Meinung Virtuelle Solidarität

Thüringen verschenkt Impfstoff nach Tschechien, das von der Corona-Pandemie am stärksten betroffen ist. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Pool/Bodo Schackow

Thüringen verschenkt Impfstoff ins Ausland und die Gelockdownten im Land reiben sich die Augen. Immerhin ist Thüringen seit geraumer Zeit das einzige Bundesland mit einer Inzidenz über 100 und Impftermine gibt es für die meisten Normalbürger nicht, kommentiert Olaf Amm.

 
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Suhl - Virtuell könnte das Wort des Jahres werden. Etwas ist gar nicht da, sondern erscheint nur simuliert in Computerwelten. Es gibt im Lockdown virtuelle Museumsbesuche, virtuelle Fernreisen und mehr. Die Thüringer Landesregierung hat nun die virtuelle Solidarität erfunden. 5000 Anti-Corona-Impfdosen werden nach Tschechien verschenkt, die Thüringen gar nicht hat, aber Tschechien (höchste Inzidenz in der EU) dringend braucht, weil es sich auf die EU verlassen hat. Das klingt seltsam, zahlt sich aber in guter Stimmung aus.

Am Sonntag berichten alle deutschen Online-Portale von „tageschau.de“ bis „bild.de“ über die Gemeinschaftsaktion von Thüringen, Bayern und Sachsen. Am Montagmorgen folgen die gedruckten Zeitungen. Am Dienstag meldet die Deutsche Presseagentur, dass die 15 000 Impfdosen der drei Länder in Karlsbad angekommen sind. Am Mittwochmorgen legt der Deutschlandfunk noch einmal mit einer Reportage nach. Viel Anerkennung für Thüringen, das bei Corona bisher eher die rote Laterne getragen hat.

Die Gelockdownten reiben sich die Augen, immerhin ist Thüringen seit geraumer Zeit das einzige Bundesland mit einer Inzidenz über 100. Wer als Normalbürger nicht im Greisenalter ist, hat keine Chance auf einen Impftermin. Nun kommt die Entwarnung: Thüringen hat die Impfdosen für Tschechien nur bei den Sachsen geborgt (die haben offenbar mehr als ausreichend) und wird sie in den nächsten Wochen in kleinen Dosen abstottern. Was die Sachsen dazu meinen, wissen wir nicht.

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