Meiningen. Mit einer bewegenden Feierstunde wurde am Samstag in der Meininger Stadtkirche an jenen Tag vor 20 Jahren erinnert, als sich am 24. Oktober 1989 der erste große Demonstrationszug nach dem Friedensgebet formiert hatte. Eine Tafel, eingelassen in den Boden vor dem Kircheneingang, sowie eine Stele an der Seite zum Markt hin, wurden enthüllt. Sie werden die Erinnerung an die friedliche Revolution in Meiningen wachhalten. Fast atemlose Stille in der Kirche folgte auf ein bewegendes Geständnis von Jürgen Sando.
Dynamisch, unter anderem mit afrikanischen Rhythmen, gab der Chor Vocalica aus der Partnerstadt Neu-Ulm unter Leitung von Markus Romes den musikalischen Auftakt zu der Gedenkveranstaltung. Klassische geistliche Musik bot der Kammerchor des Kirchenkreises Meiningen unter Leitung von Kantor Sebastian Fuhrmann. Begleitet von Musikern der Meininger Hofkapelle, vereinten sich die beiden Chöre was vor 20 Jahren in solch unbeschwerter Form kaum möglich war.
In jene Vergangenheit zurück brachte dann Ulrich Töpfer die Zuhörer in der fast voll besetzten Stadtkirche. Er berichtete von Eingaben, die der Gesprächskreis für Frieden und Ökologie damals an den Rat des Kreises machte und an die sich immer wieder anschließenden Aussprachen bei den Genossen an der Kreisspitze.
Christen und Nichtchristen im Gesprächskreis für Frieden und Ökologie der Kirchgemeinde Meiningen einte der Traum von einer gerechten und menschlichen Gesellschaft, von einem Leben in Freiheit, Würde und Mündigkeit.
Es waren nicht nur die großen Dinge wie Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Demokratie, Mitbestimmung und Teilhabe, es ging allgemein und ganz persönlich um die Würde, um die Möglichkeit der Selbstgestaltung und Selbstverwirklichung seiner Träume nicht der vom Staat vorgegebenen, nannte Ulrich Töpfer einige Beweggründe für das Engagement im Gesprächskreis für Frieden und Ökologie. Über 40 Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit hätten sich die Mühe gemacht, Informationen über ihn und den Gesprächskreis zu sammeln. IM zu sein war kein Kavaliersdelikt im Sinne von: Ich habe doch keinem geschadet. Die IMs waren wichtiger Bestandteil eines Unterdrückungsapparates. Von 25 IMs kenne ich die Klarnamen. Einer davon hat sich offenbart. Das ist nicht gerade viel, so Töpfer, der sich in Dankbarkeit vor seinen Mitstreitern in schweren Zeiten verneigte.
Töpfer dankte insbesondere Pfarrer i.R. Martin Hoffmann, Dr. Karl-Jürgen Amthor, Jürgen Sando, Dr. Horst Strohbusch und Katharina Gaßdorf von der Stadtverwaltung, die die Gedenkveranstaltung ein Jahr lang vorbereitet haben, ebenso dem Museum für die Ausstellung in der Stadtkirche. Zahlreiche alte Fotos erinnern hier noch bis Ende November an die bewegte Wendezeit.
Erstmals ausgesprochen
Emotional sehr bewegt erinnerte Jürgen Sando an die Durchsuchung der Stasi-Zentrale in Meiningen am 5. Dezember 1989, die er gemeinsam mit Dr. Gerhard Victor, Ulrich Töpfer, Karl-Heinz Busch und zwei Staatsanwälten vornahm. Das waren die bangsten Stunden, die ich in meinem Leben hatte, erinnerte sich der Meininger. Wir kamen zu spät fanden lauter Säcke mit geschnipselten Unterlagen vor. Eins kann Jürgen Sando bis heute nicht vergessen das Gesicht des Staatsanwaltes es, als dieser wieder aus der Waffenkammer herauskam. Der Raum wurde versiegelt.
