Dann wäre da noch der szenische Favorit des Leitungsteams in Akt Fünf. Oft überdacht und optimiert: die Szene, in der die hässliche Kunigunde (Marie von Moser-Sperner) in Windeseile verwandelt als blondeste Braut wiederkehrt. So mancher Rezensent würde auch hier gern den Rotstift ansetzen. Verständlich, denn man kennt diese Verwandlung bislang nicht. Sie existiert nicht in Franz von Holbeins viel gespielter Fassung des „Käthchens“. Eine Schauspielerin so hässlich zu zeigen, bricht ein Tabu. Aber: Kleist hat dies erdacht und der Herzog hat es inszeniert: Die Lieblingsszene bleibt!
Überstanden hat das Streichkonzert zudem eine recht heikle Passage. Zunächst sogar verschwiegen von der honorigen Kritiker-Riege. Wo Graf vom Strahl (Josef Nesper) die Hundepeitsche von der Wand nimmt und gegen das keusche Käthchen schwingt. Na, hoppla! Was sind denn das für Fantasien dem Volke zur Erhebung?!
Ein populäres Stück anders als gewohnt zu zeigen, das war der Masterplan, und der ist aufgegangen. Gezielt wurde der Fünf-Stünder vom Leitungsteam eingedampft, zerlegt und neu konstruiert. Upcycling von Texten. Von den Meiningern wird auch die freie Nutzung des Dramas bravourös etabliert. Es ist Helene von Heldburg, welche die Akte neu strukturiert. Mit gezieltem Blick auf die Adressaten: das Publikum in Berlin.
Anerkennung in Berlin
Wer es in Berlin schafft, der schafft es überall! Die Anerkennung in der Hauptstadt ist ein enormer Antrieb für den Herzog und sein Team. Insgesamt achtmal gastieren die Meininger dort, in 13 Jahren. Investieren Zeit, Grips, Energie. Und Unsummen. Selbst ein Besuch des Kaisers scheint nicht unmöglich. Das zeigte sich erst Mitte März 1876. Sechs Wochen vor dem Tourstart mit Kleists „Käthchen“ gab Wilhelm I. Wagners „Tristan und Isolde“ die Ehre. Über das Musikdrama waren sich hinter vorgehaltener Hand eigentlich fast alle einig: Unverständlich, zu lang, entsetzlich ermüdend sei das Werk. Trotzdem gab sich die Prominenz die Klinke in die Hand. Wie ganz anders sind dagegen die Aufführungen der Meininger. Erfolg beim Publikum ist ihnen vergönnt. Nur der Kaiser, der kommt auch diesmal nicht.