Apropos Corona: Das Virus ist es, das die CDU zwingt, als erste Partei überhaupt in Deutschland per Online-Parteitag über den neuen Vorsitzenden zu entscheiden. Das birgt nicht nur technische Risiken. Auch die Kandidaten setzt das unter besonderen Druck. Direkt neben dem wegen der Pandemie aufgebauten Behelfskrankenhaus auf dem Berliner Messegelände liegt im sogenannten «Hub 27» das Studio, von dem aus die CDU-Spitze den Parteitag in Büros und Wohnzimmer der Delegierten bringen muss.
Am Samstag haben die Kandidaten dann je 15 Minuten Zeit, in ihren Vorstellungsreden für sich zu werben. Dazu können sie nur in eine Kamera sprechen - doch ob sie die Herzen der Delegierten treffen, können sie nicht spüren. Kommt ein Gag an, oder wirkt er peinlich? Trifft man den Ton, oder verschreckt man selbst seine Anhänger? Kein Applaus wird zu hören, keine Stimmung zu erfühlen sein. Es gibt kein Echo aus den Tiefen einer Parteitagshalle. Es dürfte still und steril zugehen, wie in einem Fernsehstudio eben.
Selbst für den besten Redner ist es da anspruchsvoll, den Spannungsbogen zu halten. Ziemlich sicher, dass die Kandidaten für die besondere Lage trainieren. Und dann die Delegierten: Sitzt die Familie oder der Nachbar mit auf der Couch, wenn sie in der «digitalen Wahlkabine» über den CDU-Vorsitz abstimmen? Überraschungen sind da nicht ausgeschlossen. Ein bemerkenswertes Experiment für eine ziemlich wichtige Entscheidung - so nennt einer in der CDU-Spitze das Online-Format unter Corona-Bedingungen.
Am Ende geht es um die zentrale Frage: Stellt sich die CDU mit Merz wieder konservativer auf? Oder bleibt sie mit Laschet grundsätzlich auf dem Mitte-Kurs von Merkel? Es hat etwas von einer Richtungsentscheidung, diese Abstimmung. Und immer irgendwie mit von der Partie ist der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Chef liegt beim Thema Kanzlerkandidatur in Umfragen bislang weit vor den drei Kandidaten für den CDU-Chefposten.
Der Parteitag hat aber noch eine andere Bedeutung: Er zieht einen Schlussstrich unter die nicht immer glückliche Amtszeit von Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin geht in ihrer knapp 15-minütigen Rede dann auch sehr persönlich und emotional mit ihrer Entscheidung ins Gericht, den Parteivorsitz nach nur zwei Jahren wieder abzugeben.
«Dieser Schritt war schwer. Aber er war reiflich überlegt und er war richtig», sagt die Verteidigungsministerin, die bei den Danksagungen im Anschluss immer wieder gegen Tränen kämpfen muss. AKK gibt sich auch selbstkritisch: «Euren Erwartungen und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt - auch heute noch», sagt sie zu ihren Unterstützern.
Noch etwas ist an diesem Abend bemerkenswert: Während der aus München zugeschaltete Söder Kramp-Karrenbauer ausdrücklich für ihre Arbeit als Parteichefin dankt, ist von Merkel derartiges nicht zu hören. Sie lobt lieber das gesamte Team, das den Parteitag organisiert hat. Noch gehört zu diesem Team auch die «liebe Annegret».