Ein Teil der Carolabrücke in Dresden stürzt in die Elbe. Das facht die Diskussion um den Zustand der Straßen und Brücken in Deutschland an, Kritik wird laut. Wie geht es jetzt weiter? Und: Wie sicher sind Deutschlands Brücken?
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Als Reaktion auf den teilweisen Einsturz der Dresdner Carolabrücke wird mit Besorgnis über den Zustand der Brücken in Deutschland diskutiert. Forderungen nach weitreichenden Investitionen werden laut. In der sächsischen Landeshauptstadt muss zudem geklärt werden, wie der Wiederaufbau der wichtigen Verkehrsader gelingen kann: Die Haushaltslage der Stadt gilt derzeit als äußerst angespannt.
Was war die Ursache für den Brückeneinsturz in Dresden?
In der Nacht zu Donnerstag (11. September) stürzte ein etwa 100 Meter langes Stück der Carolabrücke, über das Straßenbahngleise sowie ein Fuß- und Radweg führten, in die Elbe. Verletzt wurde niemand. Auch der Rest der Brücke gilt nun als einsturzgefährdet.
Die Ursache war zunächst unklar, die Polizei geht aber nicht von einer Fremdeinwirkung aus. Eine Anfangsvermutung sei, dass Korrosion einen wesentlichen Beitrag zum Einsturz geleistet habe, erläutert Steffen Marx, Professor am Institut für Massivbau an der TU Dresden. Die Arbeiten würden sich aktuell darauf fokussieren, einen verkehrssicheren Zustand herzustellen, so Marx.
Wie ist der Zustand der Brücken in Deutschland?
Brückenexperte Martin Mertens kritisiert den schlechten Zustand vieler Großbrücken in Deutschland. „Grundsätzlich kann man sagen, dass bei den Großbrücken alle Brücken, die vor 1980 gebaut worden sind, unsere Problempatienten sind“, sagt der Professor von der Hochschule Bochum. Das seien wegen des regelrechten Baubooms nach dem Zweiten Weltkrieg leider die meisten. Die Politik müsse reagieren. „Dresden zeigt ganz klar: Es ist fünf nach zwölf.“
Laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) ist der Zustand der „Brückenflächen“ bei über zwölf Prozent „sehr gut“ oder „gut“, bei etwa 75 Prozent „befriedigend“ oder „ausreichend“.
Bei fast elf Prozent ist der Zustand demnach „nicht ausreichend“, bei knapp zwei Prozent sogar „ungenügend“. Das bedeutet: „Die Standsicherheit oder Verkehrssicherheit ist nicht mehr gegeben“, erklärt die Bundesbehörde.
Wie steht es um die Verkehrsinfrastruktur?
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert wegen des schlechten Zustands der Brücken eine „Investitionsoffensive Infrastruktur“. Den Kommunen fehlten die finanziellen Mittel für die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten, betont Hauptgeschäftsführer André Berghegger. „Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden macht auf erschreckende Weise deutlich, dass Deutschland von der Substanz lebt.“
Auch der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Wolfgang Schubert-Raab, hält laut einer Mitteilung Investitionen für dringend nötig. Den Einsturz in Dresden bezeichnet er als „trauriges Symbol der deutschen Infrastruktur“, das den dringenden Handlungsbedarf vor Augen führe.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie pocht nach dem Teileinsturz darauf, der Sanierung von Brücken in Deutschland oberste Priorität einzuräumen. „Der Vorfall zeigt eindrücklich, wie hochsensibel unsere Verkehrsinfrastruktur ist und welchen wichtigen Part unsere Brücken übernehmen“, erklärt Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Das Augenmerk auf diese Schlagadern müsse oberste Priorität haben. „Das ist eine politische Aufgabe und gesellschaftliche Verpflichtung.“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat in der Haushaltsdebatte im Bundestag darauf hingewiesen, dass 2025 mehr als neun Milliarden Euro für Investitionen in Bundesfernstraßen und Brücken bereitstünden. Mit Blick auf den Einsturz der Carolabrücke in Dresden erläuterte er, sie stehe in kommunaler Verantwortung und habe deswegen mit dem Bundeshaushalt nichts zu tun. „Aber man sieht an dieser Brücke, wie gefährlich es ist, wenn in Infrastruktur nicht sorgfältig investiert wird.“
Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) gibt es in Deutschland rund 39 500 Brücken an Bundesfernstraßen – das heißt Autobahnbrücken und Brücken an Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten.
Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) werden die Bauwerke je nach Bauart und Brückenquerschnitt in Teilbauwerke untergliedert. Insgesamt sind rund 51 360 Brücken-Teilbauwerke mit einer Gesamtfläche von über 30 Millionen Quadratmetern zu betreuen.
Die Gesamtlänge beträgt demnach mehr als 2100 Kilometer, was etwa der Strecke von Flensburg bis Neapel entspricht.
Wie werden Schäden an Brücken eingeteilt?
Die Zustandsnote bildet nach BAST-Angaben die Grundlage für die weitere Erhaltungsplanung der jeweiligen Brücken.
Eine Zustandsnote „nicht ausreichend“ bedeutet demnach aber nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerkes, sondern sei vielmehr ein „Indikator“ dafür, dass „in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme“ notwendig sein wird.
