Post für Scholz Brandbriefe aus Südthüringen

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Unter den Dächern Sonnebergs wachsen bei vielen Menschen die Sorgen, wie schlimm es noch kommt mit Inflation und Rezession. Foto: /Steffen Ittig

Landratsamt-Spitze und Kreishandwerkerschaft wenden sich direkt an den Kanzler, auf dass die Bundesregierung das Ihre unternimmt, damit es für Industrie, Handel, Dienstleistung und Handwerk im Kreis Sonneberg nicht gegen die Wand geht.

 
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Rekordpreise für Strom und Gas sowie für Treibstoffe, aber auch für Holz und Baumaterial bringen Industrie, Handel, Gastgewerbe, Dienstleistung und vor allem viele mittelständische Handwerksbetriebe in der Region schon jetzt in finanzielle Schieflage. Dabei ist das Ende der Fahnenstange bezüglich der Preisentwicklungen in den Wintermonaten noch gar nicht absehbar. Mit zwei offenen Briefen an Bundeskanzler Olaf Scholz wollen nun Landkreis und Kreishandwerkerschaft nicht etwa ein symbolisches Zeichen setzen, sondern ganz eindringlich auf hierzulande existenzbedrohende Sorgen und Nöten im politischen Berlin aufmerksam machen.

Der amtierende Landrat Jürgen Köpper (CDU) äußert: „Ich bin wirklich kein Schwarzmaler, aber wir kommen gerade nicht drumherum, der bitteren Realität ins Auge zu sehen. Unsere Betriebe in Handwerk, Industrie, Handel, Gastgewerbe und Dienstleistung sind Leistungsträger unseres gesellschaftlichen Miteinanders und erbringen für unseren Staat ebenfalls ein erhebliches Steueraufkommen. Sie arbeiten zukunftsorientiert und sind vielfach engagierte Förderer des Allgemeinwohls. Doch gerade die Handwerksbetriebe sind es, die unter den höchst prekären wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Zuge der Preissteigerungen am meisten leiden. Es müssen von der Bundespolitik jetzt endlich wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ergriffen werden, denn hier sind Existenzen unseres Mittelstandes akut bedroht.“ Zusammen mit seinem ehrenamtlichen Beigeordneten Christian Tanzmeier hat er daher einen Offenen Brief aufgesetzt.

Köpper selbst lud vor wenigen Tagen Kreishandwerksmeister Mario Hähnlein zusammen mit Sabine Schindhelm, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Sonneberg, ins Landratsamt ein, wobei diese ihm eindringlich die Nöte der lokalen Handwerksbetriebe vor Augen führten. Man laufe aktuell Gefahr, dass die kleinen, mittelständischen Handwerksbetriebe den bevorstehenden Winter finanziell nicht überstehen und im schlimmsten Fall ihre über Jahrzehnte mühselig aufgebaute gewerbliche Existenz aufgeben müssten, hieß es in der Runde. „Die Betriebe und all ihre Beschäftigten sowie deren Familien leben davon, ihre handwerklich geprüften und fachlich anerkannten Leistungen zu bezahlbaren Preisen anbieten zu können. Diese Lebensgrundlage ist zurzeit in allerhöchster Gefahr. Es drohen Insolvenzen in Größenordnung“, heißt es im Offenen Brief der amtierenden Spitze des Landkreises, der am Freitagmittag zusammen mit einem weiteren Offenen Brief der Kreishandwerkerschaft ans Bundeskanzleramt geschickt wurde.

Die beiden Schreiben schlagen inhaltlich in dieselbe Kerbe, fordern beide die Verantwortungsträger in Berlin auf, „umgehend wirkungsvolle Gegenmaßnahmen im Sinne von Handwerk, Industrie, Handel, Gastgewerbe und Dienstleistung zu treffen“. Dahingehend lässt sich in den Zeilen des Landkreises auch ein konkreter Vorschlag finden: Senkung der „explosionsartig gestiegenen“ Energiekosten durch eine Preisdeckelung, da „Großkonzerne und Spekulanten die Preise in die Höhe treiben und mit ihren Rekordgewinnen von der jetzigen Notlage zu Lasten aller anderen profitieren“.

