Meininger Staatstheater „Diese Rolle würde ich nicht hergeben wollen“

Larissa Aimée Breidbach Foto: Christina Iberl

Die erste Schauspielpremiere gibt es mit „1000 Serpentinen Angst“ am Samstag in den Meininger Kammerspielen. Wir sprachen mit Hauptdarstellerin Larissa Aimée Breidbach.

 
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Willkommen in Thüringen, Frau Breidbach! Gerade sind Sie in Meiningen angekommen, und schon spielen Sie die Hauptrolle in der Eröffnungspremiere des Schauspiels – „1000 Serpentinen Angst“: Aufgeregt?

In erster Linie freue ich mich, dass ich in der Eröffnungspremiere dieser Spielzeit dabei sein darf, umso mehr, da die Rolle, die ich in „1000 Serpentinen Angst“ spiele, für mich eine ganz besonders schöne Aufgabe und große Herausforderung ist. Es ist ein Geschenk, diese Arbeit mit künstlerisch wie menschlich so tollen Kolleginnen Kollegen zu erarbeiten und zu spielen.

Wie der Titel schon sagt, geht es in dem Stück von Olivia Wenzel viel um das Thema Angst und wie man lernt, mit ihr umzugehen. Ich würde meine Aufregung vielleicht auch positiv sehen und sagen, dass die Angst vor der Premiere eine der schönsten Ängste sein kann.

In „1000 Serpentinen Angst“ begibt sich eine junge, Schwarze Frau auf eine Suche in unsere Gesellschaft, möchte wissen, wie sie wahrgenommen wird, fragt nach Herkunft und Zukunft. Kommt Ihnen der Stoff bekannt vor?

Der Stoff kommt mir sehr bekannt vor und darin sehe ich auch die bereits erwähnte Herausforderung. Wie die Figur, die namenlose Ich-Erzählerin, die ich in der Inszenierung spiele, bin auch ich in einer kleinen Stadt aufgewachsen als Tochter eines Schwarzen Vaters aus Burkina Faso und einer weißen Mutter aus Deutschland. Ich kenne die Rassismen, mit denen man konfrontiert wird und das Gefühl des Ausgeschlossenseins, nirgendwo richtig dazuzugehören, sowohl in Deutschland als auch in Burkina Faso. Im Stück sagt die Ich-Erzählerin einmal: „Was soll mir meine weiße Großmutter antworten auf die Frage, ob sie eine Ahnung hat, was es bedeutet, keinen Ort zu kennen, an dem man selbst die Norm ist?“ Genau das ist es, was diese Suche so schwierig macht und einen Menschen, der eben nicht der „Norm“ einer Gesellschaft entspricht, orientierungslos zurücklässt. Man bekommt von der Gesellschaft ein Bild aufoktroyiert, und das erste Merkmal, an das dieses geknüpft wird, ist eines, das man sich selbst überhaupt nicht ausgesucht hat, wie zum Beispiel die Hautfarbe. Dabei sagt dieses äußere Merkmal über die Person nichts aus, der Mensch ist doch so viel mehr.

Sie haben selbst eine deutsche Mutter und einen Vater aus Burkina Faso. Und Sie haben in ihrem Beruf als Schauspielerin schon viele Orte und Menschen kennengelernt. Wie blicken Sie auf unser Land: Ist da die Hautfarbe tatsächlich noch etwas, was das Urteil über Menschen prägt?

Ich habe das Gefühl, dass sich in letzter Zeit schon wirklich etwas bewegt hat, aber der Weg ist noch nicht zu Ende gegangen. Auch nicht im Theater. Ich freue mich sehr, dass ich diese Rolle in „1000 Serpentinen Angst“ spielen darf und würde sie auch nicht hergeben wollen, ich weiß aber, dass ich hier am Theater auch andere Rollen spielen werde, ohne dass dabei auf die Hautfarbe geachtet wird, ich also auch die Tochter in einer weißen, bürgerlichen Familie spielen kann, ohne dass das thematisiert werden muss. „Ich habe Sehnsucht nach anderen Bildern,“ sage ich als Figur im Stück und diese anderen Bilder sind es, die das Theater herstellen kann. Ich denke, dass man das Publikum in dieser Hinsicht sicherlich mehr fordern darf und auch mehr fordern kann, um auf diese Weise Sehgewohnheiten aufzubrechen.

Wenn Sie an Heimat denken, ist da natürlich Deutschland, Europa. Wie viel Heimat bedeutet Afrika für Sie?

Ich habe Familie in Afrika, mit der ich in Kontakt bin und spüre, wenn ich dort bin, eine besondere Vertrautheit. Olivia Wenzel, die Autorin von „1000 Serpentinen Angst“, beschreibt dieses Gefühl der Verbundenheit sehr schön, sie spricht von einem selbstverständlichen, ereignislosen Aufeinander-Rumhocken. Das habe ich in Afrika mit meiner Familie genauso gefühlt. Man sitzt zusammen, Leute kommen dazu, man hängt gemeinsam rum, ohne dass etwas voneinander erwartet wird. Dieses Gefühl habe ich hier selten, eher, dass selbst bei einem einfachen Zusammensein immer ein Ziel verfolgt werden muss.

Den Begriff Heimat finde ich allgemein etwas schwierig. Ich kämpfe sehr mit einem Gefühl der „Heimatlosigkeit“. Es sind mehr kurze Momente, in denen ich eine Art Heimatgefühl habe, so zum Beispiel auf der Probebühne, wo ich gerade mit Menschen zusammen bin, die sich gegenseitig stützen und tragen und einen sehr respektvollen und schönen Umgang miteinander pflegen. Oft sind es einfach Kleinigkeiten, die mir eine Art „Heimatgefühl“ vermitteln.

Sie leben in Berlin, Sie sind erfolgreich im TV, Sie haben mit Regisseuren wie Volker Lösch oder Sebastian Baumgarten zusammengearbeitet: Was zieht sie Sie in die Thüringer Provinz?

Ich hatte nach meiner ersten Begegnung mit Schauspieldirektor Frank Behnke und meinem Vorsprechen das Gefühl, dass hier in Meiningen Menschen zusammenkommen, die ein gesellschaftsrelevantes und politisches Theater machen möchten. Dass das Schauspiel am Staatstheater Meiningen mit einem Text wie „1000 Serpentinen Angst“ eröffnet, finde ich ein sehr wichtiges und politisches Statement und das ist auch die Art, wie ich Theater denke und machen möchte.

Meiningen ist keine große Stadt. Werra statt Havel. Ententeich statt Schwielowsee. Was mögen Sie an Meiningen besonders?

Da ich bisher die meiste Zeit seit meinem Umzug im Theater und auf der Probebühne verbracht habe, hatte ich leider noch gar nicht so richtig Gelegenheit, die Stadt zu erkunden. Das ist aber etwas, worauf ich mich nach unserer Premiere besonders freue.

Premiere Samstag, 18. September, 19.30 Uhr, in den Kammerspielen

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