MDR-Musiksommer Lyniv in Suhl

Oksana Lyniv dirigiert das Abschlusskonzert des MDR-Musiksommers in Suhl. Foto: frankphoto.de/K.-H. Frank

An dieses Konzert wird man noch zurückdenken: Oksana Lyniv, gerade als erste Frau überhaupt am Pult im Bayreuther Festspielhaus gefeiert, dirigierte am 4. September das MDR-Orchester in Suhl. Die junge Ukrainerin ist auf dem Weg an die Welt-Spitze.

 
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Es wäre, ohne die Regeln der Pandemie, Beethovens Neunte gewesen. Aber sei’s drum: Großer Chor und vier Solisten – das erschien dem MDR dann doch zu riskant für das Abschlusskonzert seines diesjährigen Musiksommers in Suhl – gleichzeitig der Auftakt zur „Zauber der Musik“-Reihe 20/21. Dass dieses Konzert dem Publikum dennoch in Erinnerung bleiben wird, ist der „Pastorale“ zu verdanken, Beethovens ländlicher, sinfonischer Schöpfung. Und natürlich der Dirigentin, der noch zu Sowjetzeiten bei Lemberg in der heutigen Ukraine geborenen und aufgewachsenen Oksana Lyniv. Die hatte der MDR bereits für den Musiksommer verpflichtet, da war ihr der Ruf aus Bayreuth noch gar zu Ohren gekommen.

Und so hatte sie, als sie am Samstagabend in Suhl ans Pult trat, bereits Festival-, wenn nicht gar Weltgeschichte geschrieben: Als erste Frau der Festivalgeschichte überhaupt am Pult auf dem Grünen Hügel – sie dirigierte Wagners „Fliegenden Holländer“. Aber verwundert das wirklich? Oksana Lyniv assistierte vier Jahre lang bei Kirill Petrenko in München, der bekanntlich auch in Meiningen Spuren hinterließ. Er war es, der den Weg vorzeichnete, der Oksana Lyniv nun an die Weltspitze führen wird. Das spürt das Publikum, so elegant, so dynamisch, so zielstrebig und so kraftvoll, wie die Ukrainerin in Suhl am Pult agiert. Und das ahnte wohl auch der MDR, der dieses Konzert extra für das Fernsehen und den Hörfunk in Suhl aufzeichnete – als einen Meilenstein in der Geschichte des 30-jährigen Musiksommers und des MDR-Orchesters überhaupt.

Nun also Beethovens Sechste, die Ländliche, die Sinfonie voller Glückseligkeit für den Wiener Komponisten. Die mit den wunderschönen, den idyllischen Motiven, die von einer Sehnsucht nach Natur und dem Leben auf dem Land erzählen. Lyniv lässt das Orchester diese Idylle nachspüren, zärtlich in manchen Momenten, aber niemals gewillt, sich irgendwo auch nur einen Augenblick länger als nötig aufzuhalten. Mit Tempo folgt sie den Motiven, versessen darauf, den Zuhörer immer wieder aufs Neue mit dieser Fülle an Eindrücken zu überwältigen, die dann – natürlich – in das tosende Gewitter münden. Das Lärmen und Krachen von Blitz und Donner, das unheilvolle Rumoren des Sturms – was Lyniv da bietet, ist Extraklasse. Und erinnert unwillkürlich an die legendären Beethoven-Einspielungen mit Paavo Järvi und der Bremer Kammerphilharmonie.

Natürlich befriedet sich der Sturm – und Beethoven kostet die „dankbaren Gefühle“ danach elegisch aus. Oksana Lyniv aber ist eine Dirigentin, die hier eher dem Licht der Sonne nach dem Gewitter strahlenden Glanz verleiht, als dem Gefühl der Dankbarkeit allzu sehr nachzuhängen. Sie sucht die Kraft in Beethovens Musik, weniger die stille Berührung. Und trotzdem ist da eine überwältigende Faszination. Was für ein großartiger Moment da im CCS!

Eine andere Überraschung dieses Konzerts ist die zeitgenössische Komposition „l’annonciation“ von Lynivs Landsmann Yuri Laniuk – ein Werk für gemischten Chor, Orchester und Solo-Violine, das der MDR in Suhl als deutsche Erstaufführung auf die Bühne bringt. Nicht wenige im Publikum sind am Ende gerade von diesem Stück begeistert, obwohl es zeitgenössische Musik im Orchester-Repertoire gewöhnlich nicht leicht hat. Aber auch hier ist eine klangliche Faszination, die Lyniv überzeugend zu formen versteht.

Nicht ganz so leicht machte es sich die Dirigentin mit den Stücken am Anfang des Programms: „Meeresstille und glückliche Fahrt“ – von Mendelssohn und Beethoven. Beide sind für das Konzert nicht wirklich glücklich gewählt, weil eine Klammer fehlt. Entsprechend zurückhaltend reagiert das Publikums. Am Schluss lässt es sich von der Dirigentin zu Standing Ovations hinreißen.

Die Aufzeichnung des Konzerts ist am 9. September, 23.10 Uhr, im MDR zu sehen, am 10. September, 20.05 Uhr, bei MDR Klassik zu hören und außerdem in der ARD-Mediathek abrufbar

Nächstes MDR-Konzert in Suhl: Am 4. Dezember sind MDR-Kinderchor und Sinfonieorchester zu Gast

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