Mehr als ein Würzmittel Gerne noch etwas Senf dazu?

Angela Stoll
Schmeckt nicht nur zur Weißwurst, ist auch gesund: Senf. Foto: imago//ernd Juergens

Die Schärfe macht’s: In der würzigen Paste stecken Stoffe mit viel gesundem Potenzial – ähnlich wie in Meerrettich und Kresse. Und Senfmehl lässt sich auch äußerlich anwenden.

 
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Welches Andenken bringt man aus Dijon mit? Natürlich den weltberühmten Senf! Wer sich im vergangenen Sommer mit der Spezialität eindecken wollte, musste allerdings mit einer Enttäuschung rechnen. Wegen Ernteausfällen in Kanada war Dijon-Senf so rar geworden, dass er zwischenzeitlich vergriffen war. Auch Deutschland, hieß es, könnte eine Senf-Krise bevorstehen – hier in Folge des Ukraine-Kriegs. Derzeit sei die Lage jedoch entspannt, beruhigt der Lebensmittelverband Kulinaria.

Zugegeben: Ein Verzicht auf Senf wäre nicht existenzbedrohend. Aber immerhin handelt es sich um ein Würzmittel, das auch in Deutschland zum Alltag gehört, sei es als klassische Beigabe zur Wurst oder als Soßenwürze. Im Jahr verspeist der Durchschnittsbürger etwa 850 Gramm der gelben Paste.

Je mehr Senfsaat enthalten ist, desto besser

Geht es um die Gesundheit, dürfte es ruhig auch mehr sein. „Ganz pauschal kann man sagen: Für Menschen, die keine Einschränkungen – etwa einen empfindlichen Magen oder Allergien – haben, ist Senf gesund“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Gabriele Kaufmann vom Bundeszentrum für Ernährung in Bonn. „Wer ihn verträgt, darf sich ruhig eine Extraportion einverleiben, gern auch täglich.“

Die Würzpaste wird aus den Samenkörnern der Senfpflanzen hergestellt. Davon gibt es ganz unterschiedliche Arten, die eines gemein haben: Alle gehören zur Familie der Kreuzblütler. Verarbeitet werden üblicherweise Samen des Schwarzen, Braunen und Weißen Senfs. Aus der Saat, Wasser, Essig, Salz, Gewürzen und eventuell Zucker wird eine Masse hergestellt, die je nach Rezept scharf ausfällt wie beim Dijon-Senf oder süß wie beim Weißwurst-Senf. „Es ist gut, sich immer die Zutatenliste anzuschauen“, rät Kaufmann. „Je mehr Senfsaat enthalten ist, desto besser.“

In alten Ayurveda-Schriften werden Senfrezepturen als Heilmittel empfohlen

Senf hat eine lange Tradition. Schon vor Jahrtausenden wurden die Pflanzen in Asien angebaut. Aus Indien weiß man, dass sie nicht nur als Würzmittel dienten. In alten Ayurveda-Schriften werden Senfrezepturen zum Beispiel als Heilmittel bei Gelenkschmerzen, Husten und Erkältungen empfohlen. Tatsächlich ist inzwischen wissenschaftlich belegt, dass in der Senfsaat Stoffe mit viel gesundem Potenzial stecken: nämlich Senfölglykoside, die für den scharfen Geschmack verantwortlich sind.

Substanzen dieser Art, auch Glucosinolate genannt, kommen bei Kreuzblütlern wie Meerrettich, Kresse und Kohl vor und dienen der Pflanze zur Abwehr von Fraßfeinden und Krankheitserregern. Wird das Gewebe der Pflanze verletzt – etwa durch einen Tierbiss – werden die scharfen Senföle freigesetzt. „Diese Scharfstoffe haben tolle Wirkungen. Sie sind unter anderem antibakteriell, antiviral und entzündungshemmend“, sagt der Ernährungsmediziner Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin. Für Kapuzinerkresse und Meerrettich gibt es Studien, die diese Wirkungen belegen. Für Senf liegen dagegen nicht viele wissenschaftliche Daten vor, räumt er ein. „Ich gehe aber davon aus, dass die Ergebnisse übertragbar sind.“ Abgesehen davon wirkt Senf – wie andere scharfe Gewürze – verdauungsanregend. „Es ist daher absolut sinnvoll, zur Wurst Senf zu essen“, meint Michalsen – vorausgesetzt, der Magen verträgt so viel Würze.

Senföle sollen noch mehr Effekte haben. So gibt es Hinweise, dass sie unter anderem antidiabetisch wirken, krebshemmende Eigenschaften haben sowie vor oxidativem Stress schützen. Die meisten Studien dazu wurden jedoch im Labor durchgeführt. Wie die Substanzen genau im Menschen wirken und wie viel man für die positiven Effekte zu sich nehmen müsste, ist offen. „Es gibt keine Faustregel nach dem Motto: zwei Esslöffel täglich“, sagt Kaufmann.

Einige Inhaltsstoffe sollen aber bedenklich sein

Außerdem unterscheiden sich die Inhaltsstoffe von Sorte zu Sorte deutlich. In scharfen Sorten werden mehr braune und schwarze Samen verarbeitet, die einen hohen Gehalt des Glykosids Sinigrin haben. Für milden Senf verwendet man eher helle Samen, die Sinalbin freisetzen. Dieses Senfölglykosid kann neben nützlichen offenbar auch unangenehme Eigenschaften entfalten: So geht man beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) davon aus, dass daraus bei der Senfherstellung Bisphenol F gebildet werden kann. Diese Substanz ist noch wenig untersucht, aber Wissenschaftler vermuten, dass sie wie das bekanntere Bisphenol A hormonwirksam und daher bedenklich ist. Um zu beurteilen, ob von Senf diesbezüglich wirklich Risiken ausgingen, lägen aber zu wenig Daten vor, heißt es bei der Behörde.

Ein anderer Inhaltsstoff, der Probleme bereiten kann, ist die Omega-9-Fettsäure Erucasäure. Bei Tieren, die viel davon fraßen, zeigten sich krankhafte Veränderungen am Herzen. Deshalb darf Senf als Würzmittel in der EU nicht mehr als 3,5 Prozent von der Fettsäure enthalten. Für Senföl gilt ein Höchstgehalt von fünf Prozent. Abgesehen davon kann Senf – wie andere Korbblütler – Allergien auslösen.

Fußbad mit Senfmehl

Anwendung
Man kann Senf auch äußerlich anwenden: „Für ein Fußbad gibt man ein bis zwei Esslöffel Senfmehl ins warme Wasser“, sagt der Naturheilkundler Andreas Michalsen. „Dadurch wird die wärmende Wirkung verstärkt.“

Wirkung
Die Zutat wirkt durchblutungs- und kreislaufanregend und wird in der Naturheilkunde etwa angewandt, um eine heraufziehende Erkältung abzuwehren. Auch bei Kopfschmerzen und rheumatischen Erkrankungen soll das Fußbad lindernd wirken. Aber: „Bei äußeren Anwendungen muss man sehr vorsichtig sein und auf Verbrennungszeichen achten. Die Haut wird schnell knallrot“, sagt Michalsen. Die Scharfstoffe sind stark reizend – wirkt Senf zu lang ein, können sich Brandblasen bilden. (ast)

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