Mit dem Neun-Euro-Ticket unterwegs Bus am Wochenende? Fehlanzeige!

Berit Richter
Der Bustreff am Erfurter Kreuz hat die Fahrzeiten in die Kreisstadt deutlich verlängert Foto: Berit Richter

Das Auto stehenlassen und mit dem Neun-Euro-Ticket und dem Bus zu Presseterminen fahren. Berit Richter, freie Mitarbeiterin der Ilmenauer Lokalredaktion, hat es ausprobiert.

 
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Eine Woche lang mit dem Neun-Euro-Ticket meine Termine in Arnstadt wahrnehmen. Ich habe es ausprobiert. Eigentlich ist mein Wohnort Ichtershausen noch ganz gut an unsere Kreisstadt angebunden, zumindest wenn man ihn mit anderen Orten im ländlichen Raum vergleicht. Die Linie 350, die von Erfurt ins Industriegebiet Erfurter Kreuz führt und von dort weiter als Stadtlinie 2 in die Arnstädter Innenstadt, gilt seit Jahren als die bestgenutzte im Ilm-Kreis. Trotzdem habe ich früher gerade an Wochenenden oft allein im Bus gesessen.

Das ändert sich an diesem Samstag. Ziemlich viele junge Leute befinden sich im Bus, scheinen das günstige Ticket für einen Ausflug nutzen zu wollen. Die meisten steigen am Arnstädter Hauptbahnhof aus und eilen Richtung Bahnsteig. Denn das ist das erste Minus der hiesigen Busverbindung: Die Umsteigezeiten zu den Zügen, egal in welche Richtung, sind ziemlich knapp bemessen.

Auch ich muss eilen, als ich ein paar Minuten später am Bustreff aussteige. Das wird sich die ganze Woche über nicht ändern. Denn die Busse kommen dort erst kurz vor der vollen oder halben Stunde an, also genau dann, wenn Veranstaltungen üblicherweise beginnen. Da heißt es flitzen, um rechtzeitig im Theater oder dem Landratsamt zu sein. Die Ankunfts- und Abfahrtszeiten zur vollen und halben Stunde dürften auch schwierig für andere Menschen, die mit dem Bus zur Arbeit fahren, sein, denke ich mir. Es sei denn, sie haben gleitende Arbeitszeiten.

Etwas chaotisch wird es am Samstagnachmittag bei der Heimfahrt. Der reguläre Linienbus fährt vom selben Haltepunkt ab wie der Schienenersatzverkehr Richtung Erfurt. Das irritiert doch etliche Fahrgäste. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele ÖPNV-Neulinge sind. Dann hätte ja diesbezüglich das Neun-Euro-Ticket seinen Zweck erfüllt. Hoffentlich, so denke ich mir, schreckt der wenig einladende Anblick des Arnstädter Bahnhofes samt vorgelagertem Busbereich nicht gleich wieder ab. Es wird wahrlich Zeit, dass Land und Deutsche Bahn ihre Versprechen gegenüber der Stadt einlösen und mit der Sanierung des Bahnhofsvorplatzes beginnen.

Großes Problem

Samstagabend habe ich dann ein großes Problem. Zwar komme ich noch ganz bequem mit dem Bus zum Konzert in die Bachkirche und anschließend zum Jazz-Weekend. Doch für den Heimweg gibt es keine Fahrt mehr. Tatsächlich fährt der letzte Bus in mein Dorf schon um 19.30 Uhr. Viel zu früh. Da beneide ich dann die Ilmenauer. Die kommen mit dem Zug immerhin noch spät in der Nacht von Arnstadt nach Hause. Aus dem nur fünf Kilometer entfernten Ichtershausen am Arnstäder Kulturleben teilzunehmen, funktioniert mit dem ÖPNV am Wochenende hingegen nicht.

Einfacher ist es unter der Woche. Da fahren tagsüber Busse im Halbstundentakt. Frequentiert sind die recht unterschiedlich, aber definitiv voller als vor dem Neun-Euro-Ticket. Wenn gerade bei CATL Schichtwechsel ist und die chinesischen Arbeiter gen Werktor oder Quartier streben, bleibt auch mal nur ein Stehplatz. In den Abendstunden fährt der Bus nur noch stündlich. Da schleiche ich mich dann doch vorfristig aus der einen oder anderen Veranstaltung, die kurz vor dem Ende steht, um nicht fast eine Stunde auf den nächsten Bus warten zu müssen.

Noch etwas stört mich zunehmend: Der Bus braucht doppelt so lange wie das Auto. Wieso der Bustreff am Erfurter Kreuz ausgerechnet ganz am Ende eingerichtet werden musste und damit jedem, der nach Arnstadt will, eine Sightseeingtour durchs Industriegebiet beschert, wird sich mir nie erschließen. Ich finde die frühere Lösung, umsteigen an der alten Chema, deutlich besser.

15 Minuten pro Fahrt mehr gegenüber dem Auto – da ich täglich mindestens zweimal in Arnstadt bin, summiert sich das auf eine Stunde pro Tag. Nach einer Woche habe ich so quasi einen ganzen Arbeitstag verschwendet, Wartezeiten auf den Bus nicht eingerechnet.

Die Idee, meine Kollegen in der Ilmenauer Redaktion zu besuchen, habe ich nach einem Blick in den Fahrplan gleich wieder verworfen. Ich wäre mehr als 90 Minuten unterwegs, müsste zweimal umsteigen und eine 20-minütige Wartezeit in Plaue in Kauf nehmen. Wehmütig denke ich an die Zeiten, als ich in Ichtershausen in den IOV-Bus ein- und etwa 45 Minuten später in Ilmenau wieder aussteigen konnte. Lange vor der Re-Kommunalisierung übrigens. Zum Sonntagsdienst käme ich nur mit der Bahn, Busse nach Ilmenau sucht man da vergebens.

An Grenzen gestoßen

So bleibt mein Fazit: Das Neun-Euro-Ticket ist eine gute Sache, aber nur für Menschen, die zentral wohnen und geregelte Arbeitszeiten haben. Wer im ländlichen Raum flexibel sein muss, auch in den Abendstunden oder am Wochenende arbeitet oder einfach mal das Freizeitangebot in den Städten nutzen möchte, stößt ziemlich schnell an Grenzen. Hier sind der Kreis als Aufgabenträger sowie Bund und Land als Finanziers gefordert, künftig ein deutlich attraktiveres Angebot vorzuhalten, wenn man eine echte Verkehrswende herbeiführen möchte.

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