Premiere in Meiningen Wie die Trapps das Theater auf Trab halten

So ähnlich wie hier im Englischen Garten sehen die Choreografien auch auf der Meininger Bühne aus – nur mit Kostümen, versteht sich: Marie Ramb (l.) als Friedrich und Melia Mahr als Gretl im Musical „The Sound of Music“. Foto: /ari

Am Freitag, 29. Oktober, kommt mit „The Sound of Music“ ein hierzulande eher selten gespieltes Musical auf die Meininger Bühne. Dabei sind die Songs und die Geschichte absolut mitreißend – finden jedenfalls die jüngsten Darsteller.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Nach der barocken Eröffnungsshow mit der gefeierten Händel-Oper „Amadigi die Gaula“ steigert sich das Meininger Theater ins moderne Musical-Fieber. Das ist wohl nicht übertrieben, denn längst sind die Karten für die ersten Vorstellungen von „The Sound of Music“ so gut wie weg. Und während der große deutsche Künstler Markus Lüpertz in den Werkstätten hinter dem Theater schon das Bühnenbild für den nächsten Opern-Kracher – Puccinis „La Bohème“ – malt, trällern die vor allem jungen Mitglieder der Trapp-Familie vor und im Theater die Ohrwürmer aus dem Amerika der Fünfzigerjahre – dort nämlich komponierte Richard Rodgers die musikalische Familiensage nach den Erinnerungen der Österreicherin Maria Augusta von Trapp.

Nun wäre Meiningen ja nicht Meiningen, würde es aus der Not keine Tugend machen, wie es so schön heißt. Ein jedes Theaters hat bei der Inszenierung des Musicals nämlich seine liebe Not mit dem Personal, das nicht nur singen, tanzen und ein wenig schauspielern können, sondern auch noch ziemlich jung sein muss. So vierte Klasse aufwärts. Die meisten Mitglieder der Trapp-Familie, deren verbriefte musikalische Lebensgeschichte vom Österreich der Dreißigerjahre bis hin ins Amerika der Vierziger und Fünfziger reicht, sind nämlich Kinder: Sieben an der Zahl, um genau zu sein. Und die kann kein Theater mal so einfach aus dem Handgelenk schütteln.

Intendant Jens Neundorff von Enzberg hat vor solchen Herausforderungen natürlich keine Angst. Da ist er erwartungsgemäß ganz cool, probiert es einfach mal mit einem Aufruf zum Casting, und wird mit Bewerbungen geradezu überschüttet. Über 100 Jungen und vor allem Mädchen wollten mit auf der Bühne sein, wenn die Trapp-Familie das Theater auf Trab hält. Da hatte er richtig Glück, der Intendant, dass er seinen Aufruf so mitten im harten Lockdown im April platzierte. Welch tolle Aussicht zum Beispiel für ein zu pandemiebedingten „Hausarrest“ verdammtes, künstlerisch talentiertes Mädchen, dem Corona-Blues zu entkommen!

Marie Ramb aus Henfstädt und Melia Mahr aus Bischofrod sind zwei von insgesamt zwölf Kindern und Jugendlichen, die Harish Shankar – erster Kapellmeister der Meininger Hofkapelle und musikalischer Leiter der Musical-Produktion nach ausführlichem Vorsingen und Vorspielen aus der Bewerberschar pickte. Und beide sind nach mittlerweile mehreren Dutzend anstrengenden Proben noch immer so richtig glücklich darüber: Sowohl Marie, die bereits fünf Jahre lang beim Kinder- und Jugendtheater Tohuwabohu mitmachte, ein Freiwilliges Soziales Jahr am Puppentheater des Meininger Theaters absolvierte und nun die elfte Klasse am Gymnasium absolviert. Als auch Melia, die gerade die vierte Klasse in Hildburghausen besucht, Klavier spielt, Gesangsunterricht nimmt, Gitarre, Geige und Querflöte lernen will und auch schon beim „Kleinen Prinzen“ in der Hildburghäuser Christuskirche mitgespielt hat.

