Nachruf Ein beliebter Lehrer und leidenschaftlicher Musiker

Ingolf Bräuning starb nach langer Krankheit mit 83 Jahren. Foto:  

Er war ein beliebter Lehrer und als Musiker und Orchesterleiter weithin bekannt in der Region. Ingolf Bräuning aus Metzels ist jetzt im Alter von 83 Jahren gestorben

 
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Ingolf Bräuning stand hoch im Kurs bei seinen Schülern, auch bei denen, die sein Fach Mathematik nicht so mochten. Denn er besaß die große Gabe, Kompliziertes einfach zu erklären. Wieder und wieder. Geduldig stand er an der grünen Tafel in der Walldorfer Schule, ließ die Klasse nach Unbekannten in der Gleichung suchen, Graphen mit x- und y-Achse ins Heft zeichnen und Prozentrechnungen lösen. Wer über eine eigentlich doch schier unlösbare Aufgabe stöhnte, wurde von ihm ermutigt und bestärkt. Mitunter half auch eine Eselsbrücke weiter. Einen Lehrer wie ihn wünscht man sich für seine Kinder. Denn bei ihm machte das Lernen Spaß. Ungemütlich konnte er nur werden, wenn man nicht aufpasste im Unterricht. Das geschah aber eher selten. Dafür hatten die Schüler viel zu viel Respekt vor diesem Lehrer, der auch streng sein konnte.

Seine Kollegen schätzten ihn sehr. Wie Ralf Luther, der damals ebenfalls an der Walldorfer Schule als Lehrer unterrichtete und nach der politischen Wende Landrat wurde. Das gemeinsame Interesse am Sport verband beide besonders. „Ingolf war eine ehrliche Haut. Immer geradeaus. Und oft mit einem Lächeln im Gesicht. Er ist ein guter Freund für mich gewesen“, sagt Luther.

Als Rentner noch gab Ingolf Bräuning Nachhilfe und lotste verzweifelte Schüler durch das Dickicht der Mathematik. Bis dann die schreckliche Diagnose kam: Demenz! Die Krankheit raubte ihm allmählich das Gedächtnis. Die Außenwelt wurde ihm immer fremder. Das große Vergessen ging so weit, dass er irgendwann seine Lieben nicht mehr erkannte. Die letzten Jahre lebte er nicht mehr zu Hause bei seiner Frau Annemie, sondern im Demenzzentrum in Dreißigacker.

Es ist schon mehr als ein Jahrzehnt her, da konnte man ihn als Zuschauer in der Sportstätte der Metzelser Tischtennisspieler treffen, wo er seine Heimmannschaft anfeuerte. Viele Jahre hatte er selbst im Trikot seines Dorfes an der Platte gestanden und dem Hobby mit dem kleinen weißen Zelluloidball gefrönt. Als fairer Sportsmann ist er vielen in Erinnerung, auch dem heutigen Tischtennis-Abteilungsleiter Andreas Bieler. Er hebt Ingolf Bräunings besondere Verdienste für den Sport in seinem Heimatdorf hervor, gehörte er doch zu den Gründungsmitgliedern des Metzelser SV. Auf dem Fußballplatz war der Lehrer ebenso zu erleben wie auf Skiern im Schnee.

Eine noch größere Leidenschaft als der Sport ist die Musik in seinem Leben gewesen. Ingolf Bräuning beherrschte mehrere Blasinstrumente, darunter Posaune und Horn. Er spielte außerdem Gitarre, Schifferklavier und Keyboard. Mit seiner Tanzkapelle tingelte er über die Dörfer, musizierte zu Kirmes, Fasching und anderen Anlässen. Deshalb erhielt der junge Lehrer 1968 den Auftrag, an der Walldorfer Schule ein Pionierblasorchester zu gründen. Die ersten Instrumente kamen aus Klingenthal, die Rechnung über 15 000 Mark existiert noch heute im Orchesterarchiv. Aus musikalischen Anfängern formte der frisch gebackene musikalische Leiter mit der gleichen Geduld, die ihn als Mathelehrer auszeichnete, ein Ensemble, das bald seine ersten Auftritte bestritt. Etwa ein Jahrzehnt nach der Gründung wechselte das Orchester unter das Dach der Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Geübt wurde in der Walldorfer Schule oder bei Ingolf Bräuning zu Hause in der Küche. Die Gemeinschaftsproben fanden in Metzels in einem Betrieb statt, der Karabinerhaken herstellte, weshalb im Proberaum immer ein öliger Geruch in der Luft lag. Scherzbolde behaupteten, dass es deshalb wie geschmiert lief bei den Proben. Was natürlich nicht immer stimmte.

Das Orchester gibt es noch heute: Seit 1993 tritt es unter dem Namen „Metzelser Bergmusikanten“ auf. Ingolf Bräuning, der verdienstvolle Gründer und Leiter, stand bis 2008 an der Spitze. „Ingolf war eine Respektsperson – ob als Lehrer, Musiker oder Sportsmann. Doch er behielt immer einen guten Draht zu den Leuten. Der Spaß kam nie zu kurz bei ihm. Und wohin wir auch kamen: Den Ingolf kannten fast alle“, erinnert sich Volkhard Heusinger, der dem Orchester seit vielen Jahrzehnten angehört, inzwischen in Bräunings Fußstapfen trat und heute musikalischer Leiter der Metzelser Bergmusikanten ist.

Am Freitag wird Ingolf Bräuning in Metzels zu Grabe getragen. Viele werden ihn vermissen. Sie trauern um einen beliebten Lehrer, fairen Sportsmann und Mensch. Und einen leidenschaftlichen Musiker. Sein letztes Lied ist Schweigen.

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