Michail Gorbatschow Hoffnung und Zerfall

Ahnt Michail Gorbatschow hier 1986 beim SED-Parteitag bereits, wie das mit der DDR ausgehen wird? Foto: picture alliance/United Archives/Sven Simon

Ein Kommentar zum Tod von Michail Gorbatschow.

 
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Den besonderen Gast im Schloss Niederschönhausen habe ich als blutjunger Wachsoldat 1986 auf Entfernung als einsamen Spaziergänger im Park des Gästehauses der DDR-Führung erlebt. Da hatte er in der Sowjetunion schon seine Politik von Glasnost und Perestroika begonnen – was von den führenden Genossen in der DDR argwöhnisch beobachtet wurde.

Für die Menschen in der DDR bedeutete Gorbatschow zuallererst Hoffnung – dass sich auch an den hierzulande herrschenden verkrusteten Strukturen etwas ändern ließe, dass sich von Ost und West zusammen ein friedliches „Europäisches Haus“ bauen lässt, wie es ihm bis zuletzt vorschwebte. Schließlich gingen 1989 in der DDR Menschen auch mit „Gorbi, Gorbi!“-Rufen auf die Straße. Doch die Realitäten waren andere: Die Dokumente des XXVII. Parteitags der KPdSU mit der Gorbatschow-Rede waren in der DDR Ende der 1980er Jahre ähnlich selten wie Karl Mays Abenteuerbücher, das Nein aus Ost-Berlin gipfelte in der Aussage, wenn der Nachbar seine Wohnung streicht, müsse man noch längst nicht selbst renovieren. Die Sowjetunion kam unter dem mit Mitte 50 ungewohnt jungen KPdSU-Generalsekretär nicht aus ihren Schwierigkeiten heraus, wohl aber sorgten Eingriffe wie das Alkoholverbot für viel mehr Unmut, am Ende zerfiel – angefangen im Baltikum – der ganze Staatenbund. Und wir erleben als Gegenreaktion heute einen massiven russischen Nationalismus.

Michail Gorbatschow war mächtig, als er in Moskau die Führung übernahm, aber er war kein Machtmensch. Er ließ das Aufbegehren im Baltikum und in Georgien brutal niederschlagen – dennoch entglitten ihm die Zügel immer weiter. Was im heutigen Putin-Russland seinen Ruf bestimmt als Zerstörer des mächtigen Reichs und desjenigen, der vor dem Westen eingeknickt ist.

Für Deutschland jedoch öffnete sich genau hier das historische Zeitfenster der Wiedervereinigung, das es bei einem Njet aus Moskau bestimmt nicht gegeben hätte. Die Dankbarkeit der Deutschen dafür ist Gorbatschow auf immer sicher.

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