Der Vizelandrat unterstreicht, der Landkreis stehe an der Seite der Kreishandwerkerschaft mit all ihren „gewaltigen gegenwärtigen Problemen“. Der offene Brief endet mit einem Appell, der zugleich Warnung ist: „Stehen Wirtschaft und Handwerk still, steht Deutschland still. Deshalb fordern wir Sie eindringlich auf, sofort mit beherzter Realpolitik die schwerwiegenden Probleme unseres Landes anzugehen.“

„Es braucht ein Gegensteuern“

Die existenzielle Bedrohung des handwerklichen Mittelstandes lasse sich nach Ansicht des Landkreises nur aufhalten, wenn schnellstmöglich gehandelt und zielgerichtet an den richtigen Entlastungs-Stellschrauben gedreht werde.

Dabei spiele auch die regionale Beschaffenheit der Wirtschaftsstruktur eine besondere Rolle: „Bei uns im ländlichen Raum hat das Handwerk noch allerhöchste Bedeutung. In fast allen Lebensbereichen stellt es die Grundversorgung sicher und trägt entscheidend bei, dass man bei uns gut leben kann. Das beginnt bei der Ernährung und der Gastronomie, geht weiter über Bauen und Wohnen und endet bei den körpernahen Dienstleistungen. Auch ist unser Handwerk essenziell für Unternehmen aus anderen Wirtschaftsbereichen, die ohne Zutun unseres Handwerks ebenfalls nicht funktionieren würden“, heißt es von Seiten der Kreis-Spitze. „Wir wollen mit diesem Appell ernst genommen werden und die dringliche Notwendigkeit von schnellen und wirkungsvollen Gegenmaßnahmen unterstreichen. Deshalb endet unser Schreiben auch mit einem Gesprächsangebot an die politischen Verantwortungsträger des Bundes, um anhand von konkreten Beispielen aus unserem Landkreis aufzuzeigen, in welcher Notlage wir uns befinden und wie genau aus unserer Sicht gegengesteuert werden soll“, betont der Beigeordnete Tanzmeier (CDU).

Auch die Obermeister der Kreishandwerkerschaft finden in ihrem Brief klare Worte: „Die Obermeister der Kreishandwerkerschaft sind mit der Politik der Bundesregierung nicht einverstanden. Wir sorgen uns massiv um die Wirtschaft des ganzen Landes (…) Wir Handwerker haben entscheidenden Anteil am Wohlstand dieses Landes und dessen Erwirtschaftung. Doch aktuell wird uns durch die Politik die Grundlage für ein sinnvolles und kontinuierliches Wirtschaften entzogen. Der jetzt entstehende volkswirtschaftliche Schaden ist nicht in ein paar Jahren wieder aufzuholen. Betriebe, die jetzt schließen müssen, werden nicht mehr öffnen“, heißt es in dem dreiseitigen Papier, das von den Obermeistern und dem Kreishandwerksmeister unterzeichnet wurde.

„Wir erwarten, dass auch die Politik Fehler eingesteht und umgehend handelt. Die Zeit läuft. Wir versichern, dass ohne eine Umkehr der bisherigen Politik gravierende materielle Schäden in der Bevölkerung, der Wirtschaft und im Handwerk entstehen. Nehmen Sie unsere Sorgen ernst. Sie vernichten das Lebenswerk von Generationen, die den Wohlstand in Deutschland durch fleißige Arbeit und umsichtiges Handeln erwirtschaftet haben“, so die Vertreter der Kreishandwerkerschaft weiter.

„Das muss man jetzt endlich begreifen“

„Ich bin sehr gespannt, ob wir eine Antwort aus Berlin erhalten – in welcher Form auch immer. An der Basis, beim ‚kleinen Mann‘ entstehen irreparable Schäden zuerst. Das muss die Bundespolitik jetzt endlich mal begreifen. Und das in Kauf zu nehmen, wäre unverantwortlich“, so Köpper.

Dieser hofft, dass beide Schreiben auch an der richtigen Stelle ankommen. „Ich würde mich im Sinne unserer Menschen und Unternehmen sehr freuen, wenn sich auch unser Südthüringer Bundestagsabgeordneter Frank Ullrich unserer Sache annimmt und bei der Bundesregierung entsprechend Druck macht. Auch ihm erläutern wir vor Ort gerne die drastischen Probleme“, merkt Köpper abschließend an.

So könnte Ullrich (SPD) die Botschaft von Kreis und Kreishandwerkerschaft auch direkt in die Bundespolitik tragen und somit sicherstellen, dass die Alarmrufe aus Südthüringen in Berlin Gehör finden.

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