Neue Beratungsstelle Anfangen, wo der Optiker aufhört

Annett Recknagel

Schon am ersten Tag der offenen Tür kamen viele Interessierte in die Schmalkalder Fachstelle für Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) am Eichelbach. Ein Highlight: Eine Brille, die vorlesen kann.

 
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Schmalkalden - Klaus Kirschnicks Augenarzt des Vertrauens praktizierte in Bad Liebenstein. Leider hat er kürzlich aufgehört. Und dann war da noch Corona. „Ich habe jetzt endlich einen Termin bei einem anderen Augenarzt bekommen“, berichtet der 78-Jährige aus Breitungen. Seine beiden Augen wurden bereits gelasert. Am gestrigen Dienstag wollte es Klaus Kirschnick genauer wissen und fuhr zum Tag der offenen Tür in der Fachstelle für Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) in Schmalkalden. Carmen Leffler stellte ihm wichtige Sehhilfen vor. Die Lupe interessierte ihn, die beleuchtete aber war viel zu stark für ihn. Zudem testete er eine Brille, die die häufigste Augenkrankheit in der westlichen Welt, AMD, simuliert. Dahinter verbirgt sich eine Altersbedingte Makula-Degeneration, die bei Menschen über 50 Jahren zu schweren Seheinbußen führen kann. Klaus Kirschnik betrifft das glücklicherweise noch nicht. Er schaute durch die Brille und war froh, sie wieder absetzen zu dürfen. Am Ende freute er sich über diese Erkenntnis. „Genau deshalb bin ich heute hier“, sagte er.

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Brille mit Minikamera

Das Ehepaar Funk aus Schmalkalden schaute auch in der Fachstelle vorbei. „Wir informieren uns immer über Neuigkeiten“, erklärte Stefan Funk. Seine Frau Christina sieht sehr schlecht und interessierte sich für die neue „OrCam 2.0“. Das ist die aktuellste Version einer intelligenten Minikamera. Am Brillenbügel kann sie magnetisch befestigt werden und auf Fingerzeig Texte lesen sowie Personen, Produkte, Geldscheine und Farben erkennen. Christina Funk war begeistert. Möglicherweise geht damit das Zeitungslesen wieder besser. Wobei es, wie Sascha Gibson von der BeTa GmbH aus Erfurt sagte, eine große Herausforderung darstellt. Als Alternative schlug er das E-Paper vor, bei dem man die Texte vorgelesen bekommt. Wer gern Zeitungspapier in der Hand halten will, aber schlecht sieht, braucht einen Vertrauten in seiner Umgebung. Christina Funks Mann könnte die Seiten zurecht falten, dann sei es ihr auch möglich, die Zeitung zu lesen.

Den Flyer, den ihr Sascha Gibson in die Hand gedrückt hatte, konnte sie mit der OrCam 2.0 gut lesen – das heißt, das Gerät las ihn vor. „Das ist schon ein Stück mehr Lebensqualität“, freute sich die Schmalkalderin. Zuvor hatte Gibson dem Ehepaar weitere Sehhilfen vorgestellt. Die reichten von elektronischen Lupen in der Größe eines Smartphones bis hin zu recht großen Lesegeräten. Auch einen Rechner, der Texte vorliest hatte Gibson mitgebracht. „Wir fangen dort an, wo der Optiker aufhört“, erklärte er. In den meisten Fällen würden die Krankenkassen die kosten für diese spezielle Hilfsmittel übernehmen. Und: „Es gibt keine Größenordnung, wo man nicht privat investiert“, weiß er aus Erfahrung. Die Funks haben in ihrem Haushalt schon etliche Hilfsgeräte. Stefan Funk berichtete von sprechenden Küchenutensilien. Seine Frau sagt: „Ich lese so gerne – ich habe mit die Brailleschrift selbst beigebracht und lese jetzt mit den Fingern.“ Zudem stehe sie in Verbindung mit der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig, von dort bekommt sie Literatur, aber auch Hörbücher hat sie sehr gern.

Sehen und Hören

Angelika Geißler aus Schmalkalden hat kein Gefühl mehr in den Fingerspitzen. Ihr Augenlicht wurde durch zwei Operationen in Mitleidenschaft gezogen. Einmal in der Woche kommt sie mit ihren Mann in die Fachstelle am Eichelbach, um sich zu informieren. Gefreut aber hat sie sich mit allen Anwesenden über den Scheck, den Ronald Hande an Wolfgang Leffler übergab. Die 400 Euro stammen aus der der Alternative 54. Die Abgeordneten der Partei „Die Linke“ wehren sich jährlich gegen die automatische Erhöhung ihrer Diäten und spenden die jährliche Differenz für den guten Zweck.

Zum Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen pflegen sie seit Jahren ein gutes Miteinander. Das gespendete Geld soll für die Arbeit mit den Mitgliedern des Kreisverbandes genutzt werden, wie Kreisvorsitzender Wolfgang Leffler mitteilte. Zum Tag der offenen Tür stellte er den Anwesenden unter anderem ein Farberkennungsgerät vor.

Fehlt noch der Hörakustiker. Gemeint ist Florian Wurmnest, der in unmittelbarer Nachbarschaft zum EUTB sein Büro hat und den Tag der offenen Tür mit seinem Wissen bereicherte. Denn: „Beide Sinnesorgane sind für die Kommunikation und die Teilnahme wichtig“, sagte er und verwies auf das kleinste Hörgerät, was derzeit zu haben ist. Es sitze tief im Gehörgang und sei äußerlich nicht zu sehen. Man könne es gar über Bluetooth mit dem Handy verbinden. Selbst die Generation 70-plus würde im Umgang mit der entsprechenden App keinerlei Probleme damit haben. Fazit: „Es gibt wirklich sehr viele Hilfen – der Besuch war sehr interessant“, meinte Stefan Funk. Anliegen der beiden Tage der offen Tür war es, möglichst viele Personen für das Thema Augenlicht zu sensibilisieren. Eingebunden war die Aktion in die Woche des Sehens ein. Auch am Mittwoch (13. Oktober) hat die EUTB ihre Türen zwischen 9 Uhr und 14 Uhr für Interessierte noch geöffnet.