Liedermacherin zu Gast Sarah Lesch, eine mit persönlicher Note

Erik Hande
Sarah Lesch. Foto: Peter Runkewitz

Sarah Lesch ist eine besondere Liedermacherin. eine, die viele persönliche Erfahrungen in ihre Songs packt. Poesie und Politik werden darin eins.

 
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Sie zählt zur Szene moderner Szene deutscher Liedermacher. Sarah Lesch erzählt Geschichten, Poesie und Politik gehen bei der gebürtigen Thüringerin stets Hand in Hand. Ihr letztes Album Der Einsamkeit zum Trotze war im Frühsommer 2020 ein deutliches künstlerisches Statement zum ersten Lockdown während der Corona-Pandemie. Auch ihr neues Album Triggerwarnung enthält klare Botschaften. Am Sonntag, 20. März, kommt die Liedermacherin um 20 Uhr nach Meiningen in das Volkshaus, um das bereits im Herbst vorigen Jahres geplante Konzert nachzuholen.

Frau Lesch, Ihr neues Album trägt den Titel Triggerwarnung. Wie sind Sie auf diesen Titel gekommen?

Im Laufe des Schreibprozesses zum Album habe ich mich mit vielen Themen auseinandergesetzt, die mich länger schon bewegen: Dazu gehören vor allem viele, die auf meinen eigenen traumatischen Erlebnissen beruhen. Diese wollte ich in den Songs benennen, meine Geschichte erzählen und das Schweigen brechen. Dabei wurde mir bewusst, dass dieses Aussprechen viele Betroffene emotional belasten kann. Der Titel steht also ein Stück weit für eine Warnung und gleichzeitig für eine Einladung, sich mit den Themen des Albums auseinander zu setzen.

Welche Themen meinen Sie da konkret?

Konkret geht es um Themen wie sexualisierte und emotionale Gewalt, Bodyshaming, Misogynie, Tod und Trauer, Queer- und Transfeindlichkeit, Polizeigewalt ...

Was hat Sie veranlasst, gerade über diese Themen ein Album zu machen?

Ich bin müde von den Machtstrukturen, die mich seit Jahrzehnten klein halten wollen, mir Lügen ins Ohr erzählen, sodass ich mich immer wieder nicht traute, meine Wahrheit anzusprechen, daran wachsen und mich frei bewegen zu können, ohne übergriffig behandelt zu werden. Aber im Schaffensprozess des Albums ist mir klar geworden: Ich bin damit nicht allein! Es gibt so viele, denen es genauso geht, die unter Gewalt leiden, traumatisiert sind, entmutigt und wütend.

Wütend...?

Ja, das Bewusstwerden der Ungerechtigkeiten und der schieren Gewalt, die mich umgibt, macht mich einfach wütend. Auch, dass die Liebe so wenig Platz hat, weil immer wieder jemand Gewalt ausübt, Schönes nicht wachsen lässt und seine Deutungshoheit auf alles klatscht, was marginalisierte Menschen aufbauen.

Was hoffen Sie nun mit dem Album zu erreichen?

Für alle diese Menschen und mein eigenes jüngeres Ich möchte ich mit diesem Album ein Statement setzen und so laut schreien wie ich nur kann „Du bist nicht allein, wir halten zusammen!“ Wir brauchen jetzt tatkräftige Veränderungen und ein wahres Miteinander. Das wünsche ich mir. Wenn dazu Provokationen, ein Kitzeln und Ansagen nötig sind, dann bitte sehr.

Welchen Anteil hat die Corona-Pandemie an dem Schaffensprozess?

Natürlich war das für mich erst einmal ein Schock: Lockdown – nichts zu tun, Pandemie und Unsicherheit. Da hatte ich aufgrund der ausgefallenen Konzerte mehr Zeit, in mich hinein zu hören und zu überlegen, was ich sagen möchte. So kamen diese Songs zu mir: in der Stille dieser unsicheren Zeit – in einer Altbauwohnung, in der es durch die Ritzen zog. Deshalb kann ich auch sagen, dass ich im Nachhinein sehr dankbar bin für diese Zeit des Stillstands.

Wer stand bei dem fabelhaften Eröffnungsstück „Die Löwin“ Pate?

„Die Löwin“ kam auf leisen Pfoten zu mir im letzten Winter, als ich über die weibliche Kraft nachdachte, viel (er)tragen zu können. Dann kommt aber irgendwann der Moment, an dem die Pranke raus schnellt und sagt: Jetzt ist Schluss! – Ihr seid mir lange genug auf der Nase herumgetanzt. Es geht um die Kraft, seinen eigenen Weg zu gehen und Grenzen dort zu ziehen, wo die Kraft aufgebraucht sind.

Wofür brennen und kämpfen Sie, wie es die Löwin in Ihrem Lied tut?

Dafür, in seiner eigenen Mitte zu bleiben, seinem Gefühl zu trauen und für sich selbst zu sorgen.

„Unten am Fluss“ klingt musikalisch sehr lieblich, taucht inhaltlich aber in dunkle Seelengründe der Trauer. Wer hat Sie zu diesem Lied inspiriert?

Dieses Lied ist meiner wundervollen Omi gewidmet, die 2010 verstorben ist. Ich habe lange nach Wegen gesucht, die Trauer und die Sprachlosigkeit zu verarbeiten und bin sehr froh und stolz darauf, das in diesem Song jetzt geschafft zu haben.

In dem Song „Licht“ geht es um Werte, Frieden, Wahrheit und Sicherheit. Inwiefern haben die Corona-Ereignisse dabei eine Rolle gespielt?

„Licht“ handelt von Beobachtungen, die ich während der Pandemie machen durfte: das Bedürfnis nach einfachen Antworten und die damit verbundene Gefahr, gefährlichen Werten hinterher zu rennen. Aber auch zu spüren, dass das, was jetzt zu sehen ist, ein Problem offenlegt, das uns schon lange beschäftigt: Was ist gelebte Solidarität? Wer hält den Einsamen und Kranken die Hand? Jeder Mensch hat es verdient, Licht und Hoffnung zu spüren.

Ist das Lied „Schweigende Schwestern“ Ihr #MeToo-Statement?

Der Song beruht auf meinen eigenen Erfahrungen, war aber nicht als politisches Statement geplant. Das entwickelte sich erst im Schaffensprozess, als mir bewusst wurde, wie wichtig es ist, dass Betroffene mein Lied hören und spüren, nicht allein mit ihrem Schmerz, ihrer Hilflosigkeit zu sein. Schweigen zementiert die Seele in Beton und freies Sprechen ist der Hammer, der ihn einreißen kann. Wenn das von außen als Beitrag zu #metoo gewertet wird, kann es mir recht sein, denn nichts ist ‚langsam mal gut’, wie es viele bewerten. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns und ich hoffe, dass ‚Schweigende Schwestern’ ein Teil des Weges sein kann.

Interview: Thorsten Hengst

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