Mobilität und Energie Computer übernehmen das Steuer

Selbstfahrende Autos sind keine Utopie mehr. Durch die neue Technik entstehen auch neue Marktpotenziale.

 
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Die Automatisierung der individuellen Mobilität wird die Automobilindustrie tiefgreifend verändern: Voraussichtlich bereits im Jahr 2035 werden teil- und vollautomatisierte Fahrzeuge zwischen 20 und 30 Prozent der globalen Fahrzeugproduktion ausmachen. Durch die Automatisierung bieten sich neue Chancen für neue Marktteilnehmer. Der Wandel eröffnet nicht nur Unternehmen aus der traditionellen Automobilindustrie, sondern auch neuen Spielern Chancen. Vor allem die IT-Branche kann sich neu positionieren. Wettbewerbsentscheidend wird für alle Marktteilnehmer - Hersteller, Zulieferer, IT-Unternehmen, Infrastruktur-Anbieter, Versicherer und Werbedienstleister - sein, die spezifischen Wertepools, das heißt die Marktpotenziale, die sich aus dem autonomen Fahren ergeben, zu identifizieren und zu besetzen. "Für Automobilhersteller kommt es jetzt darauf an, die neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten durch strategische Partnerschaften abzudecken, während Zulieferer sich darauf konzentrieren sollten, modernste Technologie zu wettbewerbsfähigen Preisen bereitzustellen", sagt Juergen Reiner, Automobil-Experte und Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman, "Die erfolgreichsten Spieler werden die Anforderungen der Fahrzeugnutzer, die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen und der Versicherungsbestimmungen antizipieren und maßgeschneiderte Lösungen anbieten." Eine aktuelle Analyse von Oliver Wyman zeigt die wichtigsten Wertepools auf:

Mehr Sicherheit: Die Bereitschaft der Autokäufer, in Innovationen für mehr Sicherheit zu investieren, birgt erhebliches Umsatzpotenzial für Hersteller und Zulieferer. Zugleich wird sich die Verantwortung, ein Fahrzeug zu versichern, voraussichtlich vom Autokäufer auf das Fahrzeug selbst sowie den Hersteller verlagern. Die daraus entstehenden Potenziale für neue Versicherungsmodelle werden den Versicherungsmarkt verändern.

Neue Mobilitätsservices: Autonomes Fahren wird neue Nutzerkreise mobil machen. Beim Passagier des selbstfahrenden Autos entsteht ein Zeitfenster, in dem er seine Aufmerksamkeit anderen Aktivitäten, wie dem Surfen im Internet oder neuen Angeboten von Seiten der Unternehmen, zuwenden kann.

Datennutzung: Autonome Fahrzeuge nutzen und generieren große Mengen an Daten, in deren weiterer Verwendung hohes wirtschaftliches Potenzial steckt.

Neue Logistikkonzepte: Selbstfahrende Autos und Lkw eignen sich beispielsweise ideal dazu, die Effizienz innerstädtischer Zustelldienste zu steigern. Das gilt insbesondere in Verbindung mit elektrischem Antrieb. Neuartige Carsharing-Angebote lassen den Nutzungsgrad der Fahrzeuge ansteigen, wodurch insgesamt weniger Fahrzeuge benötigt werden.

Städtische Infrastruktur: Die Automatisierung des Fahrens wird zu weniger Staus, weniger Verkehr - verursacht durch die Parkplatzsuche - und einem geringeren Bedarf an raumgreifenden Parkhäusern führen. Das kann sich positiv auf die Gestaltung urbaner Räume auswirken.

In einem aktuellen Marktmodell zeigt Oliver Wyman auf, dass allein diese fünf Wertepools ein kombiniertes globales Marktpotenzial von rund 200 Milliarden US-Dollar übersteigen werden.

Vollautomatisierte Fahrzeuge werden die Straßen laut Oliver Wyman nicht auf einen Schlag erobern. Die Umstellung erfolge vielmehr evolutionär, in vielen kleinen teilautomatisierten Schritten. Beispiele für die zahlreichen Stadien zwischen manuellem und vollautomatischem Fahren sind Fahrassistenzfunktionen wie beispielsweise Abstandsregeltempomat (ACC), Spurhalteassistent, Rangier- und Baustellenassistent sowie das selbsttätige Einparken in enge Parklücken oder Garagen.

Die Entwicklung zunehmend automatisierter Funktionen hat bereits vor Jahren eingesetzt. Hersteller aus Europa und USA setzen dabei allerdings unterschiedliche Schwerpunkte: Während in Europa der größte Teil der Entwicklungsanstrengungen auf die Stärkung der traditionellen Fahrzeugtechnik und die weitere Verbesserung der Sicherheitsmerkmale verwendet wird, spielen in den USA zunehmend Ideen und Unternehmen aus der digitalen Wirtschaft eine Rolle. Diese drängen teilweise mit disruptiven Ansätzen auf den Markt.

"Innovationstreiber sind ganz klar ehemals industriefremde Firmen mit unkonventionellen Ansätzen wie Google, Apple, Tesla und Uber", sagt Joern Buss, Automobil-Experte und Partner bei Oliver Wyman.

Mit fortschreitender Entwicklung zeige sich immer mehr, dass die technischen Hürden bald genommen sein werden. Vielmehr stünden der Einführung des teil- oder vollautomatisierten Fahrbetriebs noch regulatorische Hemmnisse sowie - vor allem in Deutschland - eine niedrige Akzeptanz der Fahrzeugnutzer entgegen.

Weitere Hindernisse werden auch zunehmend im Bereich ethischer Themen sichtbar: So ist weiterhin die Frage offen, wie eine durch Algorithmen gesteuerte Entscheidungsfindung im Falle eines Crash ethische Abwägungen treffen kann. Das gilt etwa, wenn sich einem autonomen Fahrzeug bei einem als unabwendbar erkannten Zusammenstoß die Alternative stellt, ob zur Abwendung eigener schwerer Schäden notfalls Schäden Unbeteiligter in Kauf genommen werden dürfen.

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