Maaßen und Antisemitismus Maaßen-Debatte zwischen Ironie und Rücktritt

Seine provokante Lästerei über Annalena Baerbock sorgte für Empörung: Hans-Georg Maaßen Foto: frankphoto.de/Bastian Frank

Mit beißender Ironie nimmt Hans-Georg Maaßen nun auch Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock aufs Korn und erntet massenhaft Empörung. Mit dem leicht misszuverstehenden Posting auf Twitter gießt der CDU-Bundestagskandidat zusätzliches Öl ins Feuer der Debatte um seinen möglichen Antisemitismus. Derweil sehen seine Anhänger aus der Südthüringer CDU nicht Maaßen, sondern den jüdischen Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer als Übeltäter.

 
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Suhl/Erfurt - Transportiert der Südthüringer CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen insgeheim antisemitische Vorurteile? Die Debatte über diese Vorwürfe aus dem rot-rot-grünen Lager hielt auch am Wochenende an. Neuen Zündstoff erhielt sie durch einen provokanten, offenbar ironisch gemeinten Beitrag Maaßens auf Twitter.

„Annalena Charlotte Alma Baerbock = ACAB = All Cops Are Bastards. Zufall oder Chiffre?“, hatte Maaßen am Samstagabend in einem Kommentar geschrieben, der sich auf einen Artikel in der „Welt“ bezog. Dort wurde über die Forderungen der Grünen-Spitzenkandidatin nach einer Überprüfung aller deutschen Sicherheitsbehörden auf Verfehlungen in der NSU-Mordserie und auf rechtsextreme Umtriebe berichtet. „ACAB“ („Alle Bullen sind Bastarde“) ist ein von Linksradikalen benutzter polizeifeindlicher Spruch, der zufällig mit den Initialen des vollen Namens Baerbocks übereinstimmt.

Maaßen wollte wohl darauf anspielen, dass seine Kritiker ihm zwar keine direkt antisemitischen Äußerungen vorwerfen, aber hinsichtlich Wortwahl und Kontext einiger seiner Reden und Texte von „Chiffren“ sprechen, also von versteckten, aber eindeutigen Botschaften und Signalwörtern, die vom Publikum als antijüdische Verschwörungstheorien erkannt werden. Also so, wie auch „ACAB“ als Code interpretiert wird. Maaßens Tweet löste noch in der Nacht eine Welle wütender Proteste von Nutzern auf Twitter aus, die seine Äußerung vielfach „unfassbar“ und „diffamierend“ nannten. „Was stimmt mit Ihnen nicht? Sie sollten auf keinen Fall Politik machen dürfen“, schriebt einer. Binnen Stunden kamen 3000 Kommentare zusammen. Der Satiriker Jan Böhmermann schrieb: „Dieser Tweet des vollkommen irren ehemaligen Chefs des deutschen Inlandsnachrichtendienstes und Thüringer CDU-Bundestagsdirektkandidaten ist ganz bestimmt kein Zufall, sondern: Chiffre.“ Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak distanzierte sich von Maaßens beißendem Spott.

Zum Kontext gehört, dass die Grüne Baerbock im Netz zigtausendfach Opfer von Falschmeldungen, Beleidigungen und Verschwörungsmythen ist, und zwar vor allem aus dem politischen Lager, das auch Maaßen freundlich gesonnen ist. Umgekehrt zielt Baerbocks in der „Welt“ verbreitete Kritik an den Sicherheitsbehörden auch auf den ehemaligen Chef des Bundes-Verfassungsschutzes, dessen Amtszeit nach dem Auffliegen der NSU-Mordserie begann.

Kurz nach Mitternacht bedankte sich der CDU-Politiker – wieder ironisch und bissig – bei den „lieben genossen“ „für das großartige Feedback“ innerhalb so kurzer Zeit. „So ein Tweet ist ein richtiger Honeypot für grün-linke Hetzer“, schrieb Maaßen. Auch hier wieder provokant: Als „Honeypot“ („Honigtopf“) bezeichnen Geheimdienstler Veranstaltungen oder Veröffentlichungen, die sie nur deshalb erstellen, um damit gutgläubige Extremisten anzulocken und sie damit zu überführen.

Maaßen hatte immer wieder beteuert, er sei nicht antisemitisch, sondern im Gegenteil Israel-freundlich. Antisemitismus wird nach seiner Ansicht in Deutschland vor allem von muslimischen Zuwanderern verbreitet, wofür wiederum das – seiner Meinung nach israelfeindliche – linke Lager blind sei.

Unterdessen forderten die CDU-Landtagsabgeordneten Michael Heym und Henry Worm die Entlassung des Thüringer Verfassungsschutzchefs Stephan Kramer (SPD). Dieser sei „fachlich und charakterlich völlig ungeeignet“. Kramer hatte Maaßen ebenfalls die absichtsvolle Verwendung antisemitischer Codes sowie eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungstheorien vorgeworfen. Nach Ansicht Kramers geht Maaßen damit auf Stimmenfang im extrem rechten Milieu. Kramer ist selbst Jude und hatte vor seiner Zeit als Thüringer Verfassungsschutzchef Ämter beim Zentralrat der Juden inne. Im Wahlkreis Ilm-Kreis/Gotha, einem Nachbarwahlkreis desjenigen von Hans-Georg Maaßen, wollte er zunächst für die SPD zur Bundestagswahl antreten, zog aber die Kandidatur wieder zurück.

Die CDU-Politiker Heym und Worm sehen im Maaßen-Ankläger Kramer nun den Schuldigen. Der SPD-Politiker bediene sich bei seiner Kritik „derselben Interpretationsverfehlungen wie andere vor ihm“, heißt es in einer Erklärung der beiden Maaßen-Unterstützer. Kramers Behauptungen seien nicht belegbar. Als Chef einer sensiblen Landesbehörde habe er politische Neutralität zu wahren. „Entweder hat Innenminister und SPD-Landesvorsitzender Georg Maier seinen obersten Verfassungsschützer nicht mehr im Griff, oder er billigt wohlwollend dessen Treiben zu Wahlkampfzwecken“ sagte Heym. Kramer sei nach einer Kette von Verfehlungen nicht mehr tragbar. „Innenminister Maier muss ihn entlassen“, so die Forderung. „Wenn Herr Kramer Politik machen will, hätte er Kandidat für der Bundestag bleiben können, aber da er die Aussichtslosigkeit dieser Kandidatur wohl selbst erkannt hat, versucht er offenbar rechtswidrig aus seinem Amt heraus Schützenhilfe für seine abgemagerte SPD zu leisten,“ sagte Heym.

An diesem Dienstag, so heißt es aus der CDU, wolle Hans-Georg Maaßen die Synagoge in Berkach im Grabfeld besuchen, das einzige jüdische Gotteshaus in Südthüringen.

Der bundesweit auch in seiner Partei umstrittene Maaßen tritt als Direktkandidat der CDU im Bundestagswahlkreis 196 (Suhl/Schmalkalden-Meiningen/Hildburghausen/Sonneberg) an. Da er wahrscheinlich nicht auf die CDU-Landesliste gesetzt wird, zöge er nur mit einem Erststimmen-Sieg in den Bundestag ein. Wenn es nach ihm gehe, würde das dafür verantwortliche Verhältniswahlrecht abgeschafft. Es wäre direkter und demokratischer und könnte Protestwahlen verhindern, wenn jeder Politiker direkt in einem Wahlkreis die Mehrheit der Stimmen erhalten müsste, um zu gewinnen, sagte Maaßen am Samstag der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Je mehr ich mich mit Parteipolitik beschäftige, desto mehr bin ich der Auffassung, dass wir das Verhältniswahlrecht, und damit die Landeslisten von Parteien, abschaffen sollten.“ Die Politiker müssten sich den Bürgern stellen, und zwar in ihrem Wahlkreis vor Ort: „Wenn sie die Bürger vor Ort nicht überzeugen können, dann sollen sie auch nicht ins Parlament einziehen.“ er

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