Das, was Jürgen Sando nun in der Stadtkirche preisgab, hat er 20 Jahre alleine herumgetragen: Eigentlich sollte er dabei sein, als am 12. Dezember die Unterlagen nach Suhl verlagert werden sollten. Weil er aber wegen eines beruflichen Termins nicht selbst dabei sein konnte, erfuhr er dann von Detlev Seeberg, der für ihn eingesprungen war, dass außer 48 Schlagstöcken keine einzige Waffe mehr vorhanden war. Die Versiegelung war aufgebrochen: Jemand hatte alles beiseite geschafft. Es war Dienstag und Friedensgebet: Sollte ich die Wahrheit sagen? Wenn das publik geworden wäre, hätte es zu massiven Ausschreitungen kommen können, befürchtete Jürgen Sando damals. Deshalb bin ich bis heute ruhig geblieben. Daraufhin herrschte fast atemlose Stille in der Kirche. Abschließend forderte Sando alle IMs auf, den Mut aufzubringen und sich zu entschuldigen. Dann sei es leichter, das Thema abzuhaken.
Dr. Günther Strohbusch beschwor: Dieser Herbst darf nicht vergessen werden. Denn solche Tendenzen sehen wir schon wieder. Natürlich konnte man in der DDR auch leben. Verhaltensvorschriften sorgten sofern man sich daran hielt für einen glatten Verlauf. Aber das Eingesperrtsein, die Mühen des täglichen Lebens, das ständige Lavieren zwischen Anpassung und Distanz hatten die Menschen irgendwann über, erinnerte er. Schließlich gingen in Meiningen 25 000 Menschen auf die Straße. Auch wenn bis heute nicht alle Träume in Erfüllung gingen, sei die Wiedervereinigung ein Geschenk. Er zeigte sich optimistisch, dass wir die vor uns liegenden Hürden meistern werden. Pfarrer i. R. Martin Hoffmann hob die besondere Rolle der Friedensgebete hervor.
Ein solches gab es am Schluss der Veranstaltung, gemeinsam gehalten von Superintendent Wolfram Hädicke und Pfarrer Christoph Knoll. Die Kirchentüren stehen offen, lud Knoll zur Teilnahme an den folgenden Gebeten ein. Auch wen vieles erreicht wurde. Heute gehe es um die Bewahrung des Lebens insgesamt. Deshalb werden auch heute Friedensgebete gebraucht, sagte Hädicke. (geb)
Dynamisch, unter anderem mit afrikanischen Rhythmen, gab der Chor Vocalica aus der Partnerstadt Neu-Ulm unter Leitung von Markus Romes den musikalischen Auftakt zu der Gedenkveranstaltung. Klassische geistliche Musik bot der Kammerchor des Kirchenkreises Meiningen unter Leitung von Kantor Sebastian Fuhrmann. Begleitet von Musikern der Meininger Hofkapelle, vereinten sich die beiden Chöre was vor 20 Jahren in solch unbeschwerter Form kaum möglich war.
In jene Vergangenheit zurück brachte dann Ulrich Töpfer die Zuhörer in der fast voll besetzten Stadtkirche. Er berichtete von Eingaben, die der Gesprächskreis für Frieden und Ökologie damals an den Rat des Kreises machte und an die sich immer wieder anschließenden Aussprachen bei den Genossen an der Kreisspitze.
Christen und Nichtchristen im Gesprächskreis für Frieden und Ökologie der Kirchgemeinde Meiningen einte der Traum von einer gerechten und menschlichen Gesellschaft, von einem Leben in Freiheit, Würde und Mündigkeit.
Es waren nicht nur die großen Dinge wie Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Demokratie, Mitbestimmung und Teilhabe, es ging allgemein und ganz persönlich um die Würde, um die Möglichkeit der Selbstgestaltung und Selbstverwirklichung seiner Träume nicht der vom Staat vorgegebenen, nannte Ulrich Töpfer einige Beweggründe für das Engagement im Gesprächskreis für Frieden und Ökologie. Über 40 Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit hätten sich die Mühe gemacht, Informationen über ihn und den Gesprächskreis zu sammeln. IM zu sein war kein Kavaliersdelikt im Sinne von: Ich habe doch keinem geschadet. Die IMs waren wichtiger Bestandteil eines Unterdrückungsapparates. Von 25 IMs kenne ich die Klarnamen. Einer davon hat sich offenbart. Das ist nicht gerade viel, so Töpfer, der sich in Dankbarkeit vor seinen Mitstreitern in schweren Zeiten verneigte.
