Meinung Sekt für Alle!

Champagnerdusche. Foto: dpa//Sebastian Kahnert

Die Linkspartei setzt in ihrem Wahlprogramm Prioritäten. Die Schaumweinsteuer soll wegen ihres Ursprunges in der Kaiserzeit abgeschafft werden. „Ihr habt eine Minute Zeit für die Abstimmung über Sekt statt Selters“, leitete der Thüringer Benjamin-Immanuel Hoff die Abstimmung ein – und dann ging es ganz schnell. Aber Vorsicht ist nicht nur die Mutter der Porzellankiste: Es gibt ziemlich viele Dinge, die unter historisch-moralischem Gesichtspunkt für Antifaschisten eigentlich untragbar sind, glossiert Olaf Amm.

 
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Suhl - Der Kampf gegen die deutsche Vergangenheit kann durchaus zu erfreulichen Ergebnissen führen. Die Linkspartei hat in ihrem Bundestagswahlprogramm die Abschaffung der Schaumweinsteuer beschlossen. Sollte die Partei im Herbst tatsächlich mit Grünen und Sozialdemokraten an die Macht kommen, dann gibt es Champagnerbäder endlich nicht mehr nur für besser verdienende Neoliberale, sondern auch für die ausgetrockneten proletarischen Massen.

Besonders auf der Zunge des unentschlossenen Wählers perlt die Begründung für die Abschaffung der Schaumweinsteuer: „Es sollte eine Selbstverständlichkeit für uns als Linke sein, eine Steuer, die zu Aufrüstungszwecken eingeführt wurde, konsequent abzulehnen und ihre Abschaffung zu fordern.“ Bis heute wird an Stammtischen zum Herrengedeck geflüstert, dass die Schaumweinsteuer 1902 zum Bau der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde. Um 20 Prozent stieg damals der Durchschnittspreis für ein Fläschchen Kupferberg. Aber bei genauerem Hinsehen, haben Reichstagsabgeordnete und Finanzbeamte sich das Projekt doch nur irgendwie schöngesoffen. 1905 deckte die prickelnde Steuer gerade mal 0,59 Prozent der deutschen Rüstungsausgaben.

Was der Fiskus aber einmal in seinen klebrigen Fingern hält, das gibt er nicht wieder her. Nachdem linke Revolutionäre den Kaiser samt fürstlicher Abfindung in ein Schloss nach Holland abgeschoben haben, blieb die Steuer bestehen. Die Nazis schafften sie auch nicht ab, setzten sie aber 1933 auf null. Reine Augenwischerei: 1939 war sie wieder da als Kriegszuschlag für die Entwicklung der U-Boot-Flotte.

Die Bundesrepublik behielt sie bei, machte aber 1952 die Beseitigung der Kriegsschäden und den Wiederaufbau des Landes zum Verwendungszweck. Die Diktatur des Proletariats in der DDR kannte keine Sektsteuer – Rotkäppchen und Krimsekt waren Volkseigentum. Heute fließt die Abgabe in den allgemeinen Steuertopf. Der sollte eigentlich überschäumen wie warmer Spumante, ist aber angesichts immer neuer von der Politik erdachter Ausgabenposten so leer wie ein Fass ohne Boden.

Einmal an der Macht, könnte die Linke die Bereinigung des Steuersystems nach historisch-moralischen Gesichtspunkten fortsetzen. Es gibt da einige Punkte aus dem Nationalsozialismus, über die nicht mal am Stammtisch gesprochen wird: Mit dem Steueranpassungsgesetz 1934 wurden die noch heute geltenden Steuerklassen I bis IV geschaffen – jeder Single leidet darunter. Flatrate für alle wäre eine passende Gegenmaßnahme. Nach dem Sieg über Frankreich gab es als Bonus für die Heimatfront ab 1940 die Steuerbefreiung für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge. Die besteht bis heute und sollte als Wiedergutmachung gestrichen werden. Auch Firmen belasteten die Braunen stark: Die Körperschaftsteuer wurde auf 40 Prozent verdoppelt. Ein echter Antifaschist sollte gegen Körperschaftsteuern sein.

Die Korken knallen, wenn sich die Linken von der Mietpreisbremse verabschieden: ein durch und durch faschistisches Projekt. Am 17. Oktober 1936 wurde von den Nationalsozialisten ein Mietpreisstopp verhängt und Mietpreisbehörden eingerichtet. Mit wenigen Änderungen galten diese gesetzlichen Regelungen bis 1990 in der DDR. Privater Hausbesitz wurde schon unter den Nazis unrentabel, da die Kosten für Instandhaltung, Reparaturen und Verwaltung jedes Jahr weiter anstiegen, die Monatsmieten aber nicht (und nach Jahrzehnten in der DDR dann nur noch lächerlich gering waren). Über den 1. Mai als Feiertag (1933) und die Krankenkasse für Rentner (1941) reden wir dann in der zweiten Legislaturperiode. Zum Wohl!

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