich für die SPD entschieden habe. Weil die SPD seit ihrer Gründung für eine klare Abgrenzung zum Rechtsextremismus steht. Wenn wir die aktuelle Entwicklung der politischen und gesellschaftlichen Situation bewerten, lohnt ein Blick auf die Situation in den 1930er Jahren. Im Jahr 1930 wurde in Thüringen die erste Regierung unter Beteiligung der NSDAP gebildet, auch weil viele zu dieser Zeit die NSDAP unterschätzen. Kaum an der Macht, wurden durch die NSDAP-Minister politisch Andersdenkende aus den Verwaltungen und Schulen entfernt und demokratische Institutionen geschleift. Die Hoffnung auf „Entzauberung durch Einbindung“ erfüllte sich nicht. Aus der Landtagswahl 1932 ging die NSDAP als stärkste Kraft hervor und wenig später folgte die Machtübernahme im Reichstag.

Ich habe den Eindruck, dass auch die AfD oft unterschätzt wird. Dabei ist die Verachtung unseres Staates und die Abschaffung der Demokratie ihr offenkundiges Ziel. Deshalb ist für mich die Abgrenzung von der AfD so notwendig und sollte es für alle demokratischen Fraktionen und Abgeordneten sein. Es mag nicht immer leicht sein, genau zu sagen, was eine Zusammenarbeit mit der AfD ist. Die gemeinsame Abwahl eines Bürgermeisters, bei der von Anfang an klar ist, dass man eine Mehrheit nur mit der AfD – und anderen Rechtsextremen – erreichen kann, ist es sehr eindeutig. Aus meiner Sicht verstößt das gegen die Grundwerte der SPD. Wir haben für solche Fälle einen klaren Weg: das Parteiordnungsverfahren. Das ist keine Inquisition und kein Tribunal. Die Betroffenen werden angehört und eine unabhängige Kommission bewertet die Situation. Im Ergebnis haben alle Seiten Klarheit und können ihr Handeln danach ausrichten.

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