Olympia-Treffen in Oberhof Die Recken von einst noch immer am Start

Das Who is Who der deutschen Olympiageschichte gab sich am Wochenende in Oberhof ein Stelldichein. In der Gemeinschaft deutscher Olympiateilnehmer vereinte Sportlerinnen und Sportler trafen sich in der Rennsteigstadt zur Jahresversammlung.

 
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Oberhof - Ein Hauch der großen weiten Welt des Spitzensports und großer Erfolge bei Olympischen Spielen lag am Wochenende in der nebelfeuchten Oberhofer Luft. Wer im und an Wagners Sporthotel genauer hinschaute, entdeckte viele der einstigen Helden, die damals sommers in Mexiko, München und Montreal, oder winters in Grenoble, Sapporo, Innsbruck und Lake Placid für Spannung und Begeisterung vor dem heimischen Fernseher sorgten. Natürlich sind die Recken von einst nicht jünger geworden und nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Doch die meisten haben sich die Freude an Sport und Bewegung bis ins Alter hinein erhalten. Und sie haben ihre Erinnerungen an jene großen Tage auf der Bühne des Weltsports bewahrt, die sie für immer prägten.

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Beim an wechselnden Orten stattfindenden Jahrestreffen der Germans Olympians – der Gemeinschaft deutscher Olympiateilnehmer (GdO) – finden sie sich zusammen, tauschen diese Erinnerungen aus und beleuchten sportpolitische Themen der heutigen Zeit.

In diesem Jahr war erstmals Oberhof Gastgeber des Treffens. „Mal was Neues für viele Sommersportler – und viele Winterathleten frischen Erinnerungen auf“, sagt Karlheinz Smiezek. Der einstige Sportschütze und Olympiasieger mit dem Kleinkalibergewehr 50 Meter liegend 1976 in Montreal ist seit 2018 Präsident. Der Braunschweiger hat mit Vize Konrad Winkler, dem erfolgreichen Nordisch-Kombinierten aus dem Erzgebirge, das Treffen organisiert. „Oberhof als Sportstadt ist ein idealer Gastgeber“, sieht es Winkler, der in Innsbruck und Lake Placid Olympiasieger wurde und auch in der Thüringer Wintersportszene kein Unbekannter ist. Vor allem die Besichtigung der Sportstätten standen hoch im Kurs. Ein offizielles Programm gab es allerdings nicht. Manche Teilnehmer blieben mehrere Tage, andere nur von Freitag bis Samstag. „Jeder stellt sein Programm individuell zusammenstellen“, sagt Winkler.

Bei den Treffen geht es vorwiegend um das Wiedersehen, um Geselligkeit und den Austausch. „Der Sport ist eine besondere Leidenschaft, die uns verbindet. Als Teilnehmer der Olympischen Spiele waren wir die Besten des Sports. Das soll eine Einheit bilden, um diese Gemeinschaft mit dem besonderen Erreichten zusammen zu halten, aber vor allem auch jungen Nachwuchsathleten auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen zu unterstützen – in allen Lebenslagen“, umreißt Winkler das Anliegen.

Viel gibt es zu erzählen wenn man sich wiedertrifft. Oder einem bislang noch nicht persönlich bekannte Olympioniken gegenübersitzt. „Das Jahrestreffen ist immer ein Highlight. Da freut sich jeder drauf. Und es gibt immer viel zu erzählen. Wir haben am Freitag bis nachts um zwei gesessen“, sagt Dietmar Schauerhammer aus Suhl. Für die DDR Bob-Ikone – Olympiasieger 1984 in Sarajevo und 1988 in Calgary – ist das Treffen in diesem Jahr ein Heimspiel. „Ich konnte einige Jahre nicht dabei sein und habe hier wieder so viele Bekannte getroffen – das ist einfach genial. Und dazu hab’ ich noch den kürzesten Anfahrtsweg“, freut sich der „Schauer“.

„Schade, dass das Hotel kein Schwimmbad hat“, finden Renate Vogel und Rosemarie Gabriel. Die erfolgreichen DDR-Schwimmerinnen – beide Mitte 60 – hätten zwischendurch gern mal eine Bahn gezogen. „Ja, das Wasser ist noch immer unser Element. Das Schwimmen hält uns fit“, lacht die in Karl-Marx-Stadt geborene Renate Vogel, die 1972 in München mit der DDR-Staffel über 4 mal 100 Meter Lagen die Silbermedaille holte. Aber sonst sei Oberhof durchaus interessant. „Im Winter sicher noch mehr als jetzt im trüben Herbst.“

Rosemarie Gabriel aus Berlin war zuvor zwar auch noch nicht in Oberhof, kennt aber das benachbarte Oberschönau. „Dort hab’ ich zu DDR-Zeiten in der Ferienwohnung bei Bürgermeister Walter Bickel Urlaub gemacht“, erinnert sie sich. Ausflüge zur Wilhelmsburg in Schmalkalden und zum Grenzmuseum an der einstigen innerdeutschen Grenze hat das aus Wiesbaden angereiste Schwimmerehepaar Folkert und Jutta Meeuw unternommen. Die Eltern des erfolgreichen Schwimmers Helge Meeuw sind das erste Mal in Oberhof. „Bisher kannten wir das nur von den Biathlon-Übertragungen aus dem Fernsehen“, sagen sie. Ja, Oberhof habe einen guten Klang, auch bei ihnen in Hessen. „Hört man den Namen der Stadt, klingelt’s gleich: Ah, Biathlon“, lachen sie.

Während die Schwimmer wie viele andere einstige Leistungssportler ihrem Sport in der Freizeit weiter frönen, findet Ottomar Sachse aus Halle körperlichen Ausglich vornehmlich im Garten. Der frühere Boxer, der in München und Montreal bei Olympischen Spielen am Start war, arbeitet heute als selbstständiger Unternehmer in Halle und engagiert sich ehrenamtlich bei verschiedenen Sportinstitutionen, wie der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Er hat die Zeit in Oberhof genutzt, um sich die Sportanlagen anzusehen. „Ich bin beeindruckt“, sagt er.

Eine besondere Überraschung hat Ortwin Czarnowski nach Oberhof mitgebracht. Der aus Brandenburg stammende und später in den Westen geflüchtete einstige Radrennfahrer, der 1968 in Mexiko am Start war, teilte seine Leidenschaft fürs Radfahren später als Lehrer mit seinen Schülern. Er organisierte unter anderem das „rollende Klassenzimmer“ mit Fahrradfernfahrten von Heilbronn bis nach Berlin und in seinen Geburtsort Tempelberg. Davon berichtete er in der Jahresversammlung. „Es ist wichtig, den jungen Leuten die Freude an Sport und Bewegung weiterzugeben, gerade in der heutigen Zeit“, findet der 81-Jährige, der sich auch noch an seine Teilnahme bei der legendären Friedensfahrt erinnert. „Das war das Größte damals“, blickt er zurück.

Doch es ist nicht nur der Blick zurück, der die Weltklassesportler von einst vereint. Man macht sich auch so seine Gedanken, warum deutsche sportliche Erfolge auf internationaler Bühne rarer werden. „Dabei“, findet Konrad Winkler, „sind die Rahmenbedingungen heute viel besser. Wir mussten damals sehen, wie wir an gute Ausrüstung kamen, uns um vieles selbst kümmern. Heute ist das kein Problem. Der Spitzensport ist viel professioneller geworden“, sagt er. Die Verantwortung liege in der Bildung, sind sich die alten Haudegen einig. „Früher kamen Trainer und Aktive und haben Sportarten an den Schulen vorgestellt und dafür geworben. Das gibt’s heute nicht mehr. So kommen viele Kinder kaum noch mit Sport in Berührung.“ In der Provinz, wo der Sportverein oft die einzige Abwechslung und Freizeitmöglichkeit ist, vielleicht noch eher als in den Städten, wo das Angebot ungleich größer ist. Aber auch Computer und Co. laufen dem Sport bei jungen Leuten zunehmend den Rang ab.

Bevor sich ihre Wege wieder trennten und sie sich in alle Teile Deutschlands verstreuten, verabschieden sich die Helden und Recken von einst mit einem Gruppenfoto – vor dem Hotel aufgenommen im Oberhofer Nebel. Nicht ohne das Versprechen, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein. Vielleicht, meint Karlheinz Smieczek, wäre Thüringen dann wieder ein lohnendes Ziel. „Das liegt schön in der Mitte Deutschlands. Der Weg ist dann nicht so weit.“