Literaturwerkstatt Autoren stellen ihre Werke vor

Jürgen Körber
Mitglieder der Lyrikgruppe unter Leitung von Christine Hansmann-Retzlaff (rechts) bei ihren Vorträgen. Foto: Jürgen Körber

Zur 34. Südthüringer Literaturwerkstatt hatte der Südthüringer Literaturverein nach Bernshausen eingeladen. Am Sonntag wurden die Ergebnisse in einer öffentlichen Lesung vorgestellt.

 
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Bereits zum dritten Mal in Folge war das Familien- und Freizeithotel „Rhön Feeling“ in Bernshausen Gastgeber der Südthüringer Literaturwerkstatt, die vom 1990 gegründeten Südthüringer Literaturverein jährlich veranstaltet wird. Was die Vereinsmitglieder in erster Linie antreibt, ist in der Satzung nachzulesen, wonach der Zweck des Vereins „in der Förderung literarisch tätiger und interessierter Bürger, die sich dem künstlerischen Wort verbunden fühlen“ besteht, „zum Beispiel in der Unterstützung von Schreibenden durch Lektorierung ihrer Arbeiten“. Gesellschaftlicher Hintergrund der Vereinsgründung war, den zahlreichen Schreibenden der Region eine neue Begegnungsmöglichkeit zu schaffen. Dabei blieb der Verein bewusst eine Plattform für haupt- und nebenberufliche Autoren. Hauptansprechpartner waren und sind „Nebenberufs-Autoren“, die hier Rat für ihre Texte finden, Kontakte knüpfen können und Tipps für Veröffentlichungsmöglichkeiten sowie Vorlesegelegenheiten in der Öffentlichkeit erhalten.

Der Literaturverein, der seit seiner Gründung vom Dichter und Lyriker Holger Uske (Suhl) geleitet wird und aktuell 25 Mitglieder zählt, vereint Autorinnen und Autoren aus Thüringen, Franken, Hessen und Rheinland-Pfalz, veranstaltet Vereinstreffs in verschiedenen Regionen und öffentliche Lesungen. Er unterstützt literarische Aktionen wie den „Provinzschrei“ und fördert junge Autoren. Darüber hinaus ist der Verein bekannt für seine Veranstaltungsreihe „Literatursalon“, Buchpublikationen und Beiträge in regionalen Tageszeitungen. Zudem gibt es die selbstständig arbeitende Schreibwerkstatt „Zeilensprung“. Der Verein veröffentlicht die Werke seiner Mitglieder im Rahmen von Anthologien und Literaturkalendern.

Seit seiner Gründung im Jahr 1990 veranstaltet der Südthüringer Literaturverein jährlich Werkstatttage, anfänglich in zwei Seminargruppen (Prosa und Lyrik); 2007 kam eine weitere Seminargruppe, die Jugendgruppe, hinzu. In den Gruppen werden die in jüngster Zeit entstandenen Texte diskutiert und lektoriert, Schreibaufgaben gestellt und kreatives Schreiben geübt. Traditionell stellen die Teilnehmer der Werkstatttage die besten, frisch entstandenen Werkstatttexte in einer öffentlichen Lesung einem interessierten Publikum vor.

Seit 2021 ist das Familien- und Freizeithotel Rhön-Feeling in Bernshausen das neue Veranstaltungsdomizil für die Literaturwerkstatt-Tage des Südthüringer Literaturvereins. In diesem Jahr fungierten die Jenaerin Natalie Ewald (24), Christine Hansmann-Retzlaff (62) aus Weimar und André Schinkel (50) aus Halle zum wiederholten Male als Seminarleiter. Während Natalie Ewald, die aktuell an der Uni in Jena auf Gymnasial-Lehramt für Englisch und Geschichte studiert, für die sechsköpfige „Jugendgruppe“ verantwortlich zeichnete, leitete Christine Hansmann-Retzlaff, die 25 Jahre lang Opernsängerin am Deutschen Nationaltheater Weimar war und seitdem als Autorin, Rezitatorin und Sprecherin aktiv ist, die „Lyrikgruppe“ mit sieben Teilnehmern. Die neun Mitglieder der „Prosagruppe“ wurden von André Schinkel angeleitet, der als Autor, Lektor und Redakteur arbeitet, zu den Gründungsmitgliedern der Akademie der Künste in Sachsen-Anhalt gehört und seit 2005 Redaktionsleiter der Literaturzeitschrift „oda“ (Ort der Augen) ist.

Am Sonntag präsentierten die 22 Autoren und die Seminarleiter dann in einer literarischen Matinee ihre zum diesjährigen Thema „Nach Süden“ am Werkstattwochenende geschaffenen Werke, die sich durch ein bemerkenswert hohes literarisches Niveau und eine erfrischende Vielfältigkeit auszeichneten. Dass die generationsübergreifende Autorenschar mit Freude bei der Sache war und ist, wurde während der unterhaltsamen Lesung deutlich. Ernste und zum Nachdenken anregende, aber auch lebensbejahende und lustige Texte gehörten zum Ergebnis der Literaturwerkstatt, die die Individualität der Autoren spürbar werden ließ.

Vereinsvorsitzender Holger Uske brillierte sowohl als Moderator als auch als Autor. In seinem „Traum vom Süden“ stellte er unter anderem fest, „von der Ostsee aus betrachtet – der Süden waren wir – Wälder, Berge, Wanderungen, Bratwurst, Waldmeister-Limo …“

Die Aufgabe „Stell dir vor, du kommst nach Hause, der Schlüssel passt nicht und da ist ein fremdes Namensschild“ war sichtlich fantasieanregend und führte zu interessanten Interpretationen der Schreibenden.

Annika Daub erbrachte mit „Sehnsucht“ und „Stille Trommeln“ den Beweis, dass auch kurze Texte begeistern können; Sandro Eberwein brachte mit seiner Fluchtbeschreibung „Übers Meer“ die Zuhörer zum Nachdenken; Jessica Eichhorn sorgte mit ihren erfrischend vorgetragenen Gedanken zur „Stille(n) Post“ und zur „Dorfromantik“ für viel Beifall; Natalie Ewald berichtete anschaulich davon, dass ihr Lebenskompass offensichtlich ein „Mängelexemplar“ ist und offenbarte ihre Gedanken zum „Spiel der Zeit“. Josephine Möhring versuchte sich mit Erfolg an der anspruchsvollen Aufgabe, aus einzelnen Wörtern einen Text zu kreieren und Iris Friebel beeindruckte mit ihrem historisch unterlegten Beitrag zur Geschichte der Michaeliskirche in Rohr, wo im Juni 984 auf dem Reichstag in Rohr durch Heinrich den Zänker das geraubte Kind Otto III. seiner Mutter Theophanu und seiner Großmutter Adelheid zurückgegeben wurde und der mit ihrem Gnadenerweis verbundenen Botschaft mit aktuellem Bezug, „größer als der Hader muss der Friede sein“.

Die Lyrikgruppe begeisterte die Zuhörer unter anderem mit ihren „Nonsensgedichten“ und beispielsweise der Erkenntnis: „Immer wieder finde ich mich bei der Begegnung mit mir.“ Aber auch mit ihren „Haikus“ (traditionelle japanische Gedichtform, „kürzeste“ der Welt). Die Prosagruppe unter Leitung von André Schinkel bewies eindrucksvoll mit dem Vortrag von Ulrike Blechschmidt über den „Paradiesvogel“, dass auch unvollendete Texte ihre Reize haben, berichtete von unerwünschten Berührungen im Beitrag „Unerhörte Nähe“, über leider nicht zustande gekommenes „Neues, altes Glück“ und einen offensichtlich stark verwirrten Reiserückkehrer aus Afrika. „Ein überaus produktives, anspruchsvolles Wochenende mit einer wiederum erfolgreichen Literaturwerkstatt, motivierten Autorinnen und Autoren und anspruchsvollen neuen Texten“ – so lautete das Resümee von Holger Uske, der es nicht versäumte, sich im Namen aller Teilnehmer bei der Kulturstiftung Thüringen, ohne deren Unterstützung und Förderung die Durchführung der Literaturwerkstatt nicht möglich wäre, zu bedanken, bevor zum Abschluss das Lied der Gruppe Lift „Nach Süden“ erklang, in dem es im Refrain unter anderem heißt: „Nach Süden, nach Süden wollte ich fliegen. Das war mein allerschönster Traum …“

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