Töpfer dankte insbesondere Pfarrer i.R. Martin Hoffmann, Dr. Karl-Jürgen Amthor, Jürgen Sando, Dr. Horst Strohbusch und Katharina Gaßdorf von der Stadtverwaltung, die die Gedenkveranstaltung ein Jahr lang vorbereitet haben, ebenso dem Museum für die Ausstellung in der Stadtkirche. Zahlreiche alte Fotos erinnern hier noch bis Ende November an die bewegte Wendezeit.
Erstmals ausgesprochen
Emotional sehr bewegt erinnerte Jürgen Sando an die Durchsuchung der Stasi-Zentrale in Meiningen am 5. Dezember 1989, die er gemeinsam mit Dr. Gerhard Victor, Ulrich Töpfer, Karl-Heinz Busch und zwei Staatsanwälten vornahm. Das waren die bangsten Stunden, die ich in meinem Leben hatte, erinnerte sich der Meininger. Wir kamen zu spät fanden lauter Säcke mit geschnipselten Unterlagen vor. Eins kann Jürgen Sando bis heute nicht vergessen das Gesicht des Staatsanwaltes es, als dieser wieder aus der Waffenkammer herauskam. Der Raum wurde versiegelt.
Das, was Jürgen Sando nun in der Stadtkirche preisgab, hat er 20 Jahre alleine herumgetragen: Eigentlich sollte er dabei sein, als am 12. Dezember die Unterlagen nach Suhl verlagert werden sollten. Weil er aber wegen eines beruflichen Termins nicht selbst dabei sein konnte, erfuhr er dann von Detlev Seeberg, der für ihn eingesprungen war, dass außer 48 Schlagstöcken keine einzige Waffe mehr vorhanden war. Die Versiegelung war aufgebrochen: Jemand hatte alles beiseite geschafft. Es war Dienstag und Friedensgebet: Sollte ich die Wahrheit sagen? Wenn das publik geworden wäre, hätte es zu massiven Ausschreitungen kommen können, befürchtete Jürgen Sando damals. Deshalb bin ich bis heute ruhig geblieben. Daraufhin herrschte fast atemlose Stille in der Kirche. Abschließend forderte Sando alle IMs auf, den Mut aufzubringen und sich zu entschuldigen. Dann sei es leichter, das Thema abzuhaken.
Dr. Günther Strohbusch beschwor: Dieser Herbst darf nicht vergessen werden. Denn solche Tendenzen sehen wir schon wieder. Natürlich konnte man in der DDR auch leben. Verhaltensvorschriften sorgten sofern man sich daran hielt für einen glatten Verlauf. Aber das Eingesperrtsein, die Mühen des täglichen Lebens, das ständige Lavieren zwischen Anpassung und Distanz hatten die Menschen irgendwann über, erinnerte er. Schließlich gingen in Meiningen 25 000 Menschen auf die Straße. Auch wenn bis heute nicht alle Träume in Erfüllung gingen, sei die Wiedervereinigung ein Geschenk. Er zeigte sich optimistisch, dass wir die vor uns liegenden Hürden meistern werden. Pfarrer i. R. Martin Hoffmann hob die besondere Rolle der Friedensgebete hervor.
Ein solches gab es am Schluss der Veranstaltung, gemeinsam gehalten von Superintendent Wolfram Hädicke und Pfarrer Christoph Knoll. Die Kirchentüren stehen offen, lud Knoll zur Teilnahme an den folgenden Gebeten ein. Auch wen vieles erreicht wurde. Heute gehe es um die Bewahrung des Lebens insgesamt. Deshalb werden auch heute Friedensgebete gebraucht, sagte Hädicke. (geb)