Neujahrskonzert Volles Haus und voller Genuss

Werner Kaiser

Der Zuspruch beim Neujahrskonzert in der Dermbacher Schlosshalle übertraf die Erwartungen der Organisatoren, und die Erwartungen des Publikums an die Darbietungen wurden mehr als erfüllt.

 
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Glenn Millers „In The Mood“ ist das Flaggschiff, man hat dieses geballte Saxofon-Volumen geradezu im Ohr, wenn die Rede auf Bigband kommt; das Internet-Lexikon Wikipedia nennt das Stück einen „popular big band-era jazz standard“, bei dem auch Solisten ihre Rechte haben wie Laura Henkel am Altsaxofon, Lukas Jost mit der Tenorausführung und Lauras Bruder Marvin auf der Trompete. Damit leitete die Bigband der Musikschule Wartburgkreis ihr diesjähriges Neujahrskonzert ein. Bandleader Jochen Wölkner aus Tiefenort sorgte für einen schwungvollen Sound und stieg anschließend selbst in die Moderation ein, begrüßte das große Publikum und die Mitwirkenden und verzichtete erfreulicherweise auf einen Exkurs über Corona-Beschränkungen, die man nicht vergessen, aber loslassen soll, denn so war auch die Stimmung im Saal.

Musik vom stillen Beatle

Das Konzert war nicht unbedingt der Ort für die schmeichelnden Töne. Der amerikanische Posaunist und Chef der Hip Bone-Bigband (die es also mit den Hüftknochen hatte) Michael Davis hatte beim 1994 herausgekommenen „Pacific Daylight“ genug Sinn für Dissonanzen, die sich dann mit wohltuender Spannung auflösen lassen, und unter dem Regiment von Jochen Wölkner, der zugleich den Solopart des Sopransaxofons bestritt, zeigte sich die Bigband den Anforderungen vollauf gewachsen. Aus dem Album „Abbey Road“ stammt das kongenial für Bigband arrangierte „Something“ von dem „stillen Beatle“ George Harrison, wo sich Laura Henkel erneut Szenenbeifall holte; es wurde bis in die Feinheit der überraschend in einer Sequenz über das Moll der Grundtonart hinausgehende Detail beherrscht. Ein durchaus ebenbürtiges Frank-Sinatra-Double (laut Bandleader mit Tendenz nach oben) lieferte Rigo Wildförster beim „Cheek To Cheek“ („Heaven“), wo es sich schon mitsummen und mitschnipsen ließ. Im Arrangement von Bob Curnow bot die Pat-Metheney-Komposition „Every Summer Night“ erneut Gelegenheit für virtuose Soli, diesmal für Daniel Schröter (Gitarre) und Stefan Stertzing (Flügelhorn).

Afroamerikanisch und lautmalerisch

Auf Pausen verzichtete die Regie an diesem späten Winternachmittag, dafür lieferte sie das an einen gut eingespielten Rangierbahnhof erinnernde Beispiel eines reibungslosen Wechsels von der Bigband-Bühne zur Freifläche für den Chor „Canticum novum“ unter der Leitung des Dirigenten und Komponisten Hans Aschenbach. Die Sängerinnen und Sänger eröffneten mit einem Hymnus, der wohl in Kürze zur Krönung von King Charles III. wieder in der Westminster Abbey erklingen wird: das große „Jerusalem“ von Hubert Parry und Edward Elgar, das die heilige Stätte und ihren Geist auf die britischen Inseln transponiert und zugleich auf den seit Richard Löwenherz von den englischen Monarchen (und Kollegen anderer Länder) beanspruchten Titel „König von Jerusalem“ anspielt.

Mit „The Lonesome Road“ (auch „Look Down the Lonesome Road“ – „Schau die einsame Straße hinab“) aus dem Jahr 1927 hatte der gemischte Chor ein Stück der afroamerikanischen Musikkultur in seinem Programmteil und füllte seine Dramatik ganz aus. Mehr ins Gefühlvolle, in Satz und Ausdruck ebenso perfekt realisiert ging es anschließend mit dem Seelenhit „My Heart Will Go On“ aus dem Blockbuster „Titanic“. Das pralle Leben mit mehreren lautmalerischen Passagen sprudelte dagegen in dem Schwatz zweier Straßenweiber und löste Heiterkeit aus.

Kleiner Szenenwechsel: Die Damen räumten die Bühne und überließen den Herren als „Collegium vocale“ das Feld, nunmehr mit Hans Aschenbach als primus inter pares (jedenfalls bei der Darbietung). Paul McCartneys „Let It be“ als Schlusspunkt unter die ersten großen Auseinandersetzungen bei den Beatles machte den Anfang. Musikalisch auf der Höhe und frivol bis zum Anschlag wie das Vorbild unterhielt und belustigte man dann beim „Lass mich dein Badewasser schlürfen“ von den Comedian Harmonists die Zuhörer. Mit McCartneys „Yesterday“ fügten die Herren einem der am häufigsten gecoverten Songs der Popgeschichte eine Chorversion hinzu und versahen ihn mit einem aufstrahlenden Ausklang. Mit „Schnuckelschnäuzchen“ wird das die Abteilung Chor beschließende italienische Traditional umschrieben, dessen Fröhlichkeit das Tempo – und umgekehrt – steigerte, was wohl auch die Sprechfertigkeit herausforderte.

Yannik Helm, Musiklehrer am Vachaer Gymnasium, außerdem Komponist, Arrangeur, Musikschul-Klarinettenlehrer und Pianist der Bigband, hat den heißen Beachboys-Titel von 1964 „I Get Around“ erfolgreich für das große Aufgebot gesetzt und Lorena Diel (Alt-) und Lennart Bock (Tenorsaxofon) schöne Soloparts ermöglicht. „Copacabana“ von Barry Manilow ist die eine Liebesgeschichte aus dem gleichnamigen New Yorker Nachtclub – damit holte sich der Komponist 1979 den Grammy Award und Stefan Stertzing auf der Trompete den Szenenapplaus. Die weiche Posaune von Lothar Kind und – mit einer kurzen Einlage – Yannik Helms Piano holten sich mit dem Sting-Hit „Fields Of Gold“ ebenfalls einen Extradank. Zum letzten „offiziellen“ Stück des Programms bat Jochen Wölkner dann noch einmal den Sänger Rigo Wildförster auf die Bühne.

ABBA für die Schlosshalle

Neujahrswünsche, ein Dank an den technischen Support und die Gemeinde Dermbach als Hausherrn sowie viel Lob für die beiden Chöre, ihren Leiter Hans Aschenbach und die gute Zusammenarbeit konnten es nicht gewesen sein – der Beifall reichte allemal für eine zünftige Zugabe und das mit den Sängern und dem ganzen Saal passend zelebrierte „Thank You For The Music“, bei dessen Herstellung die ABBA‘s ganz gut ein Neujahrskonzert in der Schlosshalle vor Augen gehabt haben könnten.

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