Bei einer professionellen Musical-Produktion für die große Theaterbühne mit dabei zu sein, wenn „richtige“ Sängerinnen und Sänger auf der Bühne stehen und 40 Orchestermusiker im Graben sitzen, ist trotz aller Begeisterung kein Spaziergang. Das haben die beiden mittlerweile gelernt. Die Handlung verstehen, die Lieder singen, die Choreografien einstudieren, das war noch leicht. „Aber es ist schon ganz schön schwer, Gesang und Choreografien zusammen auf der Bühne zu bringen, da bleibt mir manchmal die Luft weg“, gesteht Marie. „Und bei den Proben wird auch noch ganz viel verändert“, erzählt Melia, die es natürlich toll findet, wenn alle Geschwister der Familie in einer Szene auch mal im Pyjama und ohne Socken auf der Bühne stehen dürfen.

Sieben Kinder hat der eigentlich gar nicht so musikbegeisterte U-Boot-Kapitän Georg von Trapp (im Musical gespielt von Michael Jeske) insgesamt. Und natürlich den Hang zum weiblichen Geschlecht. Nach der Flucht der Familie vor den Nationalsozialisten aus Österreich in die Schweiz, und dann weiter über den großen Teich, wird sie in die USA als „Trapp Singers“ populär. Das ist die Geschichte des Stücks. Hindernisse, amouröse Abenteuer, Liebe, Missverständnisse und das drohende politische Unheil natürlich inklusive. Nur das älteste Kind, die Lisl, spielt mit Carmen Kirschner (sie ist neu in Meiningen) ein Ensemblemitglied. Für die anderen sechs Rollen gibt es je zwei Kinder – das ist nötig, weil angesichts vieler geplanter Vorstellungen immer mal einer der jungen Darsteller ausfallen kann. Schon bei den beiden Premieren am Freitag und Sonntag und der dritten Vorstellung am 3. November muss Melia, im Musical die Gretl, „ran“, weil ihre Rollenpartnerin an diesem Wochenende ausfällt. Marie teilt sich ihre Figur, den „Friedrich“ mit Paul Rümann. Das ist am Theater nicht ungewöhnlich, und für Marie auch überhaupt kein Problem. Sie muss für diese „Hosenrolle“ erst am Sonntag antreten.

Mit dem in Malaysia geborenen Dirigenten Harish Shankar hat das Theater wohl einen echten Glücksgriff getan. „Ich bin mit diesem Musical wirklich aufgewachsen und habe dem Film wohl bestimmt einige hundert Mal gesehen“, sagt Shankar. Er hat mit Kindern und Jugendlichen auf der Bühne viel Erfahrung: Schon während seiner Zeit in Lübeck hat er einen Kinderchor geleitet. Wie seine jungen Darsteller auch, hat ihn längst das Meiniger Musical-Fieber gepackt. Und nach all den Proben, die er zuletzt natürlich gemeinsam mit Regisseur Bernd Mottl absolviert hat, ist er ziemlich zufrieden mit dem musikalischen Part: „Das klappt schon!“ Um die Premieren und die ersten Vorstellungen macht sich Harish Shankar daher auch kaum Gedanken. Schwieriger, sagt er, wird es erst, wenn zwischen den Vorstellungen mehrere Wochen liegen. Dann ist es gerade für Laien nicht leicht, einfach auf die Bühne zu gehen und in ihre Rollen zu schlüpfen.

Und wie sehen die beiden Mädchen diese Zeit am Theater? „Ja, es ist stressig, aber ich habe so viel Spaß“, meint Marie. Sie will später einmal Figurentheater, Schauspiel oder Theaterpädagogik studieren. Für Melia sieht es gerade nach Tierärztin aus, gemeinsam mit ihren Freundinnen. Aber eines weiß sie schon sicher: „Das ist ein Erlebnis, das vergesse ich nie.“

Premieren am 29./31. Oktober um 19.30/18 Uhr, weitere Vorstellungen ab 3. November, (Rest-)Karten unter Tel. 03693/451222

Autor

Bilder