Meinung Gute Nachrichten auf der Titelseite

Nicht nur die dickbäuchigen Buddhas in Asien haben Grund, mit einem fröhlichen Strahlen auf die Welt zu blicken. Foto: imago/Bettina Strenske/Bettina Strenske

Die gedruckten Ausgaben der Südthüringer Tageszeitungen „Freies Wort“, „Südthüringer Zeitung“ und „Meininger Tageblatt“ drucken seit Montag eine besonders gekennzeichnete gute Nachricht auf ihren Titelseiten. Gute Nachrichten bietet die Welt nämlich in überbordender Menge, kommentiert Olaf Amm. Nur leider übersehen sie die Menschen so oft.

 
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Suhl/Meiningen/Bad Salzungen - „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, ist die erste gute Nachricht, die unsere Kultur kennt. Es ist der erste Satz der Bibel, deren Übersetzung in moderne Sprache seit 1968 unter dem Titel „Die gute Nachricht“ vertrieben wird. Seit dem alttestamentarischen Schöpfungsakt (und ganz sicher schon bei den Heiden zuvor) werden wir von guten Nachrichten überflutet. Aber irgendein Produktionsfehler ist dem lieben Gott doch unterlaufen: Menschen nehmen die guten Nachrichten nicht wahr. Da geht es ihnen wie Thomas dem Zweifler aus dem Neuen Testament. Dabei gibt es trotz aller Horrormeldungen keinen Grund zu glauben, dass die Welt nicht gut ist.

Gleich in seiner ersten Arbeitswoche schuf Gott, so liest man in „Die gute Nachricht“, auch noch alle Pflanzen, Tiere und Menschen. Heute ängstigen wir uns vor dem Artensterben und überlesen dabei völlig, dass im vergangenen Jahr 503 Tierarten neu entdeckt wurden. Seit 1997 sind allein im Fünf-Länder-Eck zwischen Kambodscha und Vietnam über 2400 neue Arten aufgetaucht. Das größte Artensterben liegt 252 Millionen Jahre zurück, als 95 Prozent aller Lebensformen im Meer und 75 Prozent der Landfauna verschwanden.

Die Bundestagswahl hat angeblich das Thema Soziales entschieden. Es gibt auf kurze Sicht reale Probleme und es gibt auf lange Sicht irreale Erinnerungen. Früher war leider gar nichts gut. 1820 kämpften 94 Prozent der Weltbevölkerung mit extremer Armut, 1910 waren es noch 82 Prozent und 1950 war die Quote auf 72 Prozent gesunken. Der größte und schnellste Rückgang erfolgte 1981 (44,3 Prozent) bis 2015 (9,6 Prozent). Die viel geschmähte Globalisierung hat dafür gesorgt, dass heute gerade in China und vielen anderen Ländern Asiens niemand mehr verhungert.

Die Europäer interessieren sich selten für gute Nachrichten aus Asien, aber sie werden bei sich fündig. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag im Jahr 1800 bei 40 Jahren, heute ist sie doppelt so hoch. Die meisten Menschen waren bis zum Siegeszug des Kapitalismus bettelarm und ständig krank. In Skandinavien, Österreich-Ungarn, Deutschland und Spanien lebten ungefähr 60 bis 70 Prozent in extremer Armut. 20 Prozent der Einwohner von England und Frankreich waren überhaupt nicht arbeitsfähig und hatten gerade mal Kraft, um jeden Tag ein paar Stunden langsam zu gehen. Heute sind verbreitetes Übergewicht und zu viel Fernsehkonsum unsere Sorgen. Wer heute als arm gilt, lebt auf dem Niveau der früheren Oberschicht. Das Gesundheitswesen leistet Beachtliches. Krebs ist meist kein Todesurteil mehr und 77 Millionen Deutsche sind nicht an Corona erkrankt.

Wenn da nicht das kommende Ende der Rohstoffe wäre ... 1970 gab es wissenschaftliche Studien, dass kurz nach dem Jahr 2000 das Kupfer ausgehen würde. Blei, Zink, Zinn, Gold und Silber sollten noch vor 1990 verschwinden. Heute schätzt die amerikanische Geologie-Behörde USGS die Silberreserven auf 560 000 Tonnen. Ein Grund: Technik wird immer handlicher. Ein Smartphone beinhaltet heute Taschenrechner, Telefon, Videokamera, Wecker, Diktiergerät, Navigationssystem, Fotoapparat, Videorecorder, CD-Player, Kompass, Anrufbeantworter und mehr.

Das Beispiel zeigt die wohl beste gute Nachricht von allen: Der menschliche Erfindungsgeist ist eine unbegrenzte Ressource. Dafür braucht es nicht einmal „Die gute Nachricht“, denn das gilt für alle Religionen, für Atheisten und auf allen Erdteilen. Damit die Zeitungsleser nicht wie der Apostel Thomas zweifeln müssen, wird ihnen nun täglich eine besondere gute Nachricht auf den gedruckten Titelseite präsentiert.

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