Premiere in Meiningen Wenn es auf der Bühne rumpelt

Das flammende Inferno für die Oper „Amadigi die Gaula“ bereitete Marie-Helene Lill in den Meininger Theaterwerkstätten vor. Keine Show mit Pyrotechnik und Laserblitzen, sondern so, wie das im Barockzeitalter eben üblich war: Mit Fantasie. Foto: Michael Reichel

Ein feuerroter Schlund, das Wolkenmeer wie aus Watte gemacht, ein tänzelndes Schiff auf stürmischer See und Flammen, die lodern wie bei einer Feuersbrunst. Vorsicht also bei diesem Theaterbesuch: Die barocken Illusionskünstler ziehen alle Register!

 
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Eine Premiere – und das in vielerlei Hinsicht – geht heute Abend mit „Amadigi di Gaula“ über die Meininger Theaterbühne. Die erste Premiere der Spielzeit, das ist an sich schon etwas Besonderes. Es ist aber auch die erste Premiere für Jens Neundorff von Enzberg, den neuen Intendanten. Und es ist dieses Werk an dieser prominenten Stelle. Mit einer Barockoper hat eine Meininger Spielzeit wohl selten begonnen. Nun also ein echter Händel, nun also die illustre Ritterlegende des Amadis von Gallien, nun also Liebe, Tod und Zauberei – sei auch Corona ein wenig schuld an dieser personell sparsamen Bühnenversion, so trachtet das Theater doch nach maximaler Imagination.

Und weil das eine knifflige Sache ist mit dem Barock und den Meiningern, hat der Intendant dafür Hinrich Horstkotte ans Theater geholt – einen begnadeten Zeichner, einen pfiffigen Kostüm- und Bühnenbildner, und einen gewitzten Regisseur. Denn das Manko der barocken Oper, die meist schläfrig daher kommende Handlung, die sich den Formen der Zeit entsprechend in x-facher Variation wiederholt gesungener Texte vollzieht, peppt Horstkotte mit allen Mitteln der Kunst auf. Da wurde eifrig gepinselt in den Werkstätten und genäht in den Schneiderein, denn das Publikum soll genau das bekommen, was auf dem Programm steht: Barockoper. Und zwar so barock, dass abgesehen vom Licht der Scheinwerfer die Zeit auf und hinter der Bühne stehen geblieben scheint. Na gut, der Blitz fährt noch aus modernen Lampen, sonst rumpelt und rumort es hörbar, wackelt absichtlich das Bühnenbild, werden Wolken herein und wieder hinaus geschoben, fahren ganze Säulenhallen von der Decke herunter und wieder empor, züngeln die Flammen, schlagen die Wellen – tut sich er Schlund auf – alles so wie einst, als sich das Theater die Effekte zurecht basteln musste. „Wie spielen mit den Formen der Barockzeit“, sagt Hinrich Horstkotte. Alles ist handgemacht. „Theater in Reinform“, meint der Regisseur. Und weiß: Der Moment auf die Bühne zu schauen, der ist dem Menschen einfach angeboren. Das ist seine Chance, findet er. Für Verzauberung, für Illusion. Der Regisseur fügt diesem Treiben bewusst seinen eigenen Humor hinzu, vor allem durch die Personenführung seiner Sänger(innen). Alles wirkt ein wenig überdreht. Und Horstkotte hat seinen Spaß daran, das Publikum zu manipulieren.

Eines aber lässt sich schon vor der Premiere sagen: Ein Erlebnis für sich bei diesem Opernabend wird die Musik sein. Nicht nur wegen Händel. Auch, weil es der Italiener Attilio Cremonesi am Pult versteht, die Meininger Hofkapelle zu einem so ausdrucksstarken wie präzisen Klang zu verführen. Der macht Lust auf mehr aus dem barocken Zeitalter. Und über des Ritters illustre Abenteuer auf der Bühne muss nun erst mal das Publikum befinden.

Premiere heute, 17. September, 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: 19./24. September und im Oktober

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