Platt-Schwatzer Der Kurt Felix aus Oberschönau

Birgitt Schunk
Werner Bauroth und seine Frau Kordula bei Kaffee, Plaudereien in Platt und feinen Plätzchen, die der Senior gebacken hat. Foto: Birgitt Schunk

Werner Bauroth ist mit Platt aufgewachsen. Die Mundart geht ihm flott über die Lippen. Alles andere sei umständlich. „Wenn man die gleichen Sätze in Hochdeutsch spricht, muss man viel mehr Luft holen“, sagt er.

 
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Mit Kordula Bauroths erstem Urlaub war ihr weiterer Lebensweg quasi schon besiegelt. Mit 19 Jahren hatte sie mit ihrer Cousine einen Ferienplatz der Gewerkschaft in Oberschönau ergattert – und machte sich dorthin auf den Weg. Es war Winter, Ski fahren konnte die junge Frau aus dem Flachland jedoch nicht. „Dafür sind wir viel gelaufen“, sagt sie. Im Land der Platt-Schwatzer lernte die junge Frau aus Berlin-Pankow dann bei der Einkehr ihren späteren Mann Werner kennen, der seinerzeit in der HO-Gaststätte kellnerte – es hatte rasch gefunkt. Nach dem Urlaub gingen zunächst viele Briefe hin und her, dann machte das Paar zügig „Nägel mit Köpfen“. 2024 feiern die Bauroths goldene Hochzeit.

Der Umzug von Pankow in die Provinz, wo auch noch so ganz anders geschwatzt wurde, störte die junge Frau wenig. „Ich habe gleich alles verstanden. Ein bisschen hat es mich an die Sprache in der Lübecker Bucht erinnert, wo ich damals Zootechnikerin gelernt habe“, sagt Kordula Bauroth, deren Berliner Akzent auch heute noch zu hören ist. Werner Bauroth hält das mit der Ähnlichkeit zum Norddeutschen nicht für bare Münze. „Doas is doch ganz annerscht“, sagt er – also „Das ist doch ganz anders“. Dennoch verstand sie gleich die Mundart. Kumpels und alle anderen im Dorf hatten nicht gleich geschnallt, dass die Neu-Oberschönauerin alles mitbekam, was so geredet wurde. Ihr konnte man aber nichts vormachen.

Werner Bauroth "Oberschönau"

Werner Bauroth selbst hat die Mundart von kleinauf gelernt. Er ist im Laden, den einst der Urgroßvater gegründet hatte, bei Opa, Oma und Tante aufgewachsen. Hier gab es Lebensmittel und auch Naschereien. Als Junge half er mit, Tüten zu kleben und auch Waren abzuwiegen, denn seinerzeit war man von dieser Verpackungsflut wie heute weit entfernt. Im Geschäft wurde durchweg natürlich nur Platt geredet. „Es gab nur eine Ausnahme: Wenn die Luftschnapper kamen, hat meine Oma Hochdeutsch gesprochen.“ Da hat sich der Enkel insgeheim ein bisschen lustig gemacht, weil die Unterhaltung mit den Urlaubern für die Oma ein einziger Krampf war und es sich komisch anhörte.

In der Schule allerdings war es dann auch für ihn ein Krampf, sich Hochdeutsch auszudrücken, denn das Platt war unerwünscht, erzählt er. In der Pause hielten sich die Mädchen und Jungen nicht daran – und wurden ab und an ermahnt. Früher waren die Kinder viel im Freien unterwegs, auch auf selbst gebauten Schanzen. Als Werner Bauroth einmal nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, verletzte er sich und zog sich einen ordentlichen Bluterguss am Schienbein zu. Mit dem Schlitten wurde er deshalb in die Schule gebracht. Als der Lehrer fragte, was los sei, antwortete er, er sei gegen den „Weichstüützel“ gefahren. Auf Anhieb war ihm nicht das Wort „Wäschepfahl“ in Hochdeutsch eingefallen. „Als ich heim kam, hatten die Eltern das schon erfahren.“

Werner Bauroth mag das Platt, weil das flotter von den Lippen geht. „Wir sprechen Steno, hat unserer Mundartsprecher Horst Jäger früher immer gesagt“, erzählt der Oberschönauer. „Wenn man die gleichen Sätze in Hochdeutsch spricht, muss man viel mehr Luft holen.“ Aber es sei andererseits auch oft schwierig, Begriffe aus dem Platt eins zu eins zu übersetzen. „Das kann man oft nur umschreiben.“ Gerade mit Schimpfwörtern, die man nicht mit einem Wort erklären könne, sei die Mundart gut ausgestattet. „Rubbetöpfe“ sei so ein Begriff für Leute, die was falsch gemacht hätten und es immer wieder falsch machen. „Und da gibt es auch noch den Bööl, der eben auch etwas dämlich ist und etwas nicht richtig gemacht hat“, sagt Bauroth. Das Platt habe sogar noch Steigerungsformen vorgesehen, wenn es noch dümmer und einfältiger kommt. „Zwei Bööls sind sozusagen ein Boijas und zwei Boijas ergeben einen Böbbes.“ Das hört sich fast schon nach einer Formel an. Auch die „Käurumpel“ – eine geschwätzige, etwas unnötige Frau – muss man erklären. Und es gibt Begriffe, die hier das eine und dort das andere bedeuten. „Doas is a Käll dusse bedeutet, das ist eine Kälte draußen. Wird auf der Baustelle aber nach der Käll verlangt, ist die Kelle des Maurers gemeint“, sagt Bauroth, der gelernte Werkzeugmacher, der bis zur Rente in der Metallbranche arbeitete, zwischendurch aber auch im Laden im Hause und als Maler beruflich unterwegs war.

Südthüringer Platt-Schwatzern wird nachgesagt, sich wie Schweizer anzuhören. „Eigentlich klingt unsere Mundart überhaupt nicht so“, sagt Werner Bauroth. Aber auch ihm und seiner Frau ist es im Urlaub in der Berliner Ecke schon so ergangen, dass man den Oberschönauer der Alpenrepublik zuordnete – doch das war noch nicht alles. „Wir redeten dort Platt und der Wirt fragte uns, ob ich Kurt Felix sei.“ Offenbar hatte jemand auch noch eine Ähnlichkeit mit dem Schweizer, der viele Jahre lang „Verstehen Sie Spaß“ moderierte, ausgemacht.

Bauroth benennt auch den Unterschied zwischen „Tolle Houndsbeer“ und „Klebberkern“ – zwischen Toll- und Wildkirschen, den er als Kind noch nicht auf dem Schirm hatte. Da sei der Oma die Muffe gegangen, als er von den Tollkirschen genascht hatte. Danach war er ziemlich „benabelt“ (benebelt). Doch alles ist gut gegangen. Er hat‘s „überlaht“ (überlebt).

 

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