Portal Archion für Familienforscher Sonneberger Kirchenbücher online

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Regale voller Kirchenbücher. Die langjährige Landesbischöfin Ilse Junkermann (rechts) besichtigt mit der Leiterin des Foto: picture alliance / dpa/Martin Schutt

Die evangelische Kirche öffnet ihre Schatztruhe. Kirchenbücher stehen im Portal „Archion“ online, seit vergangenem Jahr auch die aus dem Raum Sonneberg.

 
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Sonneberg - Herbert Mesch aus Suhl machte sich vor Jahren auf den Weg nach Döhlau und Effelder, um etwas über seine frühere Familiengeschichte zu erfahren.

Als Ingrid Schindhelm aus Dresden ihre Vorfahren aus dem Raum Sonneberg erkunden wollte, da musste sie nach Eisenach ins Archiv der evangelischen Kirche Mitteldeutschland fahren und die Eintragungen von Taufen, Konfirmationen, Eheschließungen, Beerdigungen in verfilmten Kirchenbüchern lesen. Drei Tage hat sie im Archiv gearbeitet und bei weitem nicht alle Fragen klären können. „Das ist sehr anstrengend, denn man bucht sich einen Leseplatz und liest Filme. Irgendwann schmerzen die Augen. Dabei sitzt einem die Zeit im Nacken. Ich habe am Schluss nur noch Daten und Namen notiert, weil mir die Zeit davon lief“. Dann entdeckte Ingrid Schindhelm Archion. So konnte sie genauer nachlesen. Seit 2020 stehen im Portal Archion verfilmte Kirchenbücher aus dem Raum Sonneberg online. So konnte die Dresdnerin Lücken der Familienhistorie schließen. 1336 Personen umfasst der Stammbaum von Ingrid Schindhelm an direkten und angeheirateten Verwandten und deren Vorfahren inzwischen, den sie in einem einschlägigen Portal als Webmaster betreibt.

100.000 Kirchenbücher im Netz

Archion will die Suche nach Vorfahren in Originalquellen zeitlich flexibel von zu Hause aus, weltweit ermöglichen. Grundlage sind die Sicherungsverfilmungen der Thüringer Kirchenbücher, welche 1999 begann. Die Masterfilme wurden im Bundessicherungsfonds in Freiburg im Breisgau eingelagert. Kopien befinden sich in den Landeskirchenarchiven. Diese wurden später digitalisiert. Es handelt sich dabei um ein gemeinschaftliches Projekt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Mehrheit der evangelischen Landeskirchen. Die teilnehmenden Archive präsentieren ihre historischen Quellen über ein gemeinsames Portal, nämlich Archion.

100.000 Kirchenbücher sind bereits zu finden und täglich kommen digitalisierte Kirchenbücher aus ganz Deutschland sowie den ehemals deutschen Ostgebieten hinzu.

Schonung für Originale

„Es gehört zu den Pflichten der evangelischen Kirche, Zeugnisse der Vergangenheit zu erhalten und zur Auswertung bereitzustellen“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm bei der Freischaltung des online-Archivs, die schrittweise bereits ab 2015 erfolgte. Den Archivaren bringt die neue Form der Nutzung ebenfalls eine Erleichterung: Für den Erhalt der Kirchenbücher sei eine Digitalisierung förderlich, weil jedes Blättern die Dokumente gefährde, so Bedford-Strohm.

Potsdamer entdeckt Ahnen in Unterlind

Online geblättert hat auch Frank-Eckardt Krauß aus Potsdam in den Kirchenbüchern aus dem Raum Sonneberg. Er ist in Niederbayern aufgewachsen. Seine Mutter stammt aus Oberlind, eine geborene Liebermann. Seinen Vater, einen Münchner, hat sie kennengelernt, weil der im 2. Weltkrieg einen Kameraden in den Fronturlaub nach Oberlind begleitete. Die Familie zog nach dem Krieg dann nach Bayern, wo Krauß zur Welt kam. Die Liebermann-Vorfahren verfolgte er über Archion von Oberlind rückwärts über Unterlind, Mönchsberg bis ins 17. Jahrhundert nach Eichitz, einem kleinen Ortsteil der heutigen Gemeinde Föritztal.

Entfernte Verwandte kennenlernen

Wer viele Personen in die Stammbaumportale eingibt, der gelangt dann über die Such- und Vergleichsfunktionen auch zu anderen Stammbäumen. Meist stellt man fest, dass der gemeinsame Vorfahr sehr weit in der Vergangenheit liegt. Krauß fand so eine entfernte „Cousine“, deren Zweig sich 1807 von dem seinen Ast trennte. Diese war bei Archion über eine Geburtseintragung und das Seelenbuch darauf gestoßen, dass die Liebermanns in Unterlind saßen. Dass sie auch mit den Eichitzer Liebermanns gemeinsame Vorfahren hat, überraschte sie. Die beiden stehen inzwischen im Briefwechsel.

Bachfeld bis Steinheid

Aus dem Raum Sonneberg stehen nun Kirchenbücher im Portal aus : Bachfeld, Effelder, Ernstthal, Eschenthal, Friedrichsthal, Fürth am Berg, Gefell, Haselbach, Heinersdorf, Heubisch, Igelshieb, Judenbach, Köppelsdorf, Lauscha, Lichtenhain, Liebau, Mengersgereuth-Hämmern, Meschenbach, Mogger, Mupperg, Neuhaus am Rennweg, Neuhaus-Schierschnitz, Oberlind, Oerlsdorf, Rauenstein, Schalkau, Sonneberg, Spechtsbrunn, Steinach und Steinheid.

Ende der Veröffentlichung um 1880

Sie beginnen Mitte des 17. Jahrhunderts, wobei in den ersten Kirchenbüchern Taufen, Eheschließungen und Beerdigungen noch beisammen sind. Später werden diese Aufzeichnungen getrennt geführt. Die Aufzeichnungen enden meist um 1880, sehr zur Enttäuschung vieler Nutzer. Wer nämlich keinen Vorfahren gefunden hat, der vorher geboren ist, wird sich schwer tun, die richtigen Familienzweige zu finden. Man hofft hier, dass noch jüngere Aufzeichnungen nachfolgen. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass im Deutschen Reich 1876 die Standesämter mit dem Personenstandswesen betreut wurden. Viele Kirchenbücher wurden dennoch weiter geführt.

Stolperfallen

Schwer tut sich derjenige, der mit den lokalen Gegebenheiten wenig vertraut ist. Dass die Föritztaler Orte Schwärzdorf und Eichitz im Kirchenbuch Neuhaus-Schierschnitz stehen, während das unmittelbar angrenzende Föritz im Oberlinder zu finden ist, muss man als Fremder erst einmal heraus finden.

Als sehr hilfreich, so bestätigen Nutzer wie zum Beispiel die Familie Wöhner aus Buch, sind die Seelenregister, die um 1790 angelegt worden. Hier sind, geordnet nach Häusern oder nach Alphabet, die Mitglieder von Familien oft mit Geburts- Hochzeits- und Sterbedaten versehen. Hilfreich im Neuhaus-Schierschnitzer Kirchenbuch ist, dass gute Seelen Namensverzeichnisse angelegt haben. Dies ist nicht in allen Kirchenbüchern der Fall.

Die alte Schrift

Wer nun zaudert, weil er mit der Kurrent- oder Sütterlinschrift nicht vertraut ist, dem gibt das Archion-Portal die Möglichkeit, über Beispieltexte die Schriften zu erlernen. Bei den Eintragungen im 19. Jahrhundert geht dies nach einigem Üben relativ problemlos. Größere Mühe erfordern die Einträge aus dem 17. Jahrhundert, zumal die Pfarrer damals Papier sparten und eng zusammenschrieben.

Die Kosten

Senza lilleri, non si lallera, sagen die Italiener, ohne Moos nix los, die Deutschen. Kostenlos ist Archion nicht. Die evangelische Kirche sah sich finanziell nicht in der Lage, diese immense Arbeit ohne Gegenleistung zu vollbringen. Im billigsten Tarif kostet ein Monat private Nutzung 19,90 Euro. Viele Nutzer, wie auch Ingrid Schindhelm, sind allerdings später zu einem Jahresabo übergegangen, „weil es so faszinierend ist und man sich die Zeit besser einteilen kann.“ Es kostet den Preis von neun Monaten. Zum Stichwort faszinierend: Gerade die Eintragungen über Beerdigungen tragen manchmal erzählende Züge, denn die Pfarrer fühlten sich gerade im 19. Jahrhundert als Chronisten und schilderten Unfälle und Lebensgeschichten ihrer Schäflein. Auch Auswanderungen, meist nach Amerika, haben die Pfarrer oft in den Kirchenbüchern als Listen oder Randnotizen verzeichnet und mancher Nutzer ist überrascht, dass auch er Auswanderer in seinem Stammbaum hat. Archion, sozusagen das Kirchenbuch für jedermann, entreißt sie dem Vergessen.

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