Physik-Nobelpreis für KI-Grundlagenforscher Noble Ehrung für zwei Wegbereiter der KI-Forschung

Markus Brauer

John Hopfield und Geoffrey Hinton bekommen den diesjährigen Nobelpreis in Physik. Sie werden damit für ihre grundlegende Entdeckungen und Erfindungen geehrt, die Maschinelles Lernen mit Künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen. Wir erklären Ihnen, was damit gemeint ist.

 
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John Hopfield (li.) und Geoffrey Hinton haben laut Nobelpreis-Komitee Werkzeuge aus der Physik genutzt, um den Grundstein für das heutige leistungsstarke maschinelle Lernen zu legen. Foto: Niklas Elmehed/Nobel Prize Outreach

Der Physik-Nobelpreis geht in diesem Jahr an John Hopfield aus den USA und den in Großbritannien geborenen Geoffrey Hinton,der im kanadischen Toronto lehrt. Die beiden Forscher werden für „bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen“ im Bereich des maschinellen Lernens geehrt, wie das schwedische Nobelkomitee am Dienstag (8. Oktober) mitgeteilt hat. Die Wissenschaftler gelten als Pioniere bei der Erforschung künstlicher neuronaler Netzwerke.

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Auf der Leinwand während der Pressekonferenz zur Bekanntgabe des Physik-Nobelpreises 2024 werden Bilder des US-Physikers John Hopfield (li.) und des kanadischen Forschers Geoffrey Hinton gezeigt. Foto: dpa/Steffen Trumpf

Hopfield (91) und Hinton (76) hätten Werkzeuge aus der Physik genutzt, um den Grundstein für das heutige leistungsstarke maschinelle Lernen zu legen, heißt es in der Begründung des Komitees. „Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben.“

Wichtige Begriffe zum Physik-Nobelpreis 2024 erklärt

„Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben.“ Foto: Imago/Panthermedia
  • KI:Künstliche Intelligenz – auch artifizielle Intelligenz (AI, englisch: Artificial Intelligence) genannt – ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen befasst. Nach Angaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik existieren Verfahren zur Manipulation von Medieninhalten bereits seit langem. Während die Verfahren etwa zur Bildfälschung noch vor wenigen Jahren sehr aufwendig waren, ist dies heute durch Methoden der KI sehr viel effizienter, einfacher und schneller möglich.
KI ist ein Überbegriff für unterschiedliche Maschinen und Programme, die ähnlich wie Menschen selbstständig lernen, urteilen und Probleme lösen können. Computer lernen, indem sie gewaltige Datenmengen auswerten. Foto: Imago/Vector Fusion Art
  • KI und Lernen: KI ist ein Überbegriff für unterschiedliche Maschinen und Programme, die ähnlich wie Menschen selbstständig lernen, urteilen und Probleme lösen können. Computer lernen, indem sie gewaltige Datenmengen auswerten. Ausgefeilte Algorithmen können in Bildern, Texten oder gesprochener Sprache Muster erkennen, anhand dieser Ereignisse vorhersagen und Entscheidungen treffen. So können sie inzwischen sogar auch Emotionen in menschlichen Gesichtern erkennen, zu eigenen Emotionen, Mitgefühl und echter Kreativität sind sie aber (noch) nicht fähig.
  • Maschinelles Lernen: Machine Learning oder maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Trainieren von Computern, um aus Daten und Erfahrungen zu lernen und sich stets zu verbessern – anstatt explizit dafür programmiert zu werden. Künstliche Intelligenzen in Form großer Sprachmodelle oder Bildgeneratoren lernen dabei, indem sie Wahrscheinlichkeiten von Text- oder Pixelabfolgen in gigantischen Datenmengen innerhalb kürzester Zeit auswerten.
Machine Learning oder maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz. Foto: Imago/Vector Fusion Art
  • KI und maschinelles Lernen: Künstliche Intelligenz gründet in der Idee einer Maschine, die menschliche Intelligenz imitieren kann. Maschinelles Lernen hingegen soll das nicht. Ziel des maschinellen Lernens ist es, einer Maschine beizubringen, eine bestimmte Aufgabe auszuführen und präzise Ergebnisse durch Identifizieren von Mustern zu liefern.
  • Hopfield-Netzwerk: Der Informatiker und Kognitionspsychologe John Hopfield erfand ein nach ihm benanntes Hopfield-Netzwerk (Associative memory), das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet.

Boltzmann-Maschine: Der in Großbritannien geborene Physiker, Molekularbiologe und Neurowissenschaftler Geoffrey Hinton untersucht die Anwendung von künstlichen neuronalen Netzen in den Bereichen Lernen, Gedächtnis, Wahrnehmung und Symbolverarbeitung. Er verwendete das Hopfield-Netzwerk als Grundlage für ein neues Netzwerk, das eine andere Methode verwendet: die Boltzmann-Maschine (Restricted Boltzmann Machine) – benannt nach dem österreichischen Physiker und Philosophen Ludwig Eduard Boltzmann (1844- 1906). Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten zu erkennen.

KNN sind in der Lage, große Mengen an unstrukturierten Daten besonders gut auszuwerten und Muster in ihnen zu finden. Foto: Imago/Panthermedia
  • Künstliche neuronale Netze: Neuronale Netze (KNN, englisch: Artificial neural networks, ANN) sind Teil des überwachten Lernens und das derzeit relevanteste Teilgebiet des maschinellen Lernens. Sie sind in der Lage, große Mengen an unstrukturierten Daten besonders gut auszuwerten und Muster in ihnen zu finden. Zu unstrukturierten Daten gehören Bilder, Videos oder Töne, also all jene Daten, wir in unserem Alltag in großer Menge produzieren.
Netze aus künstlichen Neuronen werden insbesondere von der Neuroinformatik untersucht, einem zentralen Zweig zur Erforschung Künstlicher Intelligenz. Foto: Imago/Panthermedia
  • Künstliche tiefe neuronale Netze: Man spricht in diesem Zusammenhang auch von künstlichen tiefen neuronalen Netzen, umgangssprachlich Deepfakes genannt (ein Kofferwort aus: Deep Learn/Tiefes Lernen und Fake/Fälschung). Dabei werden realistisch wirkende Medieninhalte in Form von Video/ Bild, Audio und Text durch Techniken der künstlichen Intelligenz abgeändert, erzeugt oder verfälscht.
  • Neuronen: Künstliche neuronale Netze haben ihr biologisches Vorbild in den Nervenzellen des Gehirns – den Neuronen oder Nervenzellen. Im menschlichen Gehirn gibt es schätzungsweise 86 Milliarden Neuronen. Ihr Aufgabe ist es, Reize aus der Umwelt oder aus dem Inneren des Körpers an das Gehirn zu melden und von diesem Befehle entgegenzunehmen.
  • Neuroinformatik: Netze aus künstlichen Neuronen werden insbesondere von der Neuroinformatik untersucht, einem zentralen Zweig zur Erforschung Künstlicher Intelligenz. Künstlich neuronale Netze sind in der Lage, große Mengen an sogenannten unstrukturierten Daten auszuwerten und Muster in ihnen zu finden. Zu unstrukturierten Daten gehören Bilder, Videos oder Töne, also alle jene Flut an Daten, die im Alltag in großer Zahl produziert werden.
Künstliche neuronale Netze haben ihr biologisches Vorbild in den Nervenzellen des Gehirns – den Neuronen oder Nervenzellen. Foto: Imago/Vector Fusion Art

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.desinformation-und-demokratie-warum-die-deutschen-fake-news-fuerchten.23be840a-39f7-4de8-9027-658bdbe32dc1.html

"Godfather of AI" ist inzwischen ein Kritiker

Künstliche Intelligenz wird nach Meinung des Physik-Nobelpreisträgers Geoffrey Hinton einen riesigen Einfluss auf die Menschheit haben. „Sie wird mit der Industriellen Revolution vergleichbar sein“, sagte Hinton, als er telefonisch zu der Preisbekanntgabe in der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm zugeschaltet wurde. „Aber anstatt die Menschen an körperlicher Stärke zu übertreffen, wird es die Menschen an intellektuellen Fähigkeiten übertreffen.“

Der "Godfather of AI" - der Urvater der KI - gehört inzwischen allerdings zu ihren größten Kritikern. "Wir haben keine Erfahrung damit, wie es ist, wenn Dinge intelligenter sind als wir", warnt er. In vielerlei Hinsicht werde das wundervoll sein, etwa im Fall eines effizienteren Gesundheitswesens und Verbesserungen der Produktivität. "Wir müssen uns aber auch über eine Reihe möglicher negativer Folgen Sorgen machen, besonders über die Gefahr, dass diese Dinge außer Kontrolle geraten."

Hinton hatte im vergangenen Jahr seinen Job bei Google Brain, dem KI-Forschungsteam des Unternehmens, gekündigt, um frei über die Risiken von KI sprechen zu können. Er veröffentlichte zusammen mit anderen führenden KI-Forschern mehrere Stellungnahmen zu dem Thema. Demnach sehen sie in KI eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und rufen dazu auf, die Risiken ernst zu nehmen.

Komitee würdigt Erforschung neuronaler Netze

„Die Arbeit der Preisträger ist bereits von größtem Nutzen. In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften“, erklärt Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik.

Die bedeutendste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert.

Der deutsche Klimaforscher Klaus Hasselmann zeigt die Medaille des Nobelpreises für Physik 2021, die er soeben aus den Händen des schwedischen Botschafters in Deutschland während der Preisverleihung erhalten hat. Foto: AP/Stefanie Loos/dpa

Seit der ersten Preisvergabe im Jahr 1901 sind bislang 224 unterschiedliche Physik-Nobelpreisträger gekürt worden, darunter nur fünf Frauen. Ein Wissenschaftler, der US-Amerikaner John Bardeen, erhielt ihn zweimal.

2023: Messung ultraschneller Prozesse

Im vergangenen Jahr hatten den Physik-Preis der in Deutschland forschenden Ferenc Krausz, Pierre Agostini in den USA sowie die Französin Anne L’Huillier erhalten. Sie wurden für Experimente ausgezeichnet, die der Menschheit neue Instrumente zur Erforschung von Vorgängen in Atomen und Molekülen gaben.

Die drei Forscher hätten einen Weg aufgezeigt, extrem kurze Lichtpulse zu erzeugen, mit denen sich die schnellen Prozesse messen lassen, in denen sich Elektronen bewegen oder ihre Energie ändern, hieß es.

Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften auf dem Gelände der Universität von Stockholm gibt traditionell die Nobelpreisträger in den Kategorien Physik und Chemie bekannt. Foto: dpa/Steffen Trumpf

Verleihung weitere Nobelpreise

Am Mittwoch (9. Oktober) werden die Träger des Chemie-Nobelpreises verkündet. Am Donnerstag (10. Oktober) und Freitag (11. Oktober) folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedens-Nobelpreis.

Der Reigen endet am kommenden Montag (14. Oktober) mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreises. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (mit dpa/AFP-Agenturmaterial).