Meinung Goethe in Kiew

Eine nachgestellte Schlacht aus der Napoleonzeit, in der der Weimarer Dichter Johann Wolfgang von Goethe nur knapp dem Tod entronnen ist. Foto: imago stock&people/imago stock&people

Am Mittwoch sollte Russland den Krieg gegen die Ukraine beginnen, war eine Vorhersage aus der vergangenen Woche. Ein Blick auf den alten Thüringer Dichterfürsten aus Weimar ist in dieser Situation auch nicht ermutigend – auch wenn er die Stimmungslage der meisten Deutschen zu Kriegen in der Fremde schon damals treffend beschrieben hat.

 
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Weimar - Heute ist Mittwoch, der 16 Februar 2021. Vor ein paar Tagen hieß es aus Geheimdienstkreisen in Washington, dass heute die Invasion Russlands in der Ukraine passieren könnte. Andere haben als Zeitpunkt die Abschlusszeremonie der olympischen Spiele am 20. Februar vorausgesagt. Am Dienstag hat Russland erste Soldaten wieder zurückgezogen und prompt warnen Analysten, dass nun dieser Rückzug ein besonders gefährlicher Moment ist. Was all diese Voraussagen wert sind, wird die Zukunft zeigen.

Für den Moment hofft man nur, dass es uns wie den Nachbarn in Goethes Faust geht.

„Nichts bessres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten. Dann kehrt man abends froh nach Haus und segnet Fried und Friedenszeiten“, sagt der eine Bürger und der andere entgegnet: „Ach ja Herr Nachbar, ja, so laß ich’s auch geschehn: Sie mögen sich die Köpfe spalten, mag alles durcheinander gehn: Doch nur zu Hause bleib’s beim alten!“

Der alte Geheimrat wusste es bald besser. Der Krieg Napoleons kam 1806 nach Weimar und beinahe wäre Goethe dabei umgekommen. „Abends um 5 Uhr flogen die Cannonenkugeln durch die Dächer, um ½ 6 Einzug der Chasseurs (Anmerkung: Chasseurs sind Infanteriesoldaten). 7 Uhr Brand Plünderung schreckliche Nacht. Erhaltung unseres Hauses durch Standhaftigkeit u. Glück“, schrieb er am 14. Oktober in sein Tagebuch.

Auch heute ist uns klar: Zuhause bliebe nichts beim alten, wenn im fernen Kiew Bomben fallen.

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