Nachruf für Norbert Hertwig Der Uhrmacher kehrt nicht mehr in seine Werkstatt zurück

Norbert Hertwig († 30. 12. 2021) in seiner Werkstatt. Foto: frankphoto.de

Norbert Hertwig ist tot. Am 30. Dezember hat der Uhrmacher und 1. Vorstand der Suhler Stadtmarketinginitiative den Kampf gegen das Corona-Virus verloren.

 
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Suhl - Das vor allem für seine Familie und Freunde Unfassbare ist eingetreten. Norbert Hertwig ist seinen letzten Weg gegangen. Kurz bevor der Silvestertag beginnen konnte, hat er den langen Kampf gegen das Coronavirus verloren. Norbert Hertwig ist 66 Jahre alt geworden. Er hinterlässt seine Frau und drei Kinder. Und sein Geschäft im Suhler Steinweg. „Hier ist der Uhrmacher“ – so hatte er sich gemeldet, wenn ihn Kunden angerufen hatten in seinem Geschäft, über dessen Eingang noch immer der Name Steigleder steht.

Genau hier stellte sich Norbert Hertwig, der aus Wiedersbach stammt, im Jahre 1972 bei Franz Steigleder vor – mit langen Haaren und dem Plan, etwas mit seinen Händen arbeiten zu wollen. Am liebsten etwas Filigranes. Uhrmacher zum Beispiel. Um dessen Eignung für den Beruf des Uhrmachers zu prüfen, ließ ihn Franz Steigleder einen Vierkant feilen. Die Prüfung hatte er bestanden genauso wie später die Gesellen- und auch die Meisterprüfung. Nachdem Franz Steigleder gestorben war, übernahm Norbert Hertwig das Geschäft 1986. Zu dieser Zeit war er schon längst nicht mehr aus dem Suhler Stadtbild – insbesondere nicht aus dem Steinweg – wegzudenken. Oder aus Krügers Bäckerei, in der er mit süßen Teilchen Frühstück machte – als Vorkoster, wie er augenzwinkernd sagte.

„Er war ein Meister über die kleinen und großen Uhren, auch über hoffnungslose Fälle. Er hat eine Uhr erst dann wieder aus der Hand gelegt, wenn alles perfekt war“, sagt Birgit Hertwig, die Frau seines Lebens, mit der er seit 1984 verheiratet war und das Geschäft führte. Sie wird es nun in seinem Sinne weiterbetreiben.

Für seine Kunden hatte er immer einen humorvollen Spruch parat und hat ihnen so etwas von der Schwere des Alltags genommen. Auch wenn Norbert Hertwig Uhrmacher durch und durch war – er hatte auch eine Schmuckwerkstatt eingerichtet. Auch hier hat er seine Leidenschaft für das Arbeiten mit filigranen Teilen meisterhaft ausgelebt. Daneben war er auch auf dem Wurfscheiben-Schießstand auf dem Friedberg zu finden. Oder auf dem Tennisplatz. Hier fand er den Ausgleich zu seinem Beruf.

Norbert Hertwig war vor allem aber eines: ein Familienmensch. Seine Frau und seine Kinder konnten sich immer auf ihn verlassen. Da gab es keine Abstriche. Hier bewies er genauso viel Fingerspitzengefühl wie in seiner Werkstatt. Oder bei seiner ehrenamtlichen Arbeit in der Stadtmarketinginitiative. Die kann nunmehr auf ihr 20-jähriges Bestehen zurückblicken. Auf 20 Jahre, in denen Norbert Hertwig 1. Vorstand war mit all seiner Überlegtheit, mit all seinem Enthusiasmus und seiner Kreativität.

„Wenn er etwas angefangen hat, dann hat er auch dafür gebrannt“, so Norbert Hertwigs Witwe. „Er hat so leidenschaftlich für die Stadt gelebt und gearbeitet. Norbert hat immer gesagt, dass man sich nicht nur beschweren und beklagen könne, wenn in Suhl nichts los sei. Da müsse man eben was machen.“ Egal, ob das die Automeile war, das Kinderfest, die Frühlings- und Herbstfeste, das Halloween-Shopping, die Unterstützung für den Verein Provinzkultur oder für das Straßentheaterfestival – vieles, das die Stadt hat aufleben lassen, hat die Handschrift des Norbert Hertwig getragen.

Zwar hatte er seinen Rentenbescheid kürzlich schon bekommen, aber ans Aufhören dachte er nicht. Das war für ihn keine Option. Die großen Pläne, wie sie andere für das Rentner-Leben schmieden, gab es bei Hertwigs nicht. Sie waren zufrieden mit ihrem Leben. Mit ihrer Familie. Mit ihrem Netzwerk, zu dem viele Freunde gehören. Er wollte Uhrmacher sein, so lange ihm das vergönnt sein sollte. Nun aber wird er nie wieder in seine Werkstatt zurückkehren.

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