„Schade, dass das Hotel kein Schwimmbad hat“, finden Renate Vogel und Rosemarie Gabriel. Die erfolgreichen DDR-Schwimmerinnen – beide Mitte 60 – hätten zwischendurch gern mal eine Bahn gezogen. „Ja, das Wasser ist noch immer unser Element. Das Schwimmen hält uns fit“, lacht die in Karl-Marx-Stadt geborene Renate Vogel, die 1972 in München mit der DDR-Staffel über 4 mal 100 Meter Lagen die Silbermedaille holte. Aber sonst sei Oberhof durchaus interessant. „Im Winter sicher noch mehr als jetzt im trüben Herbst.“
Rosemarie Gabriel aus Berlin war zuvor zwar auch noch nicht in Oberhof, kennt aber das benachbarte Oberschönau. „Dort hab’ ich zu DDR-Zeiten in der Ferienwohnung bei Bürgermeister Walter Bickel Urlaub gemacht“, erinnert sie sich. Ausflüge zur Wilhelmsburg in Schmalkalden und zum Grenzmuseum an der einstigen innerdeutschen Grenze hat das aus Wiesbaden angereiste Schwimmerehepaar Folkert und Jutta Meeuw unternommen. Die Eltern des erfolgreichen Schwimmers Helge Meeuw sind das erste Mal in Oberhof. „Bisher kannten wir das nur von den Biathlon-Übertragungen aus dem Fernsehen“, sagen sie. Ja, Oberhof habe einen guten Klang, auch bei ihnen in Hessen. „Hört man den Namen der Stadt, klingelt’s gleich: Ah, Biathlon“, lachen sie.
Während die Schwimmer wie viele andere einstige Leistungssportler ihrem Sport in der Freizeit weiter frönen, findet Ottomar Sachse aus Halle körperlichen Ausglich vornehmlich im Garten. Der frühere Boxer, der in München und Montreal bei Olympischen Spielen am Start war, arbeitet heute als selbstständiger Unternehmer in Halle und engagiert sich ehrenamtlich bei verschiedenen Sportinstitutionen, wie der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Er hat die Zeit in Oberhof genutzt, um sich die Sportanlagen anzusehen. „Ich bin beeindruckt“, sagt er.
Eine besondere Überraschung hat Ortwin Czarnowski nach Oberhof mitgebracht. Der aus Brandenburg stammende und später in den Westen geflüchtete einstige Radrennfahrer, der 1968 in Mexiko am Start war, teilte seine Leidenschaft fürs Radfahren später als Lehrer mit seinen Schülern. Er organisierte unter anderem das „rollende Klassenzimmer“ mit Fahrradfernfahrten von Heilbronn bis nach Berlin und in seinen Geburtsort Tempelberg. Davon berichtete er in der Jahresversammlung. „Es ist wichtig, den jungen Leuten die Freude an Sport und Bewegung weiterzugeben, gerade in der heutigen Zeit“, findet der 81-Jährige, der sich auch noch an seine Teilnahme bei der legendären Friedensfahrt erinnert. „Das war das Größte damals“, blickt er zurück.
Doch es ist nicht nur der Blick zurück, der die Weltklassesportler von einst vereint. Man macht sich auch so seine Gedanken, warum deutsche sportliche Erfolge auf internationaler Bühne rarer werden. „Dabei“, findet Konrad Winkler, „sind die Rahmenbedingungen heute viel besser. Wir mussten damals sehen, wie wir an gute Ausrüstung kamen, uns um vieles selbst kümmern. Heute ist das kein Problem. Der Spitzensport ist viel professioneller geworden“, sagt er. Die Verantwortung liege in der Bildung, sind sich die alten Haudegen einig. „Früher kamen Trainer und Aktive und haben Sportarten an den Schulen vorgestellt und dafür geworben. Das gibt’s heute nicht mehr. So kommen viele Kinder kaum noch mit Sport in Berührung.“ In der Provinz, wo der Sportverein oft die einzige Abwechslung und Freizeitmöglichkeit ist, vielleicht noch eher als in den Städten, wo das Angebot ungleich größer ist. Aber auch Computer und Co. laufen dem Sport bei jungen Leuten zunehmend den Rang ab.
Bevor sich ihre Wege wieder trennten und sie sich in alle Teile Deutschlands verstreuten, verabschieden sich die Helden und Recken von einst mit einem Gruppenfoto – vor dem Hotel aufgenommen im Oberhofer Nebel. Nicht ohne das Versprechen, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein. Vielleicht, meint Karlheinz Smieczek, wäre Thüringen dann wieder ein lohnendes Ziel. „Das liegt schön in der Mitte Deutschlands. Der Weg ist dann nicht so weit.“