Phlegräische Felder Europa sitzt auf einer tickenden Zeitbombe

Markus Brauer

Der größte aktive Supervulkan Europas sorgt für viel Aufsehen und Sorgen. Die Erdkruste über den Phlegräischen Feldern in Südialien wird Forschern zufolge immer instabiler, rissiger und schwächer. Ein Ausbruch hätte verheerende Folgen - für Italien, Europa und die Welt.

 
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Satellitenaufnahme des Golfs von Neapel und Kampaniens: Unter der Oberfläche der Phlegräischen Felder schlummert Europas Supervulkan. Foto: Imago/Zuma Wire

Die Erde in Süditalien kommt nicht zur Ruhe: In der Region rund um die Millionenstadt Neapel brodelt es gefährlich unter der Erdoberfläche. Denn immer wieder kommt es auf den Phlegräischen Feldern zu zahlreichen Erdbeben. Am Samstag (8. Juni) und Sonntag (9. Juni) haben neue Schwarmbeben den Supervulkan in den Phlegräischen Feldern bei Neapel in Italien erschüttert.

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Als Schwarmbeben wird eine Serie von Erdbeben in einem kurzen Zeitraum definiert. Vier der mehr als 100 Erdstöße des Bebens erreichten eine Stärke von mehr als 2,5, was neue Messungen vor Ort nahelegen.Die Campi Flegrei, wie sie auf Italienisch heißen, sind ein Gebiet in der süditalienischen Region Kampanien mit hoher vulkanischer Aktivität.

Das etwa 150 Quadratkilometer große Areal bereitet Forschern schon seit Monaten sehr große Sorgen. Denn die Phlegräischen Felder befinden sich recht nah an ihrem bekannteren Nachbarn – dem Vesuv. Die Felder zeichnen sich durch ein seit über 80 000 Jahren aktives Vulkangebiet mit mehreren vulkanischen Zentren aus.

Aktives Vulkangebiet mit mehreren vulkanischen Zentren

Die Campi Flegrei sind ein Gebiet in der süditalienischen Region Kampanien mit hoher vulkanischer Aktivität. Foto: Imago/Italy Photo Press
In der Stadt Pozzuoli bei Neapel ist der Asphalt infolge der Erdhebungen an vielen Stellen aufgerissen. Foto: Imago/Independent Photo Agency

Auf den ersten Blick unauffällig sind aus der Luft die zahlreichen Explosionskrater zu sehen: Fumarole - also vulkanische Dampfaustrittsstellen - sowie kochend heiße Thermalquellen lassen darauf schließen, dass es unter der Erde heftig rumort.

Schon auf den ersten Blick sind die zahlreichen Explosionskrater zu sehen.  Foto: Imago/Abacca Press

Erdoberfläche zeigt immer mehr Risse

Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund. Foto: Imago/Zuma Press
Schwefelgasse und -ablagerungen auf den Phlegräischen Feldern. Foto: Imago/Panthermedia

Den Ergebnissen der Vulkanologen zufolge wird die Erdoberfläche der Phlegräischen Felder zunehmend schwächer und anfälliger für Risse. Supervulkane wie die Campi Flegrei zeichnen sich durch eine besonders große Magmakammer aus. Anders als normale Vulkane brechen sie nicht nur aus, sondern explodieren regelrecht. Statt eines Vulkankegels, also eines Berges, hinterlassen sie nach einem Ausbruch einen riesigen Krater. Dieser wird als Caldera bezeichnet.

Warum brechen Vulkane aus?

Vulkane, die nach langer Ruhe wieder erwachen, müssen die in den Jahren der Ruhe gewachsene dicke Kruste zunächst aufbrechen, um das Magma ausstoßen zu können. Einem solchen Bruch gehen eben dieses wiederholte Heben und Senken sowie vulkanische Beben voraus.

Genau das passiert den Forschern zufolge momentan unter den Phlegräischen Feldern. Ein Bruch der Erdkruste würde zur Eruption führen.

Werden die Phlegräischen Felder bald kollabieren?

Historische Karte der Region um Neapel von 1776. Foto: Imago/Artokoloro
Schild mit Gefahrenhinweis in der Solfatara bei der süditalienischen Stadt Pozzouli in Kampanien. Foto: Imago/Imagebroker

Das lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. „Der Vulkan ist in einen Zustand vermehrter Aktivität gekommen, und das ist ein Alarmzeichen“, erläutert der Geophysiker Robert Supper von GeoSphere Austria. „Ein Vulkanausbruch ist nicht vorhersagbar. Die Politik braucht zwar ein Maß, um die Gefährlichkeit zu bestimmen, aber es ist enorm schwierig zu sagen, wie sich das weiterentwickelt.“

Die italienische Zivilschutzbehörde erwägt angesichts der steigenden seismischen Aktivitäten in der Region, die Gefahrenstufe von gelb (Ausbruch in einigen Monaten möglich) auf orange (Ausbruch innerhalb von Wochen möglich) zu erhöhen.

Die Situation könne sich weiter verschärfen – mit noch mehr Erdbeben und Hebungen und einer Eruption. Oder die Campi Flegrei könnten sich wieder beruhigen – wie in den vergangenen 500 Jahren, so Geologe Supper.

Die aktivsten Vulkane der Welt

Weltweit gibt es zwischen 1500 bis 1900 aktive Vulkane. Pro Jahr werden etwa 50 tätig. In unserer interaktiven Weltkarte stellen wir die zehn aktivsten Vulkane unseres Planeten vor.

Wie verheerend wäre ein Ausbruch?

Die Sorge vor einem Ausbruch ist deshalb so groß, weil die Auswirkungen verheerend sein könnten – und das nicht nur für die unmittelbare Umgebung. Bei einem Ausbruch vor rund 40.000 Jahren wurde eine enorme Menge an Asche in die Atmosphäre geschleudert, die das Klima nicht nur regional, sondern weltweit massiv beeinflusste. Dasselbe geschah erneut vor circa15 000 Jahren. Der letzte Ausbruch ereignete sich im Jahr1538.

Bei einer Supereruption könnten binnen kürzester Zeit Tausende oder gar Zehntausende Kubikkilometer Lava, Asche und Schwefelgase ausgestoßen werden. Durch die enorme Zerstörungskraft würde nicht nur ein großes Gebiet zerstört, sondern auch das Weltklima massiv beeinflusst.

Vulkanischer Winter

Würde so ein vulkanischer Winter aussehen? Vereiste Landschaft mit vulkanischen schwarzen Bergen bei Vesturland auf Island, Foto: Imago/Imagebroker

Bei einer solchen Megaeruption würden gigantische Mengen an Staub und Gasen in die Atmosphäre katapultiert, so dass es zu einem vulkanischen Winter käme, wie es schon öfters in der Erdgeschichte geschehen ist. Die aus dem Schwefelgasen entstandenen Schwefelsäuretröpfchen sowie der Feinstaub würden einen undurchdringlichen Aerosol-Schleier bilden, der kein Sonnenlicht mehr durchdringen ließe. Die Folge: Die Temperaturen weltweit würden rapide abfallen, so dass Jahre ohne Sommer mit veränderten Wettermustern, Missernten und Hungersnöten drohten.

Info: Supervulkane

Kontinentalplatten
Die Kontinentalplatten bestehen aus der Erdkruste mitsamt Teilen des oberen Erdmantels. Diese feste Gesteinshülle (Geologen nennen sie Lithosphäre) unter Mitteleuropa ist durchschnittlich 100 Kilometer dick und somit im Vergleich zum Gesamtdurchmesser der Erde (12 742 Kilometer) hauchdünn.

Erdmantel
Es gibt sieben großen Kontinentalplatten. Sie können sich auf dem darunterliegenden, plastisch verformbaren Erdmantelbereich verschieben. Erdbeben entstehen an Zonen, wo sie zusammenstoßen und eine Kontinentalplatte unter die andere sinkt, aber auch innerhalb der Platten. Als die Vulkane der Schwäbischen Alb ausbrachen, gab es noch keine Menschen. Die Auswirkung der nur kurz andauernden Maar-Eruptionen beschränkte sich auf ein kleines Gebiet von nur wenigen Kilometern im Umkreis der Vulkane. Die Kraterseen der Maare ermöglichten hingegen viele tausend Jahre lang eine artenreiche Lebewelt in ihrem Umland. So waren die Eruptionen eindeutig mehr ein Gewinn als eine Katastrophe für Fauna und Flora.

Pompeji und der Vesuv
Anders mag das – zumindest aus einer kurzfristigen Perspektive betrachtet – in Bezug auf die Auswirkungen großer Eruptionen aussehen. Der Ausbruch des Vesuv bei Neapel im Jahre 79 n. Chr. ist wohl das bekannteste Beispiel einer solchen plinianischen Eruption. Damals wurden die Städte Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis unter einer bis zu 25 Meter mächtigen Decke aus Asche und Bimsstein verschüttet, Tausende starben.

Plinianische Eruptionen
Dies sind gewaltige explosive Vulkanausbrüche, die mit enormen Aschenfällen verbunden sind. Ihren Namen verdanken sie dem Augenzeugen und Chronisten Plinius dem Jüngeren, der den Ausbruch des Vesuvs und den Untergang Pompejis in zwei Briefen an den römischen Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus beschrieb. Sein Onkel, der Naturforscher Plinius der Ältere, fand bei diesem Ausbruch den Tod.

Eifel
Spielfilme und Dokumentationen über „Die letzten Tagen von Pompeji“ kennt fast jeder. Was dagegen nur wenige wissen: Die Eruption des Laacher-See-Vulkans in der Eifel vor 12 900 Jahren war wesentlich stärker als die des Vesuv 79 n. Chr., die gewaltigste Eruption in ganz Mittel- und Westeuropa seit 200 000 Jahren.