Lichtmess in Oberkatz Wenn der Bär fusselt

Ist der Erbsbär erwacht, dann steppt er. In seinem schweren Kostüm tanzt der Oberkätzer Lichtmess-Bär durchs Dorf und wird an vielen Haustüren schon sehnsüchtig erwartet. Der Brauch lebt und schmiedet die Generationen zusammen.

Nur keine Angst – dieser Bär tut nichts. Ebenso wenig wie die lärmende und musizierende Gesellschaft, die ihn begleitet. Aber sie alle werden am Samstag zu Lichtmess schon an vielen Haustüren erwartet – von den Älteren, die den jahrhundertealten Brauch lieben, von der mittleren Generation, die selbst noch bis vor Kurzem mitgemacht hat, von den Kindern, die ehrfürchtig bis ängstlich auf das zottelige, ab und zu schaurig brüllende Vieh äugen. Wo dieses seit dem Morgen im Dorf entlanggezogen ist, das kann man an der Spur des verlorenen Erbsstrohs ablesen. Auch im Katzbachhaus hinterlässt der Erbsbär am Boden sein Fell.

Natürlich nicht alles, denn dann stünde er ja blank da. Direkt auf die Kleidung gebunden wird ihm das Kraut, das er am Ende auch wieder abgeben muss, denn es wird fürs nächste Jahr getrocknet und aufbewahrt. „Ein ganzer Bigpack geht da drauf, man glaubt es kaum“, sagt Rainer Löhlein. Erbsenstroh, kein Getreidestroh muss es in Oberkatz sein, und davon gibt es immer weniger. Man hat jetzt schon die Gärtnereien der Umgebung um Hilfe gebeten für 2024.

Alle Utensilien für den Erbsbär waren in Oberkatz jahrelang in der Scheune von Dieter Mittelsdorf gelagert und zogen vor einiger Zeit zu Rainer Löhlein um. Er, Marcel Scheidler und Markus Krampitz haben dieses Jahr den Bären in stundenlanger Fummelei eingebunden und begleiten ihn nun durchs Dorf. Bärenführer ist Lennox Szombierski, erst elf Jahre alt – doch er hat den Bären an der kurzen Leine, und der pariert. Esther Kümpel spielt auf dem Schifferklavier – ob es wirklich ein „24-Stunden-Crashkurs an der Meininger Musikschule“ war, wie sie behauptet, der ihr hilft, unermüdlich bekannte Titel zu spielen – oder ob nicht doch eher technische Zauberei im Spiel ist – wer weiß das schon genau? Das scheppernde Kuchenblech jedenfalls ist handbetrieben: Robin Fischer sorgt für Radau. Und mit ihm der Rest der Bande, verhockt, gut gelaunt und bei – Gottseidank – trockenem Wetter.

Im Katzbachhaus gibt es nicht nur ein großes Hallo wegen des Bären. Ortsteilbürgermeister Detlef Nicolmann hat just 61. Geburtstag, bekommt ein Ständchen der „Kaltennordheimer Spatzen“ und eines draußen mit der „Quetschkommode“. Er freut sich zur Begrüßung der Gäste, dass nach zwei Jahren Pause der alte Brauch der Lichtmess noch lebt und es erneut viele Helfer für das nun 316. Fest gab. Da lässt sich auch Ober-Bürgermeister Erik Thürmer gern mal blicken und sogar Ex-VG-Chef Manfred Beetz.

Natürlich, so groß wie früher zu DDR-Zeiten ist Lichtmess heute nicht mehr. Seinerzeit hat man auch noch Eier im Dorf gesammelt, erinnert sich Burkhard Scheidler, diese in der Gaststätte in der Ortsmitte zubereitet und gefeiert bis in die Puppen. Frank Scheidler weiß, dass der Markt ein dichtumdrängtes Mekka war und man manche Sachen nicht im Konsum, aber zu Lichtmess in Oberkatz kaufen konnte. Heuer sind es noch eine Handvoll Händler, die ihre Waren ums und im Katzbachhaus ausbreiten. Manch lustiges (Verkaufs-)Gespräch bahnt sich an, einige Dinge wechseln die Besitzer.

Was weggeht wie die warmen Semmeln: der Zwiebel- und Streuselkuchen aus dem Backhaus. Das Backteam hat am Tag vorher schon stundenlang geheizt, belegt, gebacken, transportiert. Backen heißt viel Arbeit, sogar schon zwei Tage voraus muss man einheizen. Und 30 Kuchen sind im Nu verkauft.

Viel Müh’ machen sich auch die anderen Beteiligten am Fest, die Männer am Grill, an den Theken und bei der Parkeinweisung, die Frauen in der Küche. So sieht Miteinander der Vereine aus. Puppenspielerin Alena Scherer, eine 14-Jährige aus dem Dorf, erstaunt: Ganz ohne Drehbuch hat sie die Kinder im Griff, die fiebern mit. Ein Versuch, der funktioniert – und vielleicht sind ja nächstes Jahr wieder Kinder mit einem Flohmarkt dabei. Der Bär aber schläft erst mal – bis 2024.

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