Ein „ungenügender“ Zustand weist zwar auf eine beeinträchtigte oder nicht mehr gegebene Stand- oder Verkehrssicherheit einer Brücke hin, kann aber auch auf geringere Schäden zurückzuführen sein. So können zum Beispiel fehlende Gitterstäbe im Geländer oder schadhafte Abdichtungen am Asphaltbelag der Brücke Gründe für eine schlechte Beurteilung des Bauwerks durch die Prüfer sein.
Ab wann besteht Sanierungsbedarf?
Der Bundesbehörde zufolge besteht in solchen Fällen „dringender Handlungsbedarf“, um eine Sperrung zu verhindern. Wenn etwa bei einer routinemäßigen Bauwerksprüfung Mängel festgestellt werden, so würden sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um die erforderliche Sicherheit für den Verkehr auch weiterhin zu gewährleisten.
Die meisten der rund 140 000 Straßenbrücken sowie kapp 40 000 Fernstraßenbrücken in Deutschland stammen noch aus den 1960er und 1970er Jahren. Mittlerweile ist das Problem der maroden Brücken-Infrastruktur erkannt und Bund und Länder investieren jetzt mehr Geld, um Fahrbahnen und kaputte Brücken auf Vordermann zu bringen.
Wie wird eine Brücke geprüft?
Optische Prüfung: Zuerst müssen die Experten klären, welche Schäden etwa nach einem Unfall auf einer Brücke vorliegen. Dafür schaut sich der Sachverständige die Brücke genau an und stellt fest, ob die Lager beschädigt sind oder die Konstruktion, sofern sie aus Stahl besteht, verbogen wurde. Nach dieser ersten optischen Prüfung kann man recht gut beurteilen, ob die Standsicherheit eines Bauwerks gefährdet ist.
Materialien: Die für den Brückenbau verwendeten Materialien – Stahl oder Beton – sind von großer Bedeutung. Bei Stahlbrücken sieht man die Schäden schon von außen. Bei Stahlbeton können die Schäden auch im Kern der Brücke liegen, beispielsweise wenn es zu Verformungen im Innern des Materials gekommen ist. Die Risse werden sich auch außen zeigen. Wie weit sie nach innen gehen, müssen Sachverständige genauer überprüfen.
Kernbohrung und Monitoring: Um die Schäden an einer Brücke genauer zu untersuchen, werden zum Beispiel Kernbohrungen durchgeführt werden. So kann man feststellen, wie tief die Risse im Baumaterial sind. Es gibt auch ein Monitoring, um Schäden festzustellen. Dabei misst man Deformationen, Veränderungen der Form oder der Dimension eines Bauobjekts. Mit Hilfe spezieller Instrumente werden Verschiebungen oder Bewegungen des Bauwerks in Lage und Höhe untersucht.
Wie lange dauert eine solche Überprüfung?
Das kann länger dauern, je nachdem wie schwer die Schäden an der Konstruktion sind. Wenn gravierende Schäden vorhanden sind, muss geklärt werden, inwieweit die Standsicherheit der Brücke beeinträchtigt ist. Solche Prüfungen gehören zu den normalen Aufgaben von Ingenieurbüros, die sich mit Stahl und anderen Materialien befassen.
Der Sachverständige muss klären, ob eine Gefahrensituation vorliegt und wie gravierend sie ist. Dafür muss klar sein, wie stark die Wucht des Aufpralls war. Das kann man auch etwa anhand der Schäden an einem havarierten Schiff feststellen.
Möglicherweise wird die Brücke dann für den Autoverkehr gesperrt, aber Schiffe dürfen weiterhin durchfahren. Diese Entscheidung kann nur der Gutachter vor Ort treffen. Der Sachverständige hat auf jeden Fall zu klären, ob und welche Schäden entstanden sind, die den Schiffs- und Autoverkehr gefährden.
Wie oft werden Brücken kontrolliert?
In Deutschland existiert ein ausgeklügeltes Prüfsystem für Brücken. Die Bauwerksprüfung hat einen hohen Stellenwert, so dass niemand Angst haben muss, über eine Autobahnbrücke zu fahren.
Die Brücken in Deutschland werden intensiv begutachtet. Alle sechs Jahre gibt es eine Hauptprüfung, dazwischen nach drei Jahren eine einfache Prüfung. Es gibt laufende Beobachtungen und Besichtigungen. Die Bauwerke sind also unter ständiger Kontrolle von Bauwerksprüfingenieuren. Wenn irgendwo die Gefahr besteht, dass etwas passieren könnte, wird die betroffene Brücke sofort gesperrt.
Wer ist für die Sicherheit von Brücken zuständig?
Das sind die Straßenbauverwaltungen der Länder, Kommunen und Gemeinden. Die zuständigen Behörden haben eigene Prüfer. Es gibt aber auch externe Prüfer (ungefähr 2000 Experten), die sich um die Brücken in Deutschland kümmern.
Das Bundesverkehrsministerium hat die Verwaltung der Brückenbauwerke der Bundesfernstraßen, also der Bundesautobahnen und Bundesstraßen, in die Hoheit der Länder und deren Landesbehörden für Straßenbau und Verkehr abgegeben. Hinzu kommt das gesamte Netz der Kreisstraßen, Kommunalstraßen und so weiter. Für diese Bauwerke sind ebenfalls Baulastträger zuständig, die für all das sensibilisiert sind, was die Sicherheit von Brücken betrifft.