Sonneberg Corona-Krise hat den Kreis fest im Griff

Am Neuhäuser Medinos-Krankenhaus werden aktuell die Kapazitäten ausgeweitet, um bis zu 28 Corona-Betten vorhalten zu können. Foto:  

Der Kreis reißt die 1000er-Schwelle bei der Inzidenz. Täglich werden um die hundert Neuinfektionen gemeldet. Entsprechend angespannt ist die Situation im Krankenhaus. Weitere Intensivbetten stehen nicht mehr zur Verfügung – notfalls wird umverlegt nach Suhl und Coburg.

 
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Sonneberg - Der Landkreis Sonneberg hat am Mittwoch als erste Region Thüringens die Schwelle von 1000 bei der Corona-Inzidenz überschritten. Der Sieben-Tage-Wert lag nach Angaben des RKI bei 1150 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner. Damit rangiert Sonneberg – hinter zwei bayrischen und zwei sächsischen Gebietskörperschaften – bundesweit auf Platz 5 der am stärksten von der Pandemie betroffenen Regionen Deutschlands.

Den bundesweit höchsten Wert hat der Kreis Meißen mit 1305. Hildburghausen nimmt mit einer Inzidenz von 943 Rang 14 ein unter den rund 400 Regionen. Die Nachbarn haben mit 47 Prozent vollständig Geimpften die mit Abstand niedrigste Impfquote Thüringens, auch Sonneberg liegt mit 55 Prozent unterm Thüringer Durchschnitt von 62 Prozent.

Der neuerliche Zahlensprung bei der Sieben-Tage-Inzidenz geht einher mit 132 neu erfassten Ansteckungen zwischen Sonneberg, Rennsteigregion, Schaumberger Land und Unterland binnen 24 Stunden. Die Zahl der Corona-Toten im Kreis stieg um zwei. Unbestätigten Hinweisen zufolge stehen für den 18. November weitere vier Sterbefälle zur Veröffentlichung in der Zählung zu erwarten.

Die Lage in den beiden Kreiskrankenhäusern spitzt sich weiter zu. Auf der Normalstation des Sonneberger Krankenhauses lagen am Mittwoch 36 Corona-Patienten. Zum Vergleich: Dies sind 15 mehr als noch Mitte der ersten Novemberwoche.

In der Neustadter Straße sind zwischenzeitlich die Möglichkeiten zur Aufnahme aufgestockt worden. Eine weitere Station sei teilweise hierfür hergerichtet worden, heißt es.

Wie berichtet, ist auch das Neuhäuser Klinikum längst im Geschirr bei der Betreuung Covid 19-Erkrankter. In der Rennsteigstadt werden Regiomed-Angaben zufolge 19 Männer und Frauen auf der Normalstation versorgt. Dabei wird es nicht bleiben. Die Station N13 in Neuhaus ist Ende vergangener Woche in eine Covid-Station umgewandelt worden und aktuell komplett belegt. Eine Ausweitung auf bis zu 28 Betten ist gerade in Umsetzung, so Regiomed-Sprecherin Birgit Schwabe.

Zuletzt hatte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gewarnt, es könne wegen volllaufender Intensivstationen demnächst nicht mehr für jeden ungeimpften Corona-Patienten eine Garantie für die Behandlung in Thüringen geben. Die Betroffenen würden umsorgt, müssten aber, wenn nicht anders machbar, in andere Bundesländer verlegt werden. Dieses Szenario ist für den Kreis Sonneberg nun spruchreif. Laut Auskunft von Regiomed gibt es derzeit drei Corona-Kranke, die auf der Intensivstation im Medinos-Krankenhaus um ihr Überleben ringen, alle sind an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen bzw. werden künstlich beatmet. „Momentan können keine beatmeten Intensivpatienten mehr aufgenommen werden“, teilt Regiomed mit. Abverlegungen würden daher mit Kliniken in Coburg oder Suhl besprochen.

Die Abläufe im Sonneberger Krankenhaus sind vorrangig auf die Notwendigkeiten bei der Pandemiebewältigung ausgerichtet. Wie Schwabe äußert, hat der Gesundheitskonzern das Aufkommen an planbaren Operationen bzw. Elektiveingriffen „deutlich runtergefahren“. Die Belastungssituation in den Einrichtungen sei unverändert hoch, dies nicht nur wegen der Anflutung mit Corona-Patienten sondern ebenso im Gefolge eines hohen Krankenstandes unter den ausgelaugten Mitarbeitern.

Dass das Sonneberger Rote Kreuz dem Regiomed-Rettungsdienst beispringt, um diesen zu entlasten, teilt Mathias Nüchterlein mit. Die Ehrenamtlichen helfen demnach bei Krankentransporten – etwa von Dialyse-Patienten oder bei der Umverlegung von Patienten – damit die Sanitäter und Ärzte in den Rettungswachen in der Neuhäuser Schönen Aussicht bzw. in der Neustädter Straße in Sonneberg den Rücken frei haben bei der Versorgung von Notfällen. „Dass das geklappt, dafür sind wir ausgesprochen dankbar. Anders ist es auch nicht mehr zu bewältigen“, betont der amtierende Leiter des Gesundheitsamtes.

Im Landratsamt laboriert man derweil an den bekannten Vorerkrankungen. Wenn im Schnitt über Tage und jetzt Wochen hinweg täglich hundert Neuansteckungen bekannt werden, überstrapaziert dies die Möglichkeiten bei der Kontaktnachverfolgung, um Infektionsketten zu unterbrechen.

Zwar hat man erfolgreich einen Antrag gestellt, wonach Angehörige der Bundeswehr Hilfe leisten im Gesundheitsamt, doch läuft dieser am Freitag aus. Wie Nüchterlein äußert, habe man den Antrag am Mittwoch erneuert mit der Bitte ans Verteidigungsministerium, gleich noch ein zweites Team zu entsenden. Wird dem entsprochen, stünden bald acht Uniformierte für die Kontaktnachverfolgung bereit. Eine Zusage hängt allerdings an der Voraussetzung, dass vor Ort nach Kräften erst alle eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Dies meint: Noch mehr Personal als bisher aus anderen Abteilungen an das Gesundheitsamt abzuordnen. „Es ist schon jetzt so, dass wir viel Unterstützung aus anderen Ämtern erhalten.“ Doch laute der Ansatz nunmehr „weite Bereiche im Haus lahmzulegen“, bringt es Krisenstabsleiter Jürgen Köpper auf den Punkt. Das heiße nicht, dass Pflichtaufgaben künftig unerledigt bleiben dürfen. Doch kündigt der Vizelandrat an, gleichauf bei zurückliegenden Krankheitswellen Mitarbeiter aus der Volkshochschule, dem Deutschen Spielzeugmuseum und der Musikschule für Aufgaben bei der Kontaktnachverfolgung einzusetzen.

„Ohne spürbare Auswirkungen auf den Dienstbetrieb wird das nicht bleiben. Die Bevölkerung wird es deutlich merken“, fürchtet Nüchterlein – wenn etwa Mitarbeiter beispielsweise aus dem Abfallamt, der Sozialverwaltung oder der Führerscheinstelle nicht mehr wie gewohnt erreichbar sind für Nachfragen von Bürgern oder zur Erledigung amtlicher Dienstleistungen.

Doch selbst wenn diese Karte gezogen wird? Stünde kein sofortige Besserung bei der Leistungsfähigkeit in Aussicht: Auch derart freigeschlagene Kapazitäten sind nicht ohne Vorlauf nutzbar. „Die Leute müssen erst in ihre Aufgaben eingewiesen und geschult werden“, so Nüchterlein.

Direkt oder indirekt eingebunden in die Erfordernisse der Pandemiebewältigung sind mit Stand Mittwoch 65 Landratsamtsmitarbeiter. Wenn man Hausmeister oder Musikschullehrer außen vor lasse, markiere dies einen sehr hohen Anteil an Bediensteten aus der Kernverwaltung. Da allerdings die Belastung hoch ist und auch samstags und sonntags durchgearbeitet wird, tue es Not weitere Helfer zu rekrutieren.

„Was mich wirklich betroffen macht ist die Situation in den Krankenhäusern und beim Rettungsdienst, da wo Menschen krank sind und wo gestorben wird.“ Immerhin, so der amtierende Leiter des Gesundheitsamtes, sei der Region zum jetzigen Zeitpunkt ein Massenausbruch zum Beispiel in einer Einrichtung der Altenhilfe erspart geblieben.

Vereinzelt gebe es zwar positive PCR-Tests in Gemeinschaftsunterkünften, doch nicht in einer Dimension, die ihn von einem tatsächlichen Ausbruchsgeschehen reden lässt. „Das ist die große Sorge, die mich umtreibt: Dass bei der Vielzahl an Infektionen in der Fläche bei noch so großen Schutz- und Hygienemaßnahmen von Pflegern wieder das Virus in ein Seniorenheim eingetragen wird“, so der Ernstthaler.

Ohne zusätzliches Personal im Gesundheitsamt werde man der Lage jedenfalls nicht mehr Herr. „Bei der Kontaktnachverfolgung sind wir jetzt beim Stand vom 11. November. Das heißt, wir hängen aktuell sechs Tage zurück“, schildert Köpper. Die ärgerlichen Auswirkungen dieses Verzugs sind bekannt, zumal für jene Infizierten, die auf einen Bescheid zur Vorlage beim Arbeitgeber angewiesen sind. „Der wird auch kommen“, sichert Jürgen Köpper zu. „Aber ich kann jeden Arbeitgeber nur um Verständnis bitten dafür, wenn der Quarantänebescheid erst mit sieben bis zehn Tagen Verspätung zugestellt wird.“

Es brauche ganz klar mehr Sensibilität in der Bevölkerung für die besorgniserregende Situation am Krankenhaus, betont Köpper mit Blick auf das grassierende Delta-Virus. „In der Klinik ist die Intensivstation mit Ungeimpften belegt.“ Aber auch wer den Ansteckungsschutz aus der Spritze bereits verabreicht bekommen hat, müsse Vorsicht walten lassen, Maske tragen und Ansammlungen meiden.

Um die Einhaltung der Regeln zum Ansteckungsschutz zum Beispiel in Gaststätten zu überwachen, kündigte Köpper am Mittwoch eine verstärkte Kontrolltätigkeit an. Und ebenso Hilfestellung für jene, die sich einen Impftermin vereinbaren wollen. Hierbei stehen Landratsamtsmitarbeiter ab sofort unter der (03675) 871 500 jedem zur Unterstützung parat – ein Service, der darauf abzielt die Hausärzte und das KVT-Impfzentrum in der gegenwärtigen Krise zu entlasten.

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