Es ist das Grundgerüst des klassischen Gastspielreise-Repertoires, das in jener Phase entsteht. Welche Bezüge lassen sich zwischen der Vorgastspielreise-Ära und der Gastspielreise-Ära herstellen? Was wurde außerhalb des heute gültigen Kanons gespielt? Wie war es um die Rezeption der damals bekannten, heute vergessenen Autoren bestellt?
In ihrem zweiten Teil stellt die Ausstellung die Akteure vor, ohne die es die berühmt gewordenen „Meininger“ nie gegeben hätte: die Schauspieler. Künstler, die später, wenigstens zeitweise, die Führungsriege des Hoftheaters bilden sollten, waren entweder schon am Haus (Carl Grabowsky, der erfahrene Direktor und Regisseur ist da zu nennen) oder werden in den Jahren bis 1869 neu engagiert. Jeder, der sich für die hiesige Theatergeschichte interessiert, kennt die Namen. Friedrich Bodenstedt, der in Intellektuellenkreisen gut vernetzte Dichter und Shakespeare-Übersetzer, soll für Musterinszenierungen des britischen Weltdramatikers sorgen. Der „Theaterherzog“ kannte ihn spätestens seit der Gründung der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft im Jahre 1864. Geadelt und ad hoc mit Intendantenbefugnissen ausgestattet, stellt sich dessen Verpflichtung nach nur zwei Jahren als großes Missverständnis heraus.
Von Ludwig Chronegk war zunächst nicht zu erwarten, dass er mehr sein würde als der agile Charakterkomiker im heiteren Fach. Als Großstadtkind wollte er eigentlich so schnell wie möglich die ihn einengenden kleinbürgerlichen Verhältnisse verlassen. Er erwarb sich jedoch das Vertrauen des Herzogs und stieg in kontinuierlichen Schritten die Karriereleiter empor.
Mit Josef Weilenbeck hatte man einen genialen, feinsinnigen Darsteller verpflichtet, dessen stilbildenden Einfluss auf das Ensemble man nicht unterschätzen darf. Dass er durch seine zunehmende Erblindung zur tragischen Figur im Ensemble wird, gehört auch zu diesen Jahren.
Schließlich Ellen Franz, eine hochgebildete, hochbegabte junge Frau, der weibliche Star der Truppe, die fortan ihren Hauptrollen einen neuen Glanz verleiht. Ihr weiterer Weg als Gattin und kongeniale Partnerin des Herzogs in allen Theaterfragen deutet sich in diesen Jahren bereits an.
Soweit die Etablierten. Aber was ist mit den vielen talentierten Schauspielern, oftmals Anfänger, die in dieser Zeit den Weg nach Meiningen finden, was mit denen, die im technischen Background agierten? Wer kennt den langjährigen Hof- und Theaterfriseur Adolf Kunst, der so gut „Bärte konnte“? Was ist mit Hermann Jaritz, der nur zwei Spielzeiten blieb, später vergeblich ein Reengagement anstrebte, es aber bis zum Intendanten des Stadttheaters Hanau brachte?
Was ist mit den „Fräulein“ Bissinger, Schmidt oder Delia, den Herren Busse, Menzel oder Jantsch? Viele von ihnen haben kaum oder nur geringe Spuren hinterlassen. Und doch wäre ohne sie die Entwicklung des Meininger Theaterstils nicht möglich gewesen. Andere haben eine respektable Karriere gemacht und das in Meiningen Gelernte an den Theatern Deutschlands verbreitet.
Es sind die Jahre, in denen, gespeist aus vielerlei Anregungen und eigenen Neuerungen, eine neue Theaterästhetik erprobt wurde, die nur wenige Jahre später das Publikum der europäischen Metropolen – von London bis Odessa, von Stockholm bis Triest – verzaubert hat.
Kurator Florian Beck erwartet die Besucher am kommenden Sonntag um 11 Uhr zu einer Führung durch die Ausstellung in der oberen Galerie von Schloss Elisabethenburg. Weitere Führungen am 21. November, 12. Dezember, 16. Januar, 20. Februar und 27. März.