Als Wortführer, die diese Diskussionen forcieren, gelten Länder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), allen voran Pakistan und Ägypten. Diplomaten beider Länder haben auf Anfragen nicht reagiert. Auch Vertreter einiger afrikanischer Länder machen mobil gegen Gender-Themen, heißt es in Genf. Sie prangerten plötzlich koloniales Gehabe an, mit dem westliche Länder ihnen ihre Werte aufzwingen wollten.
Missionarische Organisationen aus den USA stachelten Regierungen auf, sich Bestrebungen zu besserem Schutz von LGBTQI+ zu widersetzen, berichten Diplomaten. Auch der Vatikan spiele bei Vorstößen gegen Gender-Themen mit. Russland stoße dazu, um in seiner Isolation nach dem Einmarsch in der Ukraine neue Allianzen zu finden.
Deutsche Botschafterin schreibt Protestbrief
Auch bei UN-Dokumenten, die jahrelang problemlos durchgewinkt wurden, gibt es inzwischen Diskussionen, selbst in Budget- oder Personalpapieren, sagen Diplomatinnen und Diplomaten. Einige fürchten bei UN-Organisationen schon vorauseilenden Gehorsam. Botschafterin Stasch und mehr als 20 Kolleginnen und Kollegen haben zum Beispiel beim Generaldirektor der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Gilbert Houngbo, protestiert.
Dort war im Juni aus einem Dokument stillschweigend der Bezug auf ein längst veröffentlichtes Papier zu LGBTQI+ Rechten am Arbeitsplatz gestrichen worden. Bei den UN in New York wurde auch schon gegen das Hissen der Regenbogenflagge protestiert, die Toleranz gegenüber allen Menschen symbolisiert, die sich nicht im traditionellen Rollenbild zwischen Mann und Frau sehen.
Nicht nur bei den Vereinten Nationen, auch in Deutschland gebe es bei dem Thema Gegendruck, heißt es beim Dachverband der Organisationen ILGA, die sich für diese Rechte einsetzt.
Populistische und konservative Flügel von Parteien gingen mit Kritik am Gender-Thema auf Stimmenfang, sagt ILGA-Sprecherin Julia Ehrt. Eingebettet sei dies im weltweiten Rechtsruck mit der Rückbesinnung auf angeblich nationale, kulturelle Werte. "Diese Dynamik ist besorgniserregend. Damit wird nur von Themen wie soziale Gerechtigkeit abgelenkt", sagte sie.