Mundart in Südthüringen Unsere Geheimsprache

Fröhliche Kinder im Thüringer Wald. Vielleicht sind es sogar „Fregger“, wie man in Eisfeld und Sonneberg liebevoll sagen würde (Symbolfoto). Foto: picture alliance/dpa/dpa-tmn/Benjamin Nolte

Die Südthüringer sprechen eine ganz besondere Sprache, die Fremde nur schwer verstehen. Sie verbindet die Menschen mehr als alles andere. Wer sich hier integrieren will, muss die geheimnisvollen Mundarten lernen – dann wird er plötzlich vom Fremden zum Vertrauten. Die Tageszeitungen „Freies Wort“, „Meininger Tageblatt“ und „Südthüringer Zeitung“ erscheinen deshalb am Samstag (2. Juni, Tag der Franken) mehrsprachig.

 
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Nichts verbindet Menschen so stark wie eine gemeinsame Sprache. Und wenn es sich noch um eine Art Geheimsprache handelt, die nur ein überschaubarer Teil der Menschheit begreift, dann ist dieses Band umso stärker. Die Mundarten Südthüringens sind so ein starkes Band: Wer von hier kommt, der ist in der einstigen DDR aufgefallen, galt manchem gar als Ausländer. Kein Wunder: der fränkische Zungenschlag mit seinen Pressungen, weichen Ts und Ps wird ja auch viel öfter im nördlichen Bayern gesprochen.

Die verschiedenen Franken zwischen der böhmischen und schwäbischen Grenze verbindet bis auf die Sprachmelodie und ein bisschen Brauchtum nicht mehr viel. Dennoch schlägt das Herz auch in Thüringens Süden höher, wenn der Bayerische Rundfunk fränkische Schwänke mit Volker Heißmann und Martin Rassau aus dem Nürnberger oder Fürther Theater überträgt, wenn Michl Müller aus der Rhön als Dreggsagg im Karneval vom Leder zieht. Wir müssen schmunzeln, weil sie die Geheimsprache nutzen, die wir schon in Kindertagen mit den Ohren von der Mutter aufgesogen haben. Mit der Muttersprache sind die emotionalsten und am tiefsten verankerten Erfahrungen verbunden – sie sitzt so tief in unserem Unterbewusstsein wie die Lust auf Bratwurst und Rostbrätel.

Vor 500 Jahren ist dieses Franken auch einmal als politisches Irrlicht aufgeflackert. 1522 erschien erstmals der Begriff „Fränkischer Reichskreis“ für eine Verwaltungsregion, die seit 1500 schlicht Reichskreis Nummer eins (von zehn) hieß. Der Reichskreis war ziemlich groß und reichte irgendwann vom Rennsteig fast bis zur Donau. Mit mehr als einem Dutzend konkurrierender Fürsten, Kirchenstiften, Grafen und freien Städten blieb seine Bedeutung überschaubar. Ganz im Norden war sogar Ilmenau ein Teil, auch Schmalkalden gehörte damals dazu. Die Henne im Wappen verweist auf die fränkischen Grafen von Henneberg, die das heutige Südthüringen – den späteren Bezirk Suhl – zu einer Einheit formten, die emotional bis heute hält. Den Meiningern stehen die (nicht-fränkisch redenden) Ilmenauer näher als Würzburger.

Franken ist bis heute ein ziemlich offenes Konstrukt. Auf bayerischer Seite ist man im ständigen Kulturkampf mit den selbstsicheren Oberbayern und fühlt sich von München untergebuttert. In Thüringen pflegt das Südvolk seit den Tagen der „autonomen Gebirgsregpublik Suhl“ ein gesundes Selbstbewusstsein gegenüber den „Erfurter Puffbohnen“ und schaut aus einer der schönsten deutschen Landschaften rechts und links des Rennsteigs auf das Thüringer Becken mit der Landeshauptstadt hinunter. Die Thüringer Franken beherrschen das „Mia san Mia“ (oder eher „so senn mia hald fei“) genauso gut wie die bayrischen Brüder und Schwestern an der Isar.

Wer aus anderen Mundartgegenden zu uns zieht, wird dennoch freundlich aufgenommen. Schon im untergegangenen DDR-Bezirk kam Blutauffrischung aus allen Gegenden zwischen Mecklenburger Seenplatte und Sächsischer Schweiz zu uns – es hat dem Bergvolk mit der rauen Sprache nicht geschadet. Wer sich aber vollends integrieren möchte, der schafft das nur über die Mundart. Ein Beispiel aus Oberbayern macht das auch für Henneberger und Itzgründer deutlich: Taxifahrer Isaak Cissé (68), geboren im Senegal, lebt seit 40 Jahren in München. Seit Jahren kommentiert er beim BR das Sportgeschehen – im allerbreitesten Bairisch. Sobald der Mann zu reden anfängt, sind seine Hautfarbe und seine Herkunft völlig vergessen. Die Mundart macht ihn ganz automatisch zum Vertrauten – alles andere ist zweitrangig. Pflegen wir unsere Mundart!

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