Meiningen Den Stuhl vor die Tür gestellt

Antje Kanzler
Protest an der Fassade der Ratsstube: „Wir stellen der Politik den Stuhl vor die Tür“ lautet die deutliche Botschaft von Sven Kiel (im Bild rechts). Foto: Silvana Möder

Gastronom Sven Kiel zieht seine Notbremse. Er protestiert gegen die Folgen des Infektionsschutzgesetzes. Mit Transparent und leeren Tischen zeigt er die Not einer ganzen Branche auf.

 
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Meiningen - „Wir stellen der Politik den Stuhl vor die Tür“ hat Gastronom Sven Kiel auf ein Transparent drucken lassen, das er am Samstag an der Fassade seiner Ratsstube anbrachte. Seine sprichwörtliche Botschaft direkt am Meininger Marktplatz setzt sich im Außengastronomie-Bereich fort. Dort stehen jetzt tatsächlich wieder die üblichen Stühle und Tische, allerdings versehen mit Hinweisschildern, dass es verboten ist, darauf Platz zu nehmen. Zeigen will er damit, wie absurd und geschäftsschädigend doch die Situation für die Gastronomie ist. Unlogisch und unsinnig, wie er sagt.

„Ein paar Meter weiter rund um dem Markt sitzen die Leute auf den Bänken und essen ihre Fischbrötchen oder Bratwürste. Warum soll dann nicht auch eine Familie an einem Tisch sitzen dürfen? Vor einem Jahr ging das doch auch. Was ist jetzt anders als 2020? Es geht mir auch darum, wie hier mit den Menschen umgegangen wird“, kritisiert der Gastwirt. „Man muss doch langsam mal die aktuellen Bestimmungen hinterfragen und den Menschen ein Stück Lebensqualität zurückgeben!“

Sven Kiel will auf die dramatische Situation der Gastronomen aufmerksam machen, mit seiner Aktion nicht provozieren, aber protestieren, sagt er. „Von den letzten zwölf Monaten hatten wir acht geschlossen. Acht Monate Arbeitsverbot in einem freiheitlich-demokratischen Rechtssystem. Die finanzielle Unterstützung endete im Dezember. Was es jetzt gibt, ist kein Kapitalverlustausgleich, sondern die Mittel für Miete und Strom. Vielen Unternehmern bleibt weniger zum Leben als einem Hartz-IVler“, gibt er zu bedenken.

Öffentlich zeigen will er, wie seine Branche zu den jetzt geltenden Corona-Regeln steht. „Wir haben doch nichts mehr zu verlieren. Der letzte Sargnagel war jetzt Merkels Inzidenz, die einfach so auf 100 festgedroschen wurde. Keiner weiß nun, wann wir endlich wieder aufmachen können. Wenn ich mir die aktuellen Werte ansehe, gehe ich von Mitte Juli aus. Aber dann brauche ich die Terrasse nicht mehr zu öffnen. Dann ist der halbe Sommer vorüber. Wir können doch nicht warten, bis irgendwann diese Merkel-Zahl erreicht ist!“, sagt er kopfschüttelnd.

Am Ende stehe man auch noch ohne Personal da, weil sich dieses nach Monaten der Kurzarbeit vielleicht eine andere Arbeit gesucht hat.

Lobend erwähnt der Gastronom, wie sehr die Stadt Meiningen bemüht ist, ein Modellprojekt zu starten. Das aber wird mit der „Bundes-Notbremse“ des Bundes blockiert. „Der Ministerpräsident wurde einfach entmündigt und Angela Merkel hat nichts mehr zu verlieren – sie geht bald“, zieht er Bilanz.

Die ersten Besucher der Innenstadt wurden derweil auf die Schilder auf den Tischen aufmerksam. Schmunzelnd blieben sie kurz stehen, schossen mit dem Smartphone ein Foto und gingen weiter ihrer Wege. Zum Lachen zumute ist es es Sven Kiel nicht, aber es wird erreicht, die Aufmerksamkeit der Meininger auf seine geschlossene Außengastronomie zu ziehen. Weitere Gaststätten-Inhaber in der Innenstadt werden seinem Protest folgen. any